Marcus Scholz

3. Juli 2019

Er sieht nicht glücklich aus - und das, obwohl er sichtlich bemüht ist, sich nichts anmerken zu lassen. Mehr als ein Achselzucken hatte er nicht parat, als er von zwei jungen HSV-Fans beim Autogrammeschreiben gefragt wurde, ob er denn bleiben darf. „Ich bin glücklich hier. Aber: Im Fußball weiß man nie, ob es zu einem Wechsel kommt. Alles ist offen, für jeden Spieler“, hatte Kyriakos Papadopoulos heute den Kollegen der BILD in den Block diktiert. Aber um ihn geht es mir nicht. Dass auch der Grieche bei einem passenden Angebot abgegeben würde, ist ebenso sicher, wie unwahrscheinlich. Nein, mit geht es heute um Rick van Drongelen. Und irgendwie ordne ich die Personalie des Niederländers tatsächlich so ein: Er weiß nicht, ob er bleiben darf.

Oder genauer gesagt: Er weiß nicht, ob er hier noch so erwünscht ist, wie er es in der Vorsaison war. Da war er unter Hannes Wolf ebenso wie unter Christian Titz unumstrittener Stammspieler, wurde letztlich sogar zum Abwehrchef, zum Aggressive Leader. Und ob seiner kompromisslosen Art avancierte er schnell zum neuen Publikumsliebling. Auch deshalb spaltet van Drongelen die Foren nicht nur, sondern er ruft leise Proteste hervor. Die meisten HSV-Anhänger, so auch hier, wollen den Linksfuß im Team behalten. Und auch ich behaupte: So einen Typ braucht jede Mannschaft. Aber: Bei mir gibt es ein großes „Aber“.

Acht Millionen für van Drongelen sind mehr, als zu erwarten ist

Denn die kolportierten acht Millionen Euro, die für ihn gefordert werden, sind ein Wert, den ich van Drongelen nie zugerechnet hätte. Soll heißen: Wenn man diese Summe tatsächlich für ihn bekommen kann, muss man das aus kaufmännischer Sicht machen. Zumal es sportlich  meiner Meinung nach möglich sein sollte, den Niederländer zu ersetzen. Sein fehlendes Tempo, spielerische Defizite  und seine Anfälligkeit bei Kopfballduellen sind Themen, die er noch abstellen muss - die er aber nicht alle abstellen kann. Insbesondere das Tempo lässt sich maximal noch einmal ganz leicht nachjustieren. Dass van Drongelen all diese Schwächen mit seinem Kampfgeist und seiner Mentalität auf dem Platz auszugleichen schafft, spricht absolut für ihn. Aber - und das ist das große ABER -  eben auch dafür, dass er sportlich ersetzbar ist.

Ob Ewerton das ist bzw. sein wird - ich weiß es nicht. Der Brasilianer ist mit 30 Jahren zumindest nicht annähernd so perspektivisch einzuplanen wie der gerade erst 20 Jahre junge, entwicklungsfähige van Drongelen. Stattdessen ist Ewerton von seinen Fähigkeiten her eine Soforthilfe, auf die man setzen kann. Zumindest im gesunden Zustand. Den hat der ehemalige Nürnberger allerdings nicht. Seit vielen Wochen leidet der Innenverteidiger unter Leistenproblemen, wie der HSV mitteilte. Demnach soll er in den nächsten zwei, drei Wochen wieder ans Mannschaftstraining und die Mannschaft herangeführt werden. Ob das klappt - offen.

Ebenso offen ist, ob der HSV in der Innenverteidigung noch mal nachlegt. Das, so ist zu hören, soll passieren, wenn van Drongelen (oder Papadopoulos, womit niemand rechnet) noch geht. Dann sind Spieler wie Marvin Friedrich, der keine Chance auslässt, seinen Wunsch zu äußern, weiter für Union Berlin zu spielen, Kandidaten. Ein sehr guter Spieler für die Zweite Liga, wie ich finde. Das soll auch für Timo Letschert gelten, der nicht nur ein Landsmann von van Drongelen ist, sondern als Typ mindestens ebenso heißblütig auf dem Platz sein soll. Letscherts Temperament führte sogar mal dazu, dass er in der Halbzeit seine Kollegen und den Trainer so anpöbelte, dass er suspendiert wurde. Ergo: Ein Spielertyp, der entweder zum Publikumsliebling oder zum Rohrkrepierer wird.

Hat der HSV den Ersatz für van Drongelen schon gefunden?

Fakt ist für mich: Van Drongelen abzugeben und im Gegenzug auf Ersatz zu verzichten - das ginge schief. Auf verletzungsanfällige Spieler wie Ewerton, Papadopoulos und Gideon Jung (pausierte vormittags teilweise und heute Nachmittag komplett mit Knieproblemen) zu setzen, ist sehr gewagt. Dass man mit Jonas David noch einen veranlagten Youngster in der Hinterhand hat, ändert daran nichts.

 

Fazit: Acht Millionen Euro für van Drongelen sind viel mehr, als man erwarten darf. Ehrlich gesagt kann ich es mir auch weiterhin nicht vorstellen. Allerdings, sollte es doch so kommen, würde man Sportvorstand Jonas Boldt für diesen Deal sicher loben können. Aber nur finanziell. Denn den HSV bringen diese acht Millionen Euro auf dem Konto bei den angestrebten Saisonzielen nicht weiter. Im Gegenteil. Ohne direkten Ersatz gefährdet man die Ziele fahrlässig. Mit direktem Ersatz könnte man daraus einen „Big Deal“ machen.

Santos' Wechsel: St. Petersburg zahlt 12 Millionen an den HSV

Ein solcher soll der Wechsel von Douglas Santos sein - vor allem für den Brasilianer selbst. Denn der spielt künftig statt in der Zweiten Liga in der Champions League. Seit heute, so berichten es die Kollegen der BILD, ist der Wechsel zu Zenit St. Petersburg fix. 12 Millionen Euro plus etwaige Erfolgsprämien (ca. drei Millionen Euro) sollen fließen - und reinvestiert werden. In einen zentralen (defensiven) Mittelfeldspieler - und, wie passend: In einen Innenverteidiger. Insofern scheint der HSV sich erst positionell absichern zu wollen und dann van Drongelen verkaufen. Wie bei Santos, wo man zuerst Tim Leibold für die Linke Seite verpflichtete und jetzt Santos abgibt. Und mit Verkaufskandidaten wie Julian Pollersbeck (Daniel Heuer-Fernandes kam als Ersatz) und Gotoku Sakai (Gyamerah kam aus Bochum) hat Sportvorstand Jonas Boldt eben so gehandelt. Eine gute Idee, wie ich finde. Und vor allem: eine gute Reihenfolge.

In diesem Sinne, bis morgen. Im Training heute wurde vormittags viel mit Ball gearbeitet. Es standen taktische Spiele in Zonen auf dem Plan. Angriffspressing gegen Spieleröffnung, während am Nachmittag vorrangig gelaufen wurde.

4x1000-Meter-Läufe standen auf dem Programm, das morgen erst um 15.30 Uhr fortgesetzt wird. Bis dahin wünsche ich Euch allen einen schönen Rest-Mittwoch. Ich melde mich dann morgen früh um 7.30 Uhr wieder mit dem MorningCall bei Euch.

Bis dahin!

Scholle

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