Marcus Scholz

6. Dezember 2019

Allein die Gesichter der beiden Trainer bei der Pressekonferenz verrieten schon, was sich hier heute Abend im Volksparkstadion abgespielt hatte. Dieter Hecking war bedient, Gäste-Trainer Frank Schmidt auf der anderen Seite war hochzufrieden. „Wir müssen mehr zum Abschluss kommen, haben das viel zu wenig probiert“, so der HSV-Coach, „letztlich geht es darum, die wenigen Chancen zu nutzen, das Glück zu zwingen. Das haben wir nicht.“

Stimmt. 737 zu 236 Pässe, 77 Prozent Ballbesitz – das alles nützte nichts gegen die eigene Ideenlosigkeit. Der HSV verlor mit 0:1. „Wir haben extrem gut verteidigt und hatten gute Kontergelegenheiten“, so FCH-Trainer Schmidt zufrieden. Der Gästetrainer erwähnte, dass er einen Kommentar im Stadionheft („Heidenheim ist auswärts nicht gerade Angst einflößend“) noch zur Motivation seiner Mannschaft genutzt hatte und fügte hinzu: „Danke dafür! Wir brauchten den perfekten Tag. Ein unfassbares Spiel für uns heute.“

Jung verletzt sich beim Warmmachen - van Drongelen beginnt

Wobei, bevor ich ins Spiel einsteige, noch ein Wort zu Gideon Jung, der bei den HSV-Anhängern wirklich nicht wohl gelitten ist. Zumindest bei ziemlich vielen, mit denen ich heute gesprochen habe, nicht. Angesprochen auf den Ergebnistipp für das heutige Spiel gegen den 1. FC Heidenheim antworteten vor Spielbeginn viele: „Jung ist dabei? Dann nicht zu Null...“ Und als dann über die Leinwand die Nachricht verbreitet wurde, dass sich alles doch noch mal ändern würde brandete sogar kurz Jubel auf. Warum? Weil bekannt wurde, dass doch Rick van Drongelen beginnen würde. Gideon Jung hatte sich beim Warmmachen verletzt. Und so sehr ich mich auch für van Drongelen freute, da dieser so doch zu seinem 50. Spiel von Beginn an kam, so war das ganz sicher keine schöne Szene, wie ich finde. Ganz im Gegenteil.

Aber okay, zurück zum Spiel. Vor 42.190 Zuschauern hatte der HSV wie immer viel Ballbesitz. Nach 45 Minuten standen auf HSV-Seite 70 Prozent Ballbesitz und eine Zweikampfquote 51 Prozent  sowie 5:2 Torschüsse – aber im Ergebnis stand es eben nur 0:0. Weil Heidenheim wartete. Die Gäste lauerten auf Fehler und Konter. Angegriffen wurde erst hinter der Mittellinie – es sei denn, van Drongelen und Letschert waren am Ball. Dann wurde schon mal offensiv draufgeschoben. Ansonsten zogen sich die Gäste tatsächlich mit elf Mann in die eigene Hälfte zurück. Nicht schön, aber effektiv.

Heidenheim lauert und hat die erste Großchance - Pfosten rettet

Zumal es dann auch die Heidenheimer waren, die die erste Großchance hatten. Einen langen Ball kann Tim Leibold nur vor die Füße des auffälligen FCH-Angreifers Kleindienst abwehren, der sofort abzieht. Heuer Fernandes, der weit aufgerückt darauf spekuliert hatte, dass der lange Ball bis zu ihm durchrutscht, wäre machtlos gewesen, konnte sich aber beim rechten Pfosten bedanken, der dem HSV hier das 0:0 rettete.

Das Spiel veränderte sich nicht. Weiter der HSV am Ball, Heidenheim lauernd und hinten massiert. Dennoch kam der HSV, der das Spiel in der FCH-Hälfte mit ungenauen Pässen immer wieder zu langsam machte, zur ersten richtig guten Chance. Genauer genommen war es Martin Harnik, der in der 20. Minute aus sieben Metern an den Ball kam, direkt abzog – sich aber selbst gegen das eigene Standbein schoss (20.).

Es blieb aber für lange Zeit die einzige Chance. Genau genommen 21 weiterhin ziemlich uninspirierte Minuten bis zur 41. Minute, als der HSV einen Angriff endlich einmal konsequent und schnell bis vor das gegnerische Tor vortrug. Jatta war es, der den Angriff mit seinem Ballbesitz in der eigenen Hälfte eingeleitet hatte und der auch als letzter HSVer frei im 16er des FCH an den Ball kam. Aber anstatt den Abschluss zu suchen, suchte er den Mitspieler – und fand ihn mit seinem Querpass nicht (41.). Da war deutlich mehr drin.

