Tobias Escher

6. Mai 2019

 

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Sechs Liga-Spiele, drei Punkte: Die Bilanz des HSV seit dem 4:0-Derby-Sieg las sich vor dem Spiel gegen Ingolstadt katastrophal. Hannes Wolf blieb gar nichts Anderes übrig, als seine Formation zu verändern. Doch seine Idee, Hee-Chan Hwang als Zehner aufzustellen, ging nicht auf. Die Nervosität der Mannschaft trug ihr Übriges dazu bei, dass der HSV bei der 0:3-Niederlage gegen Ingolstadt die Partie nie dominieren konnte.

Im Groben blieb Wolf seiner Linie auch gegen Ingolstadt treu: Der HSV wollte über das eigene Ballbesitzspiel den Gegner dominieren. Die Außenverteidiger Gotoku Sakai und Douglas Santos rückten wie gewohnt bei Ballbesitz neben Sechser Orel Mangala. Das gab den Mittelfeldspielern die Möglichkeit, weiter vorne zu agieren. So weit, so Wolf.

Neu war die Rolle von Hwang. Er sollte für mehr Tiefe im eigenen Spiel sorgen. Als halbrechter Mittelfeldspieler startete er in Richtung der gegnerischen Abwehr, er agierte merklich höher als sein Konterpart Berkay Özcan auf der halblinken Seite. Bei gegnerischem Ballbesitz ging Hwang auf eine Höhe mit Stürmer Manuel Wintzheimer, der HSV verteidigte im 4-4-2.

Ebendiese Formation wandten auch die Ingolstädter an. Trainer Tomas Oral ließ seine Mannschaft einen klassischen Konterfußball spielen. Zwei Viererketten verteidigten das eigene Tor, vorne lauerten die Stürmer Dario Lezcano und Stefan Kutschke auf Zuspiele. Ingolstadt spielte dabei durchaus riskanter als die übrigen HSV-Gegner der Rückrunde: Kutschke und Lezcano ließen sich nicht immer in die eigene Hälfte fallen, sondern verblieben vorne und lauerten auf Konter. Von Union Berlin inspiriert war Ingolstadts Asymmetrie: Rechtsaußen Konstantin Kirschbaumer schaltete sich öfters in die Offensive ein und versuchte, lange Zuspiele zu halten.

Taktische Aufstellung HSV-FCI

 

Ingolstadt kontert sich zum Erfolg

Relativ schnell wurde deutlich: Wolfs Anpassungen funktionierten nicht. Hwang trug zur Offensive des eigenen Teams wenig bei, leistete sich einige Fehlpässe. Seine Passquote vor der Pause lag bei 69%, nur der in der Luft hängende Stürmer Wintzheimer hatte einen geringeren Wert (58%, Durchschnittswert des Teams: 85%).

Vor allem aber schadete Hwangs hohe Rolle dem Gegenpressing des Hamburger Teams. Die Konterabsicherung gehörte vor allem in den ersten Wochen unter Wolf zu den großen Stärken des HSV. Durch die einrückenden Außenverteidiger und die davor agierenden Außenstürmer konnte das Team nach Ballverlusten sofort nachsetzen. Das war gegen Ingolstadt nicht gegeben. Die Gäste spielten nach Ballgewinnen direkt zu den Stürmern, Lezcano startete mehrfach hinter Hamburgs Abwehr. So einfach kann Fußball sein.

Das zweite große Manko des Spiels zieht sich durch die gesamte Hamburger Rückrunde: Ihnen gelang es nicht, den hohen Ballbesitz-Wert in Chancen umzumünzen. Ingolstadt verteidigte dabei nicht einmal allzu kompakt, immer wieder rückten Akteure aus den Ketten heraus. Der HSV besetzte die entstehenden Lücken jedoch zu selten. Stattdessen suchten sie früh den Weg über die Außen. Die entstehenden Flanken konnten mangels Zielspieler nicht verwertet werden. Bezeichnend: Die beiden größten Chancen vor der Pause waren Kopfbälle, und zwar von Bakary Jatta und Hwang. Beide sind nicht als Kopfball-Ungeheuer bekannt.

Angst fressen Seele auf

Der frühe Rückstand und die Unfähigkeit, den tiefen Gegner zu knacken, befeuerten die Nervosität des Hamburger SV. Von Minute zu Minute hielten sie ihre Positionen schlechter. Gerade im zentralen Mittelfeld klaffte zuweilen eine große Lücke, da Santos und Sakai nach vorne drückten. Orel Mangala muss man an dieser Stelle ein Lob zusprechen: Mit seiner physischen Präsenz und seiner guten Antizipation würgte er so manchen brenzligen Konter ab.

Nach der Pause gab es zunächst ein kleines Aufbäumen des HSV. Sie spielten ihren eigenen Ballbesitz besser aus. Jatta und Khaled Narey drückten den Gegner auf den Flügeln nach hinten, im Anschluss ging der Ball auf den im Rückraum frei stehenden Mangala. Doch mangels Kombinationen im Zentrum kam der HSV allenfalls über Fernschüsse zu Torgelegenheiten.

Mit der Einwechslung von Pierre-Michel Lasogga (64., für Hwang) stellte Wolf endgültig auf ein 4-4-2-System um. Doch der ebenfalls eingewechselte Josha Vagnoman (für Sakai) machte mit seinem Fehler jede Hoffnung auf einen Punktgewinn zunichte. Als letzter Mann nach einer Ecke am gegnerischen Strafraum(!) nahm er einen Ball schlecht an. Ingolstadt konterte zum 2:0. Auch danach hatte Ingolstadt noch mehrere gute Kontergelegenheiten gegen komplett aufgerückte Hamburger, aufgrund ihrer schlechten Chancenverwertung endete das Spiel „nur“ 0:3.

Ausblick: Das Chaos gegen die Ordnung

Wie der HSV nach dieser Leistung gegen Paderborn in die Erfolgsspur zurückfinden will – das kann sich im Moment kaum ein HSV-Anhänger vorstellen. Zuversichtlich stimmt die Vergangenheit: Beide Spiele gegen Paderborn in dieser Saison gewann der HSV, sowohl in der Liga (1:0) als auch im Pokal (2:0).

Gerade im Pokal war es den Hamburgern gelungen, das vorwärtsgerichtete und äußerst aggressive Spiel der Paderborner zu neutralisieren. Wolf stellte seine Mannschaft damals in einer Fünferkette auf. Die Stärken der Paderborner haben sich seitdem nicht verändert: Noch immer laufen sie mit vier Mann den Aufbau des Gegners an, wollen nach Ballgewinnen sofort nach vorne spielen. Dem HSV ist es in der Vergangenheit gelungen, ebendiese Dynamik der Paderborner abzuwürgen.

Der nervöse Auftritt gegen Ingolstadt lässt allerdings befürchten, dass der HSV diesmal weitaus weniger clever zur Sache geht. Es besteht die akute Gefahr, dass die Hamburger Spieler mit dem Druck im Rücken überdrehen und sich auf einen offenen Schlagabtausch einlassen; schließlich muss ein Sieg her. Solche Spiele liebt Paderborn, können sie hier doch ihre gesamte Dynamik ausspielen. Sollte es jemals Zeit gewesen sein für den perfekten Matchplan: Wolf wird ihn am Sonntag präsentieren müssen. Sonst droht der Klassenerhalt – und der war in dieser Saison keineswegs das Ziel des HSV.

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