Marcus Scholz

26. November 2019

Er geht wieder rund. Zumindest zwischendurch scheint das Knie von Trainer Dieter Hecking weniger Probleme zu machen. „Dabei habe ich mit der Reha noch gar nicht angefangen“, so der Coach mit einem Lächeln. Vor ein paar Wochen wurde bei ihm ein Meniskusschaden festgestellt, der konservativ behandelt werden soll. Mit Erfolg offensichtlich. Der Trainer war heute zumindest sichtlich gut gelaunt nach der Vormittagseinheit und fügte hinzu: „Was meint ihr, wie es erst danach aussieht. Dann hüpfe ich hier wieder im Kreis.“ Dennoch, als das Gespräch dann auf die angeschlagenen Spieler kam, wurde Hecking sofort wieder ruhiger. Kein Lächeln mehr, als er über die Verletzung von Xavier Amaechi und Lukas Hinterseer sprechen musste: „Die beiden haben gestern ein Lauftraining absolviert und mussten mit Problemen wieder abbrechen. Der Bluterguss ist doch etwas hartnäckiger“, so der Coach, ehe er ankündigte: „Das könnte eng werden bis Freitag.“ Soll heißen: Beide Offensivspieler drohen im nächsten Auswärtsspiel beim VfL Osnabrück auszufallen.

Dementsprechend wird Hecking wieder umbauen müssen. Denn zumindest Hinterseer sollte als zentraler Stürmer wieder eine Option werden, nachdem er gegen Dresden ausgefallen war. Dort hatte Hecking es mit einer Systemumstellung probiert und auf ein 4-4-2-System gesetzt, das er wieder verwarf, als der HSV in Rückstand geriet und es offensiv nicht wie gewünscht lief. Schon deshalb ist ein erneuter Versuch mit Doppelspitze eher unwahrscheinlich. Bleiben also Harnik und Bobby Wood als Optionen für den Alleinunterhalten in der Spitze. Und obgleich Wood gegen Dresden nicht zu überzeugen wusste, darf er sich tatsächlich noch Chancen ausrechnen. Warum? Ganz einfach: Personalmangel. Ob Hecking denn noch Spieler in der U21 sehen würde, die ihm positionell helfen könnten? Die Antwort war ebenso kurz wie klar: „Nein.“

Hecking "droht" gegen Osnabrück erneut ein dezimierter Kader

Gegen Dresden war der HSV mit nur 17 Spielern im Kader angetreten. Mit zwei Torhütern und 15 Feldspielern. Und es deutet nicht viel darauf hin, dass es diesmal mehr werden. Abgesehen von Jonas David, der zuletzt lieber bei der U21 in Kiel antrat, um 90 Minuten Spielpraxis zu sammeln, kommt kein Spieler dazu. Ein Grund zu jammern ist das aber nicht für Hecking. Warum auch? Er kann eh nur elf Spieler beginnen lassen und drei einwechseln.

Und obwohl Bobby Wood heute im Training verbessert wirkte, das Personal zudem eng wird, und die Partie In Osnabrück sehr körperlich zu werden verspricht, glaube ich, dass Hecking mit Harnik in der Spitze und Aaron Hunt wieder im Mittelfeld beginnt. Möglicherweise im 4-2-3-1 oder auch im 4-1-4-1-System. Er könnte eine variable Doppelsechs mit Adrian Fein als klaren Sechser und Christoph Moritz oder David Kinsombi als Mischung aus Sechser und Achter spielen. Oder auch die defensivere Variante mit Fein und Gideon Jung als Absicherung von Dudziak, Hunt und Kittel hinter Harnik. Zumindest aber hat Hecking trotz der Ausfälle (Bakery Jatta ist zudem noch ein Spiel gesperrt) weiterhin einige Optionen, mit denen er von Osnabrück überraschen könnte. „Der HSV hat  genügend Qualität, um seine Spiele auch nach ein paar Ausfällen zu gewinnen“, ist sich auch Benjamin Schmedes sicher, mit dem ich heute ein längeres Gespräch führte.

 

Schmedes ist der Architekt des Osnabrücker Aufstieges. Er kam 2017, als der VfL Tabellen-19. der Dritten Liga war - und bastelte in nur 18 Monaten aus dem klaren Abstiegskandidaten einen Kader zusammen, der den VfL als amtierenden Drittligameister seit dieser Saison in der Zweiten Liga spielen lässt. Und das alles ohne einen Cent Transferausgaben. Schmedes ist quasi das, was der HSV auf dem Niveau eine Liga höher braucht(e). Und das Interessanteste daran: Schmedes kommt vom HSV. Dementsprechend kennt der heute 34 Jahre junge Ex-Praktikant im HSV-Nachwuchs, Assistent des Vorstandes und ehemalige Chefscout seinen Exklub auch noch sehr gut, wie Ihr im angehängten Rautenperle-Talk hören könnt.

