Marcus Scholz

23. Mai 2018

Es ist immer ein gutes Zeichen, wenn Spieler nicht erst bei uns durch die verschiedenen Medien laufen, ehe sie der HSV als Zugang vermelden kann. Und das ist in den letzten Monaten erstaunlich gut gelungen. Bei Christoph Moritz auch fast. Allerdings kamen hier auch aus dem direkten Umfeld des abgebenden Klubs Kaiserslautern Hinweise – zumindest war das bei mir so. Und deshalb war es keine große Überraschung, dass der HSV heute den 28 Jahre alten Mittelfeldspieler als dritten Zugang für die kommende Saison vermeldete. Moritz, der heute erfolgreich seinen Medizincheck im UKE bestand, unterschrieb einen Vertrag für zwei Jahre. „Christoph Moritz ist ein Fußballer mit hohem technischen Niveau und einer herausragenden Mentalität, der zudem über reichlich Erst- und Zweitliga-Erfahrung verfügt. Er wird eine echte Verstärkung für uns sein“, erklärt HSV-Kaderplaner Johannes Spors.

Okay, der Veranstalter lobt die eigene Veranstaltung – so ist das immer. Von daher gilt es, noch abzuwarten, ob dieser Transfer am Ende den gewünschten Erfolg bringt. Geht es nach Moritz – dann (wenig überraschend) ja: „Ich bin von dem Weg, den mir die Verantwortlichen aufgezeigt haben und den der HSV gehen will, absolut überzeugt. Vor uns liegt eine schwere Aufgabe, aber ich freue mich auf diese Herausforderung und werde meine Erfahrung auf und neben dem Platz bestmöglich einbringen, damit wir unsere Ziele erreichen“, so der Wunschspieler von Chefcoach Christian Titz, der mit Moritz schon vorher als Individualtrainer zusammenarbeitete.

Moritz ist nach dem Schotten David Bates und dem U19-Angreifer Manuel Wintzheimer der dritte Zugang für die neue Saison. Und weitere Bekanntmachungen sollen in der Pipeline stehen. Soll heißen, der Aufsichtsrat muss noch sein Okay geben. Denn dort liegen auch die Personalien, die sich aus dem aktuellen Kader ergeben. Lewis Holtby soll sich bereits für einen Verbleib beim HSV entschieden haben. Ebenso Aaron Hunt. Und beide würden dafür auf einen bemerkenswerten Teil ihres – zugegebenermaßen zu üppigen – aktuellen Gehaltes verzichten. Es sei denn, der Aufsichtsrat lässt sich zu viel Zeit. Womit ich zu einer Kernfrage komme, die hier in Hamburg gefühlt immer wieder diskutiert wird: Wie kann es sein, dass wieder der Aufsichtsrat am Ende bei Transfers entscheidend mitwirkt?

Nein, es ist leider schon wieder einiges im alten Trott. Und kaum kommt Politik ins Spiel, verliert der HSV seine vorher noch selbst ernannten Ziele aus den Augen, weil jeder nur sein persönliches Fortkommen vor Augen hat. Bernhard Peters beispielsweise hat intern anerkannte Erfolge erzielt. Die Nachwuchsabteilung hat er zusammen mit den Trainern und anderen Offiziellen in den letzten vier Jahren aufgewertet. U21 und U19 sind Vizemeister geworden, die U17 gilt als das talentierteste Team seit Jahren. Und dennoch ist er beim HSV seit seinem Vorstoß in einem Abendblatt-Interview, in dem er sich selbst als Vorstand Sport vorschlug, kaum mehr zu halten. Weil man ihm vorwirft, sich selbst über das Ganze gestellt zu haben.

Auch ein Grund, weshalb sich Frank Wettstein, der aktuell als Interims-Boss fungiert, öffentlich für Peters stark macht: „Zum jetzigen Zeitpunkt, noch bevor überhaupt ein Sportvorstand bestellt ist, eine öffentliche Debatte über Herrn Peters zu führen, verkennt komplett die Leistungen von Herrn Peters in den letzten vier Jahren“, so Wettstein, der hinzufügte: „Der HSV ist in die Spitze des deutschen Fußballnachwuchses hinsichtlich Strukturen, Trainerausbildung und Mannschaftsplatzierungen aufgestiegen. Das alles ist eine Teamleistung, an der Herr Peters einen sehr großen Anteil hat. Und darauf basiert auch die sportliche Entwicklung im letzten Teil der abgelaufenen Saison.“

Dennoch, mit diesem Vorstoß dürfte Peters-Befürworter Wettstein wenig retten können. Vor allem keine Mehrheit im Vorstand gegen den Wunsch des designierten neuen Vorsitzenden. Und da eine Degradierung zurück in den Nachwuchsbereich für Peters grundsätzlich nicht akzeptabel scheint, wird es hier Verlierer geben. Vor allem mal wieder den HSV.

