Tobias Escher

3. Dezember 2018

 

Die Hinrunde der Zweiten Bundesliga neigt sich dem Ende entgegen. Gegen fast alle Zweitligisten durfte der HSV bereits einmal antreten. Die taktische Bandbreite der Gegner entpuppte sich als überschaubar: zwei Viererketten, kompakte Verteidigung, schnelle Konter – fertig ist die Zweitliga-Taktik. Beim 2:1-Erfolg in Ingolstadt bewies der HSV, dass er mittlerweile mit dieser Taktik umzugehen weiß.

Mit dem FC Ingolstadt wartete auf den Hamburger SV am 15. Spieltag eine echte Wundertüte. Bereits vor dem Spiel war klar, dass es das erste und zugleich letzte Spiel unter Ägide von Interimstrainer Daniel Pätzold sein sollte. Jens Keller übernahm nach dem Spiel die Amtsgeschäfte. Pätzold wollte aber noch eine Duftmarke setzen: mit einem Sieg gegen den HSV.

Ingolstadt mit typischer Anti-HSV-Taktik

Trotz der ungewissen Ausgangslage hielt sich der Überraschungseffekt in Grenzen. Ingolstadt wählte eine taktische Herangehensweise, auf die der HSV bereits so häufig in dieser Saison getroffen ist. Aus einem 4-4-2-System heraus versuchten die Schanzer, Ballgewinne im Mittelfeld zu provozieren und schnell zu kontern.

Pätzold war in der Wahl seiner Taktik ein Stück konsequenter als viele HSV-Konkurrenten. Auf spielerische Akzente verzichtete Ingolstadt völlig. Der erste Ball sollte bereits zu Angreifer Stefan Kutschke gespielt werden. Dieser sollte den Ball wiederum weiterleiten auf seinen quirligen Sturmkollegen Fatih Kaya. Der 19jährige Nachwuchsspieler sollte mit Tempo hinter die Hamburger Abwehr starten.

Auch im Spiel gegen den Ball wählte Ingolstadt einen direkten Ansatz. Immer wieder stießen einzelne Spieler aus der Formation, um Hamburgs Verteidiger zu attackieren. Ingolstadt zog sich nicht zurück, sondern ging früh drauf. Besonders Almog Cohen rückte dazu aus dem Mittelfeld nach vorne, aus dem 4-4-2-System imitierte Ingolstadt ein 4-3-3 oder ein 4-1-3-2-Pressing.

Taktische Aufstellung Ingolstadt - HSV

 

HSV lässt Ball und Gegner laufen

Der HSV ließ sich vom konsequent herausrückenden Gegner nicht irritieren. Ihnen gelang es ein ums andere Mal, das Ingolstädter Pressing zu umspielen. Orel Mangala zeigte sich vor der Abwehrkette beweglich und wich immer wieder auf die Flügel aus.

Wurde der Druck der Ingolstädter doch einmal zu hoch, griffen die Hamburger auf lange Bälle zurück. Dieses taktische Mittel, in dieser Saison bisher beim HSV recht ineffektiv, funktionierte überraschend gut: Durch die hohe Rolle von Cohen entstand vor Ingolstadts Abwehr viel Raum. Holtby und Hunt positionierten sich hier clever, sie eroberten zahlreiche zweite Bälle.

Doch in der ersten Halbzeit tat sich der HSV lange Zeit schwer mit der Ingolstädter Abwehr. Ingolstadt sprintete schnell hinter den Ball. Sobald der HSV in der gegnerischen Hälfte den Ball hatte, formierte sich Ingolstadt in einem äußerst kompakten 6-2-2 am eigenen Strafraum. Ingolstadts Außenstürmer fielen dazu auf Höhe der Viererkette.

Wie schwer es ist, einen am eigenen Strafraum verharrenden Gegner zu knacken, musste schon die deutsche Nationalmannschaft im Sommer erkennen. Auch der Hamburger SV tat sich schwer hiermit. Die Offensive wirkt in solchen Situationen schnell statisch. Allerdings ist es in der Praxis schwer, gegen einen derart tiefen Gegner Lücken zu reißen; es gibt keine Räume, in die man sprinten könnte, um Tempo oder Dynamik zu erzeugen. Positionswechsel oder überraschende Verlagerungen zeigte der HSV in dieser Phase allerdings zu selten.

