Marcus Scholz

22. Januar 2018

Um 12.43 Uhr betrat Bernd Hollerbach seine alte, neue Heimat Volksparkstadion, knapp eine Stunde später verkündete der HSV dann via soziale Netzwerke das, was alle bereits erwartet haben: Bernd Hollerbach ist der Nachfolger von dem am Sonntag geschassten Markus Gisdol als Cheftrainer des HSV. Der ehemalige Abwehrspieler des HSV unterschrieb heute seinen auch im Falle eines Abstieges weiterhin gültigen Vertrag bis Juni 2019 und leitete zwischen 14.53 Uhr und 16.38 Uhr seine erste Trainingseinheit mit der neuen Mannschaft. Wer dabei allerdings hartes Konditionsbolzen und Liegestütze bis zum Abwinken erwartet hatte, der wurde enttäuscht. Denn Hollerbach nutzte die Zeit, um Spielformen zu trainieren. Zwar mit Trillerpfeife in der Hand – mehr erinnerte dann aber auch nicht an das ihm vorauseilenden Image als Schleifer. Dass er ein solcher ist, wollte Hollerbach heute auch nicht bestätigen. Im Gegenteil: Hollerbach betonte, dass er der Mannschaft wieder Spaß am Fußball einhauchen wolle.

„Zuerst einmal Hallo an alle“, hauchte der einst gefürchtet harte Abwehrmann um 17.20 Uhr zart in das Mikrofon des Presseraumes, ehe er in gewohnt selbstbewusster Art die Fragen der Journalisten beantwortete. Flankiert von Vorstandsboss Heribert Bruchhagen und Sportchef Jens Todt sprach er von einem sehr guten ersten Eindruck, den er von der Mannschaft bekommen habe. Und natürlich darüber, was er jetzt als nächstes vorhabe: „Ich muss die Mannschaft mehr kennenlernen, viele Einzelgespräche führen und sehen, wie sie sich in der Kabine gibt. Insgesamt liegt ein Augenmerk auf Gespräche, klar. Ich muss schauen, dass wir eine Einheit werden die am Wochenende rausgeht und die drei Punkte holt.“

Hollerbach wirkte, als sei ihm bewusst, welch schwere Aufgabe da auf ihn zukommt. Und er vermied es, die üblichen Floskeln von der tollen Stadt, der Tradition und dem Glanz des großen HSV zu bemühen. Stattdessen bemühte sich der gelernte Metzger um Realismus: „Es war nicht schön die letzten Jahre. Das muss ich ganz klar sagen. Nichtsdestotrotz ist es halt hier schon was Besonderes, wie die Fans die Mannschaft trotzdem immer unterstützt haben, obwohl es nicht so gut lief. Aber von außen beurteilen ist immer oberflächlich und was vorher war. Was mal war, ist für mich jetzt ad acta. Ich muss gucken, dass wir jetzt nach vorn schauen. Ich bin ein Mensch, der immer mehr an Chance glaubt denn ans Scheitern.“

Auf dem Trainingsplatz wirkte Hollerbach ruhig. Er ließ seinen beiden Cotrainern Steffen Rau und Matthias Kreutzer sowie Athletik-Coach Daniel Müßig den Freiraum, den Spielern die bevorstehenden Übungen zu erklären und beobachtete alle und alles. Und er sprach viel mit der Mannschaft. Gefühlt im Zehn-Minuten-Takt holte Hollerbach die Mannschaft zusammen und hielt seine Ansprachen, was er sehen wolle. Und wenn er das sah, dann sparte er nicht mit Komplimenten. „So sieht das gut aus“ und „das ist Fußball“ waren zu hören, während jeder einzelne in der Mannschaft versuchte, sich beim neuen Trainer zu empfehlen. Hollerbach: „Ich habe es der Mannschaft gesagt, dass jetzt alles wieder offen ist, dass es wieder bei allen von vorn losgeht und ich mir einen Überblick verschaffe. Und das werde ich natürlich auch im Tor machen und dann werden wir zum Wochenende hin eine Entscheidung treffen.“

Der Konkurrenzkampf ist neu entfacht.

Und das ist gut so. Zumal Hollerbach nicht dem Verdacht ausgesetzt ist, Spieler ob ihres Namens und Alters zu bevorzugen. Im Gegenteil: Hollerbach ist ein Teamplayer und in Sachen Einsatz immer vorbildlich vorangegangen. Auch deshalb wird die Mannschaft am Dienstag schon um 8.30 Uhr zum Frühstück am Platz erscheinen, dann um zehn Uhr trainieren, zusammen Mittag essen, auf dem Stadiongelände ausruhen und am Nachmittag erneut trainieren. Zusammenhalt ist das Stichwort, das Bernd Hollerbach heute wie früher gleichermaßen voranstellt. Weil er damit bei seiner letzten Station als Trainer der Kickers Würzburg beste Erfahrungen gemacht hat, wie er zu berichten weiß: „Wir waren ein schlechter Regionalligist und haben es mit viel Fleiß und Zusammenhalt innerhalb von zwei Jahren geschafft, es zu wuppen. In der zweiten Liga hätte ich mir natürlich auch einen Gönner wie Herrn Kühne gewünscht, damit man den nächsten Schritt machen kann. Weil das schon eine ganz andere Nummer war als in der Regionalliga. Aber mir ging es immer um die Art und Weise, wie eine Mannschaft auftritt. Wir haben 34 Punkte geholt mit dem kleinsten Budget und ohne Trainingsgelände. Das war schon besonders, was wir da geschaffen haben. Und wenn wir hier so zusammenhalten, dann werden wir hier auch wieder Erfolge feiern.“