Und es drohen noch mehr Abnutzungsverluste. Am Sonnabend soll Bernd Hoffmann wieder zum ersten Vorsitzenden ernannt werden. Übergangsweise zunächst. Der Präsident des HSV e.V. würde dann ein Jahr lang (sofern er anschließend nicht als Dauerlösung eingesetzt wird) sein im Februar per Wahl errungenes Mandat Ruhen lassen und operativ die HSV AG leiten. Und allein das sorgt schon für Aufsehen, weil Hoffmann eben genau das im Rahmen seines Wahlkampfes Februar noch ausgeschlossen hatte. Damals kam es vor und vor allem auch direkt bei der Jahreshauptversammlung zu hässlichen Diskussionen, die dem HSV schadeten. Die Fraktion seiner Kritiker hatte sogar schon unmittelbar nach der Wahl Hoffmanns zum Präsidenten des e.V. eine sofortige Absetzung beantragt – und sie scheint auch jetzt wieder aktiv werden zu wollen. Wie genau das funktionieren soll, wenn der Aufsichtsrat Hoffmann bestellt – ich verstehe es nicht. Vielmehr scheint sich hier wieder Aktionismus breit zu machen, der dem HSV weiter schaden würde.

Denn man kann über Hoffmann diskutieren, vielleicht auch streiten. Hoffmann geht seinen Weg in aller Konsequenz. Aber das allein kann kein Grund sein, ihn zu boykottieren. Schon gar nicht für diesen noch immer führungsschwachen HSV ohne (bessere) Alternative, womit ich zum eigentlichen Punkt meiner Kritik komme: Denn Hoffmanns erneute Berufung zum Vorstandsboss ist für mich vor allem auch ein Indiz dafür, dass dieser HSV noch immer nicht funktioniert. Oder wie sonst ist es zu erklären, dass man seit Februar mit einem doch als so hochkarätig gefeierten neuen Aufsichtsrat einen Posten wie den Vorstandsvorsitz nicht neu besetzt bekommt und am Ende jemanden nehmen „muss“, der das selbst bis vor kurzem noch komplett ausgeschlossen hat? Nein, das Ganze ist nichts anderes als eine Kapitulation der neuen Räte – womit ich nicht die Qualität Hoffmanns als Vorstandsboss anzweifle. Im Gegenteil. Aber ein konsequenter Neuanfang, wie er mit dem neuen Trainer, der neuen finanziellen Ausrichtung, der neuen Liga etc. angegangen werden sollte, ist es auch nicht.

Und wenn wir schon beim Aufsichtsrat sind: Warum gibt der Kontrollrat den sportlich Operativen nicht ein Budget vor, für das der Kaderplaner (bis der noch zu bestimmende Vorstand Sport gefunden ist) im Zusammenspiel mit dem Trainerteam verantwortlich zeichnet? Oder ändert sich das sofort, sobald der neue Vorstand Sport gefunden ist? Kann der dann zügiger arbeiten? Fragen, die aktuell niemand beantworten kann. Und das, obwohl sie gefühlt Jahr für Jahr gestellt werden.

Am Wochenende soll es nun also die Neubesetzung geben – mit einem zurückgeholten Ersten Vorsitzenden und einem neuen Vorstand Sport. Ob der am Ende Markus Krösche oder Ralf Becker heißt – offen. Dazu gesellt sich höchstwahrscheinlich ein isolierter, Direktor Sport, der am Ende trotz guter Arbeit aus personalpolitischen Gründen und interner Vereinspolitik gehen muss.

Klingt alles nach dem HSV – den man hier eigentlich vergessen machen will...

 

In diesem Sinne, bis morgen.

Scholle

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