Dem HSV gelang es zumindest, den Ball gut hinter der gegnerischen Abwehr laufen zu lassen und somit keine Ballverluste zu provozieren. Verlor der HSV doch einmal den Ball, griff das eigene Gegenpressing. In dieser Disziplin haben sich die Hamburger unter Hannes Wolf enorm weiterentwickelt. Dadurch dass die Außenverteidiger weit einrücken, hat der HSV nach Ballverlusten eine hohe Präsenz im Zentrum. Er kann sofort Druck aufbauen. So kam Ingolstadt nie zu gefährlichen Kontergelegenheiten.

Nach der Pause: Chaos

Nachdem Hunt per Freistoß die 1:0-Pausenführung besorgte (28.), verlor Ingolstadt in Halbzeit zwei jegliche Hemmungen. Fortan jagten sie jeden Ball ausschließlich hoch und weit nach vorne. Spielkontrolle? Geordneter Spielaufbau? Fehlanzeige! Leider war Ingolstadts defensiver Ansatz nicht weniger hemmungslos: In jeden Zweikampf warfen sie sich wie die Berserker, grätschten, rangen ihre Hamburger Gegner zu Boden. Was an individueller Klasse fehlte, wollten sie mit Einsatz wettmachen.

Leider ließ sich der HSV von dieser enorm vertikalen Ausrichtung anstecken. Kurz nach der Pause ging dies noch gut, als der HSV nach der Eroberung eines zweiten Balls auf 2:0 erhöhte (51.). Danach allerdings rieben sie sich mit ihren langen Bällen an den hart geführten Zweikämpfen der Ingolstädter auf. Aus dem Spiel heraus hatte man Ingolstadts lange Bälle im Griff. Leider fehlte dem HSV in dieser Phase defensiv die Cleverness, Fouls zu vermeiden. Nach einem Freistoß kam Ingolstadt noch einmal heran (54.).

Mit einem taktischen Wechsel gelang es Wolf, das Geschehen auf dem Rasen zu beruhigen. Er brachte Vasilije Janjicic für den bereits verwarnten Lewis Holtby (68.). Janjicic übernahm nicht Holtbys Rolle als Achter, sondern gliederte sich neben Mangala auf der Sechs ein. Der HSV verteidigte fortan mit einer Doppelsechs aus einem 4-2-3-1-System. Der Vorteil: mehr Präsenz vor der eigenen Abwehr im Kampf auf zweite Bälle. Das war nicht ganz unwichtig gegen eine Mannschaft, die nur noch hoch und weit bolzte.

Fazit und Ausblick

Am Ende sprang für den HSV ein recht ungefährdeter 2:1-Sieg heraus. Dem HSV gelingt es mittlerweile, Gegner mit einem 4-4-2-System oder einem 4-2-3-1-System mit einem ruhigen Ballbesitzspiel zu dominieren. Das starke Gegenpressing sowie kluge Wechsel von Wolf tragen dazu bei, dass der HSV punktet und punktet.

Am kommenden Freitag wartet auf den Hamburger SV hingegen eine echte taktische Herausforderung. Der SC Paderborn gehört zu den wenigen Teams, die taktisch aus der Liga herausragen. Trainer Steffen Baumgart lässt aus einem Rauten-System heraus ein enorm aggressives Pressing spielen. Der Aufsteiger jagt, hetzt, bekämpft den Gegner schon weit in dessen Hälfte. Nach Ballgewinnen geht es schnell nach vorne, wobei Paderborn – anders als Ingolstadt und Konsorten – durchaus die spielerische Lösung sucht.

Das Spiel gegen Paderborn dürfte ein echter Härtetest werden für Hamburgs Spielaufbau. In dieser Saison waren Hamburgs Verteidiger nur selten angegangen worden. Gegen Paderborn müssen sie zeigen, wie sie mit echtem Druck zurechtkommen

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