Vor allem Aaron Hunt kennt er. Den Ex-Bremer holte er 2015 als HSV-Chefscout unter Sportdirektor Peter Knäbel zum HSV. Damals suchte der HSV einen Spieler, der jeden Ball absichern und das Spiel lenken sowie der eigenen Mannschaft auf dem Platz Sicherheit geben kann. Und Schmedes wusste aus eigener Erfahrung, dass Hunt genau das kann. In der Jugend hatte er jahrelang zusammen mit Hunt gespielt und ihn auch danach nie aus den Augen verloren. Dass der Techniker ob seiner Verletzungsanfälligkeit streitbar ist - Schmedes kann es nur bedingt nachvollziehen. Vielmehr sieht er Hunt als verkannt an, „weil seine Körperhaltung auf dem Platz nach außen manchmal etwas suggeriert, was er intern nie darstellt. Im Gegenteil: Bislang haben noch alle Mitspieler erkannt, welch überbordende fußballerische Fähigkeiten in ihm schlummern. Deshalb folgen ihm die Spieler - und wenn ich das richtig erkannt habe, auch die Trainer“, so Schmedes.

Sollte Hunt gesund sein, wird er in Osnabrück beginnen

Und so scheint es auch beim HSV zu sein. Wenn Hunt gesund ist, ist er unter Hecking ein Stammspieler. Bezogen auf das Spiel am Freitag glaubt Schmedes an Hunts Einsatz - aber auch an einen harten Kampf an der Bremer Brücke. Das Stadion ist mit gut 16.000 Zuschauern längst ausverkauft, die Stimmung wird erneut einer der Rückhalte seiner jungen Mannschaft sein, glaubt VfL-Sportchef Schmedes, dessen Mannschaft seit fünf Spielen ungeschlagen ist und zuletzt auch den VfB Stuttgart zuhause mit 1:0 bezwingen konnte. „Ich glaube, dass sowohl der HSV als auch wir derzeit viele richtige Entscheidungen getroffen haben und treffen“, so Schmedes diplomatisch. Schon deshalb will er keine Prognose abgeben, was am Freitag genau passieren wird. „Fakt ist aber, dass wir uns nicht verstecken. Nie. Auch nicht gegen den HSV.“

Das wird der HSV auch nicht. So zumindest war die klare Botschaft von Hecking heute an seine Spieler heute im Training. Immer wieder forderte er Präsenz und Durchsetzungskraft. Und bei dem auf Ballbesitz orientierten und im Manndeckermodus gespielten Spiel auf kleine Tore lobte Hecking immer wieder. Bobby Wood bekam dabei viel Gutes zu hören. Mir persönlich gefielen Martin Harnik und einer, der von Hecking immer wieder laut hervorgehoben wurde: Aaron Hunt. Schon deshalb bin ich mir sicher, dass Hunt am Freitag beginnen darf. Schmedes erfreut diese Art des Wiedersehens mit seinem alten Freund nur bedingt: „Weil ich weiß, was er kann.“ Bleibt nur zu hoffen, dass Hunt diese Erwartungen zu 100 Prozent erfüllt.

 

Apropos Erwartungen erfüllt: Das hat Tim Leibold bislang in Gänze. Elf Torbeteiligungen stehen bei dem Linksverteidiger zu Buche. Oder besser gesagt: Standen. Denn die DFL hat sich mal wieder selbst übertroffen und seine Definition von Torvorbereitungen verändert. So zählt die Datenbank der DFL bei Leibold nur noch vier Torvorbereitungen. Das 2:1 beispielsweise gegen Dresden sei nicht mehr seine Vorlage. Dabei hieß Torvorlage einst auch mal Torvorarbeit - und die hat Leibold mit seinem Schuss, den Dresdens Keeper Broll nur noch dem heranstürmenden Kinsombi vor die Stirn fausten konnte, definitiv gemacht. Hier statt auf Leibold auf ein Tor ohne Vorbereiter umzuwerten - lächerlich! Diese Idee kann nur von jemandem stammen, der selbst noch nie gegen den Ball getreten hat. Aber davon scheint es bei der DFL ja immer mehr zu geben…

In diesem Sinne, bis morgen! Da wird unter Ausschluss der Öffentlichkeit trainiert. Wir melden uns aber wie immer pünktlich um 7.30 Uhr mit dem MorningCall bei Euch. Bis dahin!

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