Marcus Scholz

9. Februar 2019

 

„Das ist doch gut. Dann gewinnen wir. Sicher!“ Worte eines absoluten Fachmannes, die ich gern glauben würde. Und auch sonst machte der ca. sechs Jahre junge HSV-Fan am Trainingsrand heute gute Bemerkungen. Immer wieder erklärte er seinem Vater, weshalb die Rückkehr von Pierre Michel Lasogga für den HSV am Montag gegen Dynamo Dresden einer Sieggarantie gleichkommt. Dass er nach Trainingsende ein gemeinsames Selfie mit dem Angreifer bekam - Ehrensache. Für Lasogga, der seinem Fan auch gleich noch dessen HSV-Trikot signierte. Und tatsächlich sah nicht nur das gut aus, sondern auch die kurze Einheit davor. Auch und vor allem bei Lasogga. Denn der Angreifer wirkte hochmotiviert. Er schoss aus allen Lagen, und er traf auch. Seinem Einsatz am Montag steht nichts mehr im Wege.

Sehr zur Freude des kleinen Mannes heute am Rand, der aber längst nicht der einzige ist, der sich über die Rückkehr des Toptorschützen des HSV freut. Denn Lasoggas Wichtigkeit spiegelt sich nicht allein in seinen Toren wieder. Sie wird vor allem immer dann besonders auffällig, wenn er fehlt. Im Schnitt 1,5 Punkte ohne ihn holte der HSV in dieser Saison. Mit ihm in der Startelf waren es dagegen stattliche 2,75 Punkte. Und am Montag kommen drei dazu - sagte ja schon der kleine Mann.

Ebenfalls am Montag dabei sein kann Gideon Jung wieder. Und das aller Voraussicht nach auf einer neuen Position: Als Rechtsverteidiger wird er den gegen Dresden und danach in Heidenheim gesperrten Gotoku Sakai ersetzen. Wann er das letzte Mal hinten rechts gespielt hat? Jung muss nicht lang überlegen - war nämlich nicht oft. „Im ersten Spiel für Oberhausen war das“, so Jung, „danach nicht mehr. Wobei, in der Dreierkette war es so ähnlich.“ Aber eben nicht dasselbe. Dennoch sei es für ihn aber kein Problem, sich auf diese neue Position einzustellen, so der 24 Jahre junge Defensivallrounder.

Auf der anderen Außenverteidigerpositon links soll es Douglas Santos wieder richten - allerdings fehlte der gestern und auch heute wieder. Ein Infekt hatte ihn ausgeknockt. „Es verhält sich bei ihm so, dass wir hoffen, dass er morgen wieder dabei sein kann und muttrainiert“, so Trainer Hannes Wolf heute nach der Einheit erleichtert. Er sagte das zwar noch sehr vorsichtig - aber Santos soll sich heute schon deutlich erholt präsentiert haben und mehr geschont worden sein, als dass er hätte aussetzen müssen. Etwas besser sieht es auch schon bei Hee-chan Hwang und Aaron Hunt aus, die heute zusammen mit dem Langzeitverletzten Jairo Samperio auf dem Nebenplatz separat trainierten. Wolf selbst ging nach der Einheit zu Rehatrainer Sebastian Capel und erkundigte sich nach den Fortschritten. „Es sieht gut aus, wird aber noch ein wenig dauern“, so Wolf.

Auch Fiete Arp macht einen guten Eindruck. Sportlich ebenso wie im Auftritt drumherum. „Er wusste es ja  schon länger und konnte sich darauf vorbereiten“, sagt Gideon Jung, der sich wie fast alle in der Mannschaft sehr gut mit Arp versteht und den jungen Angreifer auch jetzt so stützen wird, wie es Vorstandsboss Bernd Hoffmann gestern schon von Vereinsseite her deutlich gemacht hatte. Dass der ganze Trubel an ihm nicht spurlos vorbeigehen wird ist klar. Wie auch? Dennoch macht er gute Mine zum üblen Spiel und gibt bereitwillig Autogramme, lässt sich im Training nichts anmerken und auch sonst nicht. Er schweigt zu dem Thema, weil der HSV es ihm so empfohlen hat. Von daher muss er die nächsten Tage, vielleicht Wochen erst einmal nur einstecken - ohne sich wirklich wehren zu können.

