Tobias Escher

7. Oktober 2019

Häufig höre ich die Kritik, Taktikanalysen würden den Fußball unnötig verkomplizieren. Eigentlich sei es ein simpler Sport – warum so kompliziert beschreiben? Ich würde es aber eher andersrum betrachten: Dadurch dass sich Analysen wie meine auf den Faktor Taktik konzentrieren, werden sie der Komplexität des Fußballs nicht immer gerecht. Mentalität, Technik, Kondition – all das ist schließlich ebenso Teil des Sports wie Taktik. Ich beschreibe hier also meist nur eine Facette eines sehr facettenreichen Sports.

Wie passt diese Einleitung zum überzeugenden 2:0-Sieg des Hamburger SV gegen Greuther Fürth? Es ist in diesem Fall nur schwer möglich, die taktischen Faktoren, die zum Sieg beitrugen, von anderen Faktoren abzugrenzen. Denn dass der HSV die Partie über neunzig Minuten fast nach Belieben dominieren konnte, lag auch am Gegner und dessen mentaler Verfassung.

Links ist die HSV-Schokoladenseite

Trainer Dieter Hecking entschied sich dafür, Bakary Jatta wieder in die Startelf zu stellen, Sonny Kittel musste auf der Bank Platz nehmen. Der HSV stellte sich damit in der altbekannten Mischung aus 4-3-3 und 4-2-3-1 auf. Aaron Hunt agierte als Zehner mal vor Jeremy Dudziak, mal ließ er sich auf eine Höhe mit ihm fallen. Hinter ihnen sicherte Sechser Adrian Fein ab.

Altbekannt ist beim Hamburger SV auch die Tatsache, dass sie vornehmlich über die linke Seite angreifen. In dieser Partie besetzte Bakary Jatta den Flügel, er hielt seine Position auf der linken Seite. Linksverteidiger Tim Leibold agierte eher diagonal. Er startete von der Seitenauslinie Richtung Tor. Unterstützung erhielten die Beiden durch den extrem umtriebigen Dudziak und durch Aaron Hunt.

Die gesamte Hamburger Angriffsstruktur war auf Attacken über die linke Seite eingestellt. Rechts agierte Martin Harnik in einer hohen Position. Er versuchte, hinter die gegnerische Abwehr zu starten. Damit agierte er praktisch als zweiter Stürmer. Rechtsverteidiger Joshua Vagnoman wiederum rückte häufig als zweiter Sechser ins Zentrum ein. Auf dieser Position bot er sich für Verlagerungen an. Teilweise agierte er aber auch als Breitengeber, um Spielverlagerungen von Fein anzunehmen.

Taktische Aufstellung HSV-SGF

 

Aussetzer auf Fürths linker Seite

So weit waren diese Facetten im HSV-Spiel nicht neu. Einzig Jattas sehr breite Position fiel im Vergleich zu den letzten Spielen auf. Dass der HSV ausgerechnet gegen Fürth so viel Erfolg hatte mit der Überladung der linken Seite, lag maßgeblich am Gegner. Diese hatten nämlich herbe Probleme auf ihrer eigenen rechten Seite.

Diese wurden bereits früh offenbar, als Jatta scheinbar mühelos an Außenverteidiger Maximilian Sauer vorbeimarschierte. Sauer war über neunzig Minuten bestrebt, diesen Fehler wieder wettzumachen – zumindest hatte man als Zuschauer dieses Gefühl. Immer wieder rückte er aus der Kette, um Jatta auf dem Flügel zu stellen. Aufgrund mangelnder Hilfe des Rechtsaußen war Sauer in diesen Situationen häufig auf sich alleine gestellt.

Sauer konnte zwar verhindern, dass Jatta häufiger an die Grundlinie durchstoßen konnte. Jedoch öffnete er zugleich Raum für Leibold. Auch dieser Spielzug ist bei den Hamburgern nicht neu: Der Außenstürmer zieht den Gegenspieler auf sich, der Außenverteidiger vorderläuft ihn; das bedeutet, er startet diagonal an die Grundlinie. Der Außenstürmer bedient diesen Lauf, der Außenverteidiger kann flanken.

Jatta und Leibold exerzierten dieses Prinzip in Perfektion. Leibold kam in der ersten Halbzeit gleich zweimal selber zum Abschluss, in der zweiten Halbzeit bereitete er das wichtige Tor zum 1:0 vor. Das Ganze war kein rein taktisches Phänomen. Es erklärte sich an den Schwächen der Fürther, die mit der Zeit nervöser und nervöser zu werden schienen. Zugleich trauten sich die Hamburger mit jeder gelungenen Aktion etwas mehr zu, rückten mutiger auf der linken Seite auf. Gerade Leibold hielt im Laufe der Partie nichts mehr hinten. Taktik und Psyche im Doppelpass, sozusagen.

Reifer Auftritt

Auch ansonsten war es ein reifer Auftritt des Hamburger SV. Fürth versuchte in der Anfangsphase noch, den HSV im 4-3-3 hoch anzulaufen. Der HSV befreite sich über den stark agierenden Fein, sodass Fürths Idee, den Spielaufbau von Rick van Drongelen fernzuhalten, schiefging. Nachdem sich Fürth im 4-1-4-1 weiter zurückzog, konnte der HSV die entscheidenden Nadelstiche über die linke Seite setzen.

Nur selten schwamm der HSV. Fürth versteifte sich auf lange Bälle auf die einrückenden Außenstürmer. Diese langen Bälle hatten dem HSV beim 2:2 in Regensburg noch Probleme bereitet. An diesem Nachmittag funktionierte die Tiefenstaffelung wesentlich besser. Timo Letschert verblieb meist tief, während van Drongelen das Kopfballduell suchte. Nur in wenigen Situationen passte die Abstimmung nicht, so etwa vor der großen Chance durch Tobias Mohr (60.), als Letschert zu sehr auf den Ball schaute und Mohrs Tiefenlauf zuließ. Doch insgesamt hatte der HSV ein klares Chancenplus.

 

Negativ war allenfalls die Chancenverwertung. Der HSV hätte die Partie wesentlich früher beenden können. Fürths Torhüter Sascha Burchert erwischte jedoch einen starken Tag. Erst der eingewechselte Sonny Kittel erzielte den erlösenden 2:0-Treffer. Er interpretierte die Rolle des Linksaußens zentraler, Fein bediente ihn mit einem langen Ball.

Beinahe schade aus HSV-Sicht, dass nun die Länderspiel-Pause ansteht. Die Motivation aus dem Fürth-Spiel hätte der HSV im Topspiel gegen Arminia Bielefeld gebrauchen können. So muss der HSV über zwei Wochen warten, ehe die Liga weitergeht.

FAQs

 
 

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