Marcus Scholz

20. Februar 2020

Er hat lange geschwiegen, weil er schweigen sollte. Bis zuletzt hat der HSV seinen Angreifer Bakery Jatta aus der Öffentlichkeit gehalten. Jatta sollte nach den monatelangen Berichten über seine falsche Identität nicht überlastet werden. Der Angreifer sollte endlich wieder zur Ruhe kommen. Und das hat er geschafft. Inzwischen hat er wieder für den HSV nicht nur gut gespielt und getroffen. Er ist sogar zum Sinnbild des neuen Zusammenhaltes beim HSV geworden. Der Frontalangriff auf den Gambier hat dazu geführt, dass man sich beim HSV (endlich) bewusst geworden ist, wie wichtig es ist, zu seinen Mitarbeitern zu stehen. Vor allem aber zeigt das interessante, lesenswerte Interview in der aktuellen Stadionzeitung „HSVlive“ des HSV, dass Jatta die Loyalität seiner Mitmenschen, die seiner Kollegen, der HSV-Offiziellen und nicht zuletzt auch die Loyalität der Fans gut getan hat.

Jatta erzählt in dem Interview noch einmal, wie ihn die Flucht nach Deutschland  verändert hat und wie er die ersten Monate in dem völlig neuen Umfeld erlebt hat. Er spricht davon, wie wichtig Bezugspunkte wie Trainer Bruno Labbadia oder auch sein Berater in der Anfangszeit waren. Er berichtet auch von seinen ersten Gehversuchen bei den HSV-Profis im Winter, die ihn körperlich an seine Grenzen brachten und wie ihn sein Heimweh plagte. Insgesamt wird in dem Gespräch aber vor allem deutlich, dass Jatta nach anfänglichen Zweifeln schnell gelernt hat, an sich zu glauben. Und das tut er noch immer. Auch, weil die Menschen ihm in seiner schwersten Zeit eng zur Seite standen. Beim Bäcker, auf der Vorstandsetage, auf den Rängen – und vor allem in der Kabine. Aber lest selbst ein paar kurze Auszüge. Jatta über...

...  die Zeit, in der seine Identität öffentlich angezweifelt wurde: „Niemand kann sich vorstellen, wie ich mich in dieser Zeit gefühlt habe. Ich wurde öffentlich an den Pranger gestellt. Aber wofür? Was hatte ich verbrochen? Ich habe mich gefühlt, als wollte man mich wegsperren, mich ins Gefängnis stecken. Doch ich wusste die ganze Zeit, dass nicht alle Menschen in Deutschland so denken, sondern dass es lediglich eine Zeitung war. Zum Glück bekam ich in dieser Phase extrem viel Unterstützung von so vielen Menschen. Allen voran vom Trainer, der viel mit mir gesprochen hat. Und von Jonas Boldt, der mir nur einmal in die Augen schaute und ich wusste sofort, dass er bedingungslos hinter mir steht.“

 

... den Tag, an dem der erste üble Artikel über ihn erschien: „Ich erinnere mich, wie ich am Tag der ersten Zeitungsartikel in die Kabine kam und die Jungs mich fragten: „Baka, ist alles gut?“ Ich sagte: „Ja, alles gut.“ Aber natürlich war nicht alles gut. Es war schrecklich! Doch meine Mitspieler haben es gespürt, haben mich aufgebaut und zusätzlich diese unglaubliche Aktion gestartet. Aaron hat ein öffentliches, sehr emotionales Statement abgegeben und alle Spieler haben Fotos von mir gepostet und mir den Rücken gestärkt. Meine Mannschaft, der ganze Club und alle Fans haben mich in dieser Zeit aufgefangen. Ich weiß bis heute nicht, wie ich diesen Menschen jemals das zurückzahlen kann, was sie mir gegeben haben. Hamburg und der HSV waren in dieser Zeit für mich wie Vater und Mutter für ein Kind: Man hat mich nicht weggeschubst, sondern mich behütet und beschützt, man stand und steht an meiner Seite. So viele Menschen haben in diesen Tagen zu mir gehalten wie in einer richtigen Familie. Ich werde das niemals vergessen.“

... sein Tor im Hinspiel gegen Hannover 96: „Oh mein Gott, ja, das war ein unglaublicher Tag. Die Reaktionen der Fans, diese Unterstützung – das hat mich sprachlos gemacht. Ich habe mir die Szenen am Abend nach dem Spiel noch einige Male angeschaut und war jedes Mal wieder überwältigt. Ich kann das nicht beschreiben, wie sich diese Unterstützung meiner Mannschaft, des gesamten Vereins und aller Fans angefühlt hat. Und als der Ball nach meinem Schuss im Netz lag, war es wie eine Explosion. Ich bin nach diesem Tor direkt zu Dieter Hecking gelaufen. Er wusste, wie hart die Zeit zuvor für mich gewesen war und er hat so bedingungslos zu mir gestanden, deshalb war dieses Tor für ihn. Er ist für mich und uns als Mannschaft wie ein Vater. Und als dann noch alle Mitspieler und der Staff hinzukamen und auf uns gesprungen sind, war das ein unbeschreiblicher Moment für mich. Ich habe im Fußball noch nie gesehen, dass ein Tor so von einer Mannschaft und den Fans gefeiert wurde. Und diese Lautstärke – oh Mann, was für ein Gefühl! Die Spiele gegen Hannover und Karlsruhe waren sportlich gesehen definitiv die emotionalsten Tage meines Lebens.“

 

Bleibt nur zu hoffen, dass der Glücksfall Jatta derlei schöne, emotionale Tage noch häufiger erleben darf. Gern auch beim HSV! Vor allem aber bleibt zu hoffen, dass sich alle endlich bewusst darüber werden, wie schnell leichtfertige, nie zu beweisende Behauptungen Menschen in Situationen bringen kann, aus denen sie sich selbst nicht mehr befreien können. Im Fall Jatta gab es ein Happyend – aber  davon darf einfach nicht ausgegangen werden.

In diesem Sinne!

Scholle

P.S.: Das ganze Interview findet ihr übrigens bei HSVLive.

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