„Bringe sie wieder zum Laufen“, „mache ihnen Beine“ und sonstige Aufforderungen waren zu hören, als Hollerbach heute unter dem zarten Applaus der knapp 250 Zuschauer den Trainingsplatz betrat. Hollerbach selbst quittierte es mit einem netten Lächeln, obgleich es ihn stört, dass man ihn mit seinem fußballerischen Ziehvater Felix Magath gleichsetzt, der gemeinhin als Schleifer gilt. „Ich habe mit Felix eine sehr, sehr vertrauensvolle und erfolgreiche Zeit zusammen gehabt und habe sehr viel von ihm gelernt. Aber es ist auch so, dass jeder Trainer seine eigene Persönlichkeit hat und man der Mannschaft gegenüber authentisch sein muss. Ich hatte viele gute Trainer und habe mir immer versucht, das Gute abzuschauen.“ Und davon gab es bei Erfolgstrainer Felix Magath eine ganze Menge.

Dennoch, so positiv Hollerbach heute die Mannschaft und seine Aufgabe auch darstellte, klar ist weiterhin, dass diese Mannschaft Verstärkungen braucht. Zusammen mit Sportchef Jens Todt wird sich Hollerbach in den nächsten Tagen beraten und dann sehen, was diese Mannschaft braucht. Und innerlich habe ich die große Hoffnung, dass die Personalie Hollerbach bei Gönner Klaus Michael Kühne für neue Zuversicht sorgt und ihn noch einmal dazu veranlasst, dem HSV finanziell zu helfen. Denn das braucht der HSV, nachdem bislang kein Spieler verkauft werden konnte. Einzig die Personalie Walace (Todt: „Flamengo hat weiterhin großes Interesse, ihn zu holen. Wir haben großes Interesse, ihn zu behalten“) könnte aktuell noch ein paar Euro in die leere Kasse spülen.

Dennoch, als Vertrauter und Empfohlener von Felix Magath hat auch Hollerbach bei Kühne einen guten Stand – und das könnte helfen, die notwendigen Transfers doch noch umzusetzen. Einen schnellen Innenverteidiger, einen starken Sechser, einen kreativen und torgefährlichen Mittelefeldspieler und einen Knipser – die Liste der augenscheinlichen Bedürfnisse ist lang. Und sie wird sicher nicht in Gänze abzuarbeiten sein. Allerdings betonten die Beteiligten zuletzt, einen kreativen Mittelfeldspieler und einen Offensivmann nicht nur zu suchen, sondern den Markt dahingehend schon zu sondieren. Insofern habe ich die Hoffnung heute noch nicht aufgegeben, dass bis zum Spiel in Leipzig am Sonnabend noch etwas passiert – wenn denn Kühne noch mal hilft.

„Ich habe hart dafür gearbeitet und bin stolz, jetzt hier wieder zurück zu sein.“ (Bernd Hollerbach)

Und darauf darf bzw. muss auch Jens Todt hoffen, dem bislang nicht die finanziellen Mittel zur Verfügung standen, um auf dem Transfermarkt aktiv zu werden. Sollte der HSV wider alle Warnungen der Beteiligten und Außenstehenden mit dem aktuellen Kader in den Rest der Rückrunde gehen und scheitern, würde es nach dem Trainerwechsel zu einem maßgeblichen Anteil an ihm festgemacht werden. Wie viel Anteil seine Arbeit an dem bisherigen Negativlauf des HSV hat, wurde Todt gefragt: „Es sind einige Fehler passiert, das ist überhaupt keine Frage. Da sind wir selbstkritisch und hinterfragen uns immer, was war richtig, was war falsch“, so Todt etwas ausweichend, ehe er andeutete, dass man auch Zwängen unterliegt. Man hätte sich auch immer gefragt, „welche Möglichkeiten hatten wir, was hätten wir besser machen können. Wie waren die Mittel, die wir zur Verfügung hatten und wie haben wir sie genutzt.“

Und mit etwas Glück öffnet Hollerbach dem HSV nicht nur sportlich einige Türen bei Spielern, die festgefahren schienen, sondern auch die Tür zu Klaus Michale Kühne neu. Denn, und daraus macht beim HSV schon lange niemand mehr ein Geheimnis, ohne den Gönner und Investor geht momentan finanziell nichts in dieser Transferphase.

In diesem Sinne, der erste Tag unter Hollerbach versprühte trotz des nasskalten, ungemütlichen Wetters ein wenig Hoffnung. Nicht nur auf Neuzugänge dank eines wieder gesprächsbereiteren Klaus Michael Kühne, sondern auch die Hoffnung darauf, dass der neue Trainer bei den Spielern die eine oder andere Blockade löst, dass er neue Qualitäten erkennt und nutzt.

In diesem Sinne, bis morgen. Da wird zweimal trainiert. Das erste Mal um zehn Uhr, und dann noch einmal nachmittags, was aktuell noch nicht fest terminiert ist.

 

Scholle

P.S.: Auch wenn ich am Sonntag beim Dopplepass so bezeichnet wurde, ich bin kein Abendblatt-Mitarbeiter mehr. Leider wurde da offenbar eine alte "Bauchbinde", so nennt man die unterlegten Betitelungen, verwendet.

 

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