Natürlich werden wieder einige sagen: „Der verdient Millionen, der muss das abkönnen.“ Aber das, was auf Arp seit nunmehr einem Jahr einprasselt ist alles andere als normal. Von normalem Stress wie Schule, Führerschein und neue Freundin spreche ich hier mal gar nicht. Umso mehr hoffe ich, dass Arps öffentlicher Auftritt auch seinem Gefühlsleben entspricht. Denn Arp präsentiert sich motiviert auf dem Platz und zu Späßen aufgelegt außerhalb.

Aber ich kann mich noch gut daran erinnern, was ich in meiner Lebensphase rund ums Abi gemacht habe. Es war eine herrlich unbeschwerte Zeit. Der Schulstress erreichte mich nicht wirklich, es lief auch so. Ich musste allerdings auch nicht zu U17-Weltmeisterschaften als Kapitän oder in der Bundesliga für den HSV auflaufen. Okay, im Gegenzug konnte ich mich auch nicht mit einer Unterschrift ein Leben lang finanziell absichern. Aber ich wurde eben auch nicht jeden Tag beobachtet. Im Gegenteil: Ich hatte viel Zeit für meine Freunde, meine Freundin und mich. La dolce Vita!

Und ich habe es genossen, rede heute noch gern davon. Ich habe schön viel Quatsch gemacht, war mit Freunden feiern, lebte in den Tag hinein und genoss die kurze Übergangsphase vor der Uni in vollen Zügen. Niemand hat mich beobachtet (meine Eltern mal ausgenommen). Und ich tippe mal, das wird auch vielen von Euch so gegangen sein. Freiheit war für uns alle ein hohes Gut. Eines, das ich hatte - und das Arp nicht hat. Denn der junge Fußballer wird von seinem privaten wie öffentlichen Umfeld in einen Rahmen gepresst, den er akzeptieren muss, wenn er Erfolg haben will. Egal, ob er andere Wünsche hat oder nicht - er muss vernünftig sein. Das ist der Preis  für tolle Verträge.

Arps Leben ist also in ungefähr das Gegenteil von mir und meinen Freunden damals. Ich musste keine schwerwiegenden, langfristigen  Entscheidungen treffen, was meine Zukunft betrifft. Ich wusste zumindest, was mich die nächsten vier, fünf Jahre erwarten würde. Ich hatte ein längeres Studium vor mir - und das nach kurzem Kampf auch in Hamburg. Denn ich wollte nicht weg. Ich wollte bei meinen Freunden in Hamburg bleiben und weiter mit ihnen Spaß haben. Übrigens auch beim Fußball. Ein Wechsel kam für mich nie in Frage - denn ich hatte meinen Verein gefunden und wollte nichts mehr, als diesem (zusammen mit meinen langjährigen Freunden) helfen, erfolgreicher zu werden. Heute kann ich sagen, dass es sich gelohnt hat. Allerdings bewegten sich die Angebote anderer Klubs damals auch eher im Bereich von 500 bis 1000 Mark maximal mehr im Monat. Also nichts, womit ich den Rest meines Lebens finanziell absichern könnte.

Und es waren auch keine engen Verwandten und Freunde in meine Entscheidungen involviert. Also kein Berater, der selbst erfolgreich Fußball gespielt hatte und es besser wissen müsste als ich. Und auch nicht mein Vater, dem ich bis heute blind vertrauen würde. Im Gegenteil: Ich wohnte mit 18, 19 Jahren noch bei meinen Eltern und war abgesichert. Ich konnte Fehler machen und ich machte sie, ohne dadurch schlimmste Konsequenzen erwarten zu müssen. Verantwortung? Minimal. Kurzum: Ich hatte genau die Leichtigkeit des Seins, die Arp längst abgegeben hat. Nein: Die er abgeben musste. Es ist sein Preis für eine große Karriere.

