Marcus Scholz

16. Juli 2018

Heute ist offiziell Ruhetag beim HSV. Was nicht bedeutet, dass es auch wirklich ruhig ist. Im Gegenteil. Gerade Sportvorstand Ralf Becker hat dieser Tage eine Menge zu tun. Hier und da trudeln Anfragen für Spieler ein, die es nach dem Grad der Ernsthaftigkeit zu sortieren gilt. Zudem ist die Causa Arp weiterhin ein schwebendes Verfahren. Einziger Unterschied zu den letzten Wochen: Der HSV drängt jetzt mit Vehemenz auf eine schnelle Entscheidung.

 

Bislang hatten die Bayern das inakzeptable Angebot von 2,5 Millionen Euro abgegeben. Zu wenig für den HSV, obgleich Youngster Arp für die kommende Saison beim Rekordmeister im Wert stehen soll. Inklusive seines Jahresgehaltes von mehr als 5 Millionen Euro pro Saison winkt ihm und vor allem auch seinen Beratern – bestehend aus seinem Vater und dem Spielerberater Jürgen Milewski – ein Gesamtpaket von 30 Millionen Euro. Unfassbare Zahlen für einen frisch gebackenen Abiturienten, die die Frage nach seiner Entscheidung zu einer rhetorischen werden lassen. Auch deshalb drängt der HSV, der eine Weile auf Arps Verbleib gehofft hatte, auf eine schnelle Entscheidung. Parallel dazu sollen im Laufe dieser Woche auch die Personalien Mergim Mavraj (Interesse aus Spanien), Kyriakos Papadopoulos (Interesse aus der Türkei) und Filip Kostic (Interesse aus Spanien und Portugal) abgearbeitet werden, damit man den Kader schnellstmöglich in seine finale Form gießen kann. Bislang noch ohne Ergebnis – aber die werden folgen. Ganz sicher.

Ich weiß, dass einige meine Aussage „bislang ist der HSV im Soll“ gleichstellen mit der Aussage „so kann man in die Saison gehen“. Aber dem ist mitnichten so. Ich weiß, dass sich der Kader an verschiedenen Stellen – je nachdem, welche Spieler für welche Ablösesummen abgegeben werden können  - noch verändern wird. Und jeder neue Spieler bedeutet automatisch erst einmal eine Veränderung. Und gerade bei dem neuartigen Spielsystem von Christian Titz wird es seine Zeit dauern, bis auch die Spieler, die jetzt noch kommen, damit sicher umgehen können. Ehrlich gesagt müssen das selbst die tagtäglich noch üben, die schon länger dabei sind. Sogar der gestern von Oliver Kahn gelobte Keeper Julian Pollersbeck. Wobei, hier für alle, die es noch nicht gehört/gelesen haben, noch mal kurz zusammengefasst, was Kahn nach dem WM-Finale über das Titz-System sagte:

„Was mir gefehlt hat während des Turniers, war die Weiterentwicklung. Bei der WM 2014 hatte sich Manuel Neuer von einem Torwart eher zu einem Torspieler entwickelt. Ich hätte mir gewünscht, dass diese Entwicklung weitergeht, dass der Torwart vielleicht noch mehr ins Aufbauspiel eingebunden wird. Wir haben wahnsinnig viele Spiele gegen tief stehende Mannschaften gesehen. Da hat es schon Sinn, wenn der Torwart herausrückt und am Spielaufbau teilnimmt, sodass der Sechser nicht abkippen muss, sondern nach vorne gehen kann. Der Hamburger SV spielt genau das mit Pollersbeck sensationell. Davon haben wir bei der WM ein bisschen wenig gesehen, also der Entwicklung zum Torspieler.“

 

Ein Kompliment für Trainer Christian Titz, das diesen freuen dürfte, was ihn aber nicht überrascht. Immerhin hat sein Spiel mit dem hoch stehenden Torwart schon in der abgelaufenen Saison am Ende gut funktioniert. Trotz des vermeintlich großen Risikos. „Statistisch fangen wir so nicht mehr Gegentore als vorher“, erklärte mir Cotrainer Andre Kilian im Trainingslager, „und solange das so ist, ist diese Maßnahme von Vorteil, weil wir im Aufbauspiel eine Überzahl herstellen.“ Dennoch, dass das System Risiken birgt, ist unstrittig. „Du musst als Keeper natürlich immer hellwach sein und mit dem Ball umgehen können. Ich habe in den letzten Wochen vor allem den ersten Kontakt geübt und noch mehr Wert darauf gelegt, dass die Ballannahme perfekt sitz. Ansonsten gerätst du unter Umständen so schnell unter Druck, dass Fehler passieren“, erklärte mir Tom Mickel im Trainingslager.

Julian Pollersbeck bekam das gegen Rapid Wien zu spüren und ließ Trainer Christian Titz das eine oder andere Mal zusammenzucken. Allerdings war er auch einige Tage angeschlagen nicht im Training dabei und hat im Laufe der Rückserie unter Titz bereits bewiesen, dass er es kann. „Ich habe schon immer versucht, als Torwart mitzuspielen, als Anspielpunkt zu dienen. Das Spiel so kommt mir entgegen“, so Pollersbeck, der als Nummer eins in die Saison starten dürfte. Übrigens: Pollersbeck hatte es zum Saisonende hin sogar so gut gemacht, dass er Lob von einem der ganz großen Klubs Europas erhielt. Im März das erste Mal, als Jugendscout Steven Fraser im Stadion war und im Auftrag Arsenal Londons das neue HSV-System begutachten sollte. Aus dem ersten Kontakt folgten weitere. Und die Engländer äußerten sich begeistert.

Titz als Trendsetter?

Möglich. Aber nicht nur für Titz eher nebensächlich. „Die Erfolge werden darüber entscheiden, ob es gut ist oder nicht. So, wie es im Fußball üblich ist“, gibt sich Titz keinen großen Illusionen hin. Die Komplimente anderer seien schön, aber für ihn nicht der Maßstab. „Wir werden an gewissen Elementen dauerhaft arbeiten und sie entwickeln müssen“, so Titz im Trainingslager. Und dafür werde er vor allem auch Andre Kilian einspannen.

Der neue Cotrainer ist Titz’ Assistent für das Spiel mit Ball – auch hinten heraus beim Torwart beginnend. „Für den Torhüter ist die neue Situation doppelt anstrengend“, so Kilian, „plötzlich ist es nicht mehr nur halten und in Ruhe aufbauen, sondern alles in deutlich verkürzter Zeit. Plötzlich müssen sie schon vor der Ballannahme wissen, was sie im nächsten Moment mit dem Ball machen. Und das ist oftmals viel komplexer, als es sich so jetzt anhört. Deshalb brauchen unsere Torhüter auch die mentale Stärke, dauerhaft hochkonzentriert zu sein.“

Bislang hat das in der ersten Liga gut geklappt. Ich glaube tatsächlich nach den letzten Spielen der abgelaufenen Saison und den bisherigen Testspielen daran und bin sehr gespannt, ob das auch in der neuen Saison in der Zweiten Liga so funktionieren wird. Denn dort wird der HSV zweifelsfrei auf etliche Mannschaften treffen, die sich tief positionieren werden. Eben genau so, dass dieser eine Anspielpunkt mehr im Aufbauspiel Gold wert sein wird. Vor allem bin ich sehr gespannt, ob und wann auch andere Klubs ihre Torhüter wie beim HSV vorziehen werden...

 

In diesem Sinne, bis morgen!

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