Jatta vergibt Riesenchance vor der Pause - HSV wirkt gehemmt

So aber blieb es beim 0:0 zur Halbzeit. Weil Heidenheim es defensiv sehr gut machte und immer wieder andeutete, beim kleinsten Fehler des HSV da zu sein. Und: Dass es hier schwer bis unmöglich würde, einen Rückstand zu drehen war klar. Und diese Vorsicht hemmte das HSV-Spiel erkennbar. Der HSV wirkte über die gesamten 90 Minuten gehemmt, mutlos – und vor allem erneut ohne entscheidende Ideen.

Vor allem im Zentrum tat sich der HSV heute schwer. Adrian Fein stoppte viel, wirkte zögerlich und machte, was viele immer wieder seinem Nebenmann, Aaron Hunt, anlasten: Er verschleppte das Tempo. Und so verwunderte es auch nicht, dass es immer dann gefährlicher wurde, wenn der HSV ins Tempo kam.

Vor allem über Bakery Jatta – oder mal mit einem langen Ball in den Sechzehner, wie in der 52. Minute, als Fein auf Dudziak spielte und der den Ball zurücklegen konnte auf Kittel. Dessen abgefälschten Schuss konnte FCH-Keeper Kevin Müller gerade noch mit einem starken Reflex zur Ecke abwehren. Ergo: Der HSV wollte, das konnte man ihm nicht vorwerfen bis hierhin. Aber es fehlte der Zug zum Tor.

Es mangelt an Tempo und Zielstrebigkeit - Heidenheim trifft

Selbst das Passspiel war mir heute viel zu ungenau und vor allem auch zu drucklos. Hier verspielte der HSV immer wieder mögliche Vorteile, weil man den Ball nicht in den Lauf, sondern in den Fuß spielte und das Spiel so langsam machte. Klingt nichtig, macht aber eine ganze Menge aus. Um noch mehr Druck zu erzeugen, wechselte Hecking in der 73. Lukas Hinterseer ein – ohne Erfolg.

 

 

Statt in Führung zu gehen, geriet der HSV plötzlich in Rückstand. Kerschbaumer zog aus 17 Metern ab, traf die Latte und den Abpraller köpfte Kleindienst quasi von der Torauslinie an dem passiven van Drongelen und Heuer Fernandes vorbei in die Mitte, wo Föhrenbach den Ball nur noch ins leere Tor zu schieben brauchte (82.).

Zwei Wechsel (Fein und Narey raus, Jairo und Kinsombi rein) sowie zwei gut parierte  Schüsse von Harnik und Jatta und ein Kopfball von Hinterseer später war dann Schluss. Mit 0:1 ging der Matchplan der Hoffenheimer zu 100 Prozent auf, während der HSV neben einem Heimsieg-Rekord es vor allem verpasste, das 2:2-Remis der Bielefelder zuhause gegen Karlsruhe zum Aufholen in der Tabelle zu nutzen. Vielmehr drohen jetzt die Stuttgarter punktglich zu ziehen, während die Heidenheimer nach diesem Sieg nur noch drei Punkte hinter dem HSV rangieren, der jetzt noch zweimal auswärts ran muss. Schwere Tage für den HSV.

In diesem Sinne, bis morgen. Da melden wir uns mit Tobias Eschers Taktikanalyse, die uns noch einmal verdeutlichen wird, woran es heute lag. Zudem werden wir erneut mit Hecking sprechen.Bis dahin Euch allen trotzdem einen schönen Abend!

Scholle

Das Spiel im Stenogramm:

HSV: Heuer Fernandes - Narey (86. Samperio), van Drongelen, Letschert, Leibold - Fein (86. Kinsombi), Dudziak, Hunt (73. Hinterseer) - Jatta, Harnik, Kittel

1. FC Heidenheim: Müller - Theuerkauf, Hüsing, Mainka, Busch - Dorsch - Kerschbaumer, Griesbeck (34. Föhrenbach), Schnatterer (68. Otto) - Kleindienst, Leipertz (90. Beermann)

Tore: 0:1 Föhrenbach (83.)

Zuschauer: 42.190

Schiedsrichter: Dr. Felix Brych (München)

 

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