Von daher maße ich mir auch nicht an, Arp zu verurteilen, weil er das Bayern-Angebot angenommen hat. Im Gegenteil: Ich hätte bei so viel Verzicht für die Karriere und bei so viel Geld  sicher auch schwer bzw. ziemlich sicher gar nicht widerstehen können. Warum auch? Das Schlimmste wäre, danach auch noch beim sportlich besten Verein Deutschlands spielen bzw. zumindest mit den besten Spielern zusammen trainieren zu dürfen. Meiner Entwicklung würde das sicher nicht schaden. Okay, die Karriereplanung (die er sicher nur geringfügig selbst macht) ist diskutabel - zugegeben.

Aber mir imponiert, wie Arp - auch jetzt im Nachhinein - damit umgeht. Er schiebt den vertraglich garantierten finanziellen Reichtum ein paar Jahre, um dem HSV zu helfen. Aus Verbundenheit zum Klub. Und ja, hier verdient er auch sehr gut. Aber eben nicht mal ansatzweise das, was ihm die Bayern zahlen würden. Ich bin mir auch sicher, dass der Vertrag mit dem Rekordmeister auch eine den FCB absichernde Klausel beinhaltet, die es ermöglicht, den Vertrag aufzulösen, sollte sich Arp im Laufe der Zeit beim HSV schwer verletzen. Das ist üblich. Und wie schnell das passieren kann wissen wir alle. Von daher bleibt es dabei, dass Arp es sich deutlich leichter hätte machen können und jetzt erneut Verzicht übt, um dem HSV zu helfen.

Dass er es sportlich derzeit nicht so hinbekommt, wie er es wollte und wie es von ihm eigentlich erwartet wird - das ist so. Okay. Das kann niemand leugnen. Allerdings ist das auch der für mich einzige, objektiv zulässige Ansatzpunkt für Kritik an Arp. Die Artikulation des Wechsels, das hatte Vorstandsboss Bernd Hoffmann gestern ehrlich zugegeben, haben allein die Vereine zu verantworten. Zudem bietet der HSV bei allem gebotenen Respekt derzeit auch nicht die besten Zukunftsaussichten für junge Talente. Und Arps Wunsch, trotzdem noch in Hamburg bleiben zu dürfen und dafür auf Geld zu verzichten, wird wahrscheinlich keinen HSV-Fan stören.

Achja, um das Thema Arp für heute abzuschließen, und das auch nur ganz nebenbei: Wir reden hier immer noch über einen gerade erst 19 Jahre (damals sogar erst frisch 18 Jahre jungen) Menschen, der sich in jeder Sekunde außerhalb seiner abschließbaren eigenen vier Wände tadellos geben muss, weil er beobachtet wird. Immer. Überall. Den Smartphones etc. sei dank. Wenn ich mir mich in dem Alter da so ansehe - oha…!

Und an dieser Stelle auch noch mal für diejenigen,  die heute jede noch so niveaulose Beleidigung Arps damit rechtfertigen, dass er ja nunmal wechselt, viel Geld verdient und ja auch eine Person des Öffentlichen Rechts sei: Mensch bleibt er trotzdem. Und zwar einer, von dem ich inzwischen behaupten kann, dass ihm der HSV sehr wichtig ist. Und das wiederum war bei den knapp 300 Profis der letzten 20 Jahre, die ich hier miterlebt haben, nicht oft der Fall. Im Gegenteil: Ich glaube, dass Arp heute für die Unehrlichkeit vieler seiner Vorgänger, die erst innig die Raute küssten und Sekunde später für ’nen Euro mehr gingen, büßen muss.

Aber da mache ich nicht mit.

In diesem Sinne, bis morgen. Da wird übrigens unter Ausschluss der Öffentlichkeit trainiert. Bis dahin, Scholle

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