Tobias Escher

9. Dezember 2018

 

Die taktische Weiterentwicklung unter Hannes Wolf schreitet fort. Im Spiel gegen den SC Paderborn drehte sich alles um Geschwindigkeit. Das funktionierte noch nicht über 90 Minuten. Aber es genügte für einen recht ungefährdeten 1:0-Sieg. Überzeugen konnten ein stürmender Verteidiger sowie ein Außenstürmer, der Richtung Tor zog.

Tempo, Tempo, Tempo: So lautete in dieser Saison das Markenzeichen des SC Paderborn. Wenn sie den Ball haben, geht es bedingungslos nach vorne. Nicht umsonst waren sie vor dem Aufeinandertreffen mit dem Hamburger SV die Mannschaft mit den zweitmeisten Toren (nach Köln), aber auch mit den zweitmeisten Gegentreffern (vor Ingolstadt).

Der Hamburger SV versuchte gar nicht erst, das Tempo des Gegners zu drosseln. Im Gegenteil: Hannes Wolf wollte seinen Gegenüber Steffen Baumgart mit dessen eigenen Waffen schlagen. Hohes Pressing, schnelles Spiel in die Spitze: So lautete Wolfs Strategie im Spiel gegen Paderborn. Der Gegner schien über weite Strecken der Partie überrumpelt.

Taktische Aufstellung HSV - Paderborn

 

Leicht verändertes System

Von Beginn weg spielte der HSV mutig nach vorne. Wolf hatte sein System leicht umgestellt: Aaron Hunt rückte neben Stürmer Hee-Chan Hwang, nur vereinzelt ließ er sich bei Ballbesitz etwas tiefer fallen. Der HSV konterte Paderborns 4-4-2-System ebenfalls mit einem 4-4-2.

Interessanter als diese Zahlenkombination war die Tatsache, wie vertikal das Spiel der Hamburger angelegt war. Normalerweise gehört der HSV zu den Teams der Liga mit dem höchsten Ballbesitzwert. Querpässe suchte man an diesem Abend allerdings vergeben. Der erste Pass wurde sofort zwischen die gegnerischen Linien gespielt. Immer wieder stahlen sich Lewis Holtby und Hunt hier frei. Sie versuchten direkt, den Ball hinter die gegnerische Abwehr weiterzuleiten.

Der HSV bespielte dabei konsequent die Lücken im gegnerischen Abwehrverbund. Paderborn verteidigt gerade im Mittelfeld aggressiv gegen den Mann. Immer wieder stießen die Sechser vor, um Orel Mangala und Holtby unter Druck zu setzen. Sie spielten den Ball sofort weiter, ehe ihr Gegenspieler in den Zweikampf gelangen konnte. Sofort starteten sie nach vorne durch, um sich für einen Doppelpass anzubieten. Eine simple, aber effektive Vorgehensweise. Gerade wenn sich die Außenverteidiger Douglas Santos und Gotoku Sakai in die Offensive einschalteten, zeigten die Hamburger gefällige Spielzüge.

Veredelt wurden diese schnellen Angriffe von den Außenstürmern. Sie agierten nach einem Prinzip, was man in Taktikfuchs-Kreisen als „minimale Breite“ bezeichnet. Sie klebten also nicht an der Seitenlinie, sondern rückten etwas ins Zentrum ein. Der Abstand zu den gegnerischen Außenverteidigern blieb aber stets so groß, dass diese nicht in den Zweikampf kommen konnten. Die Außenstürmer standen also in der Lücke zwischen Auslinie und gegnerischem Außenverteidiger. Sobald sie den Ball bekamen, starteten sie sofort Richtung Tor und suchten den Abschluss. Gerade Khaled Narey hatte dieses Prinzip verinnerlicht, war er doch in der Anfangsphase an mehreren Chancen beteiligt. Auch den Führungstreffer erzielte er (11.).

Im Spiel gegen den Ball hielt der Hamburger SV das Tempo ebenfalls hoch. Hunt und Hwang liefen in vorderster Front an, das Mittelfeld rückte aggressiv nach. Ein Fleiß-Sternchen gibt es für die Abwehr, die konsequent nachrückte und den Gegner im Zweifel ins Abseits stellte. Somit taten sich nie Räume hinter der Mittelfeld-Linie auf. Paderborn war gerade in der Anfangsphase mit dem hohen Pressing überfordert. Sie selbst agierten im Spiel gegen den Ball allerdings ähnlich konsequent, sodass auch der HSV einige Ballverluste erleiden musste. Paderborn konnte daraus jedoch kein Kapital schlagen.

Hamburg drosselt das Tempo

Eine halbe Stunde lang behielten beide Teams das aggressive Pressing bei. Danach drosselten die Spieler das Tempo etwas. Das erlaubte es dem HSV, die Kontrolle über den Ballbesitz zu übernehmen. Santos und Sakai rückten wie in den vergangenen Spielen bei Ballbesitz etwas ein. Der HSV konnte somit im Zentrum Ball und Gegner laufen lassen.

Nach der Pause veränderte sich die Dynamik der Partie. Es waren nun die Hamburger, die sich zurückzogen und dem Gegner den Ball überließen. Der HSV presste zwar noch immer vereinzelt in der gegnerischen Hälfte. Immer öfter suchten sie den Zugriff im 4-4-2 aber erst in der eigenen Hälfte. Der HSV wiederum spielte jetzt klassischen Konterfußball: Ball im Mittelfeld gewinnen, sofort den Stürmer auf die Reise schicken. Nach der Pause fiel der Ballbesitzwert der Gastgeber auf 38% (vor der Pause: 58%). Da Paderborn durch die hohe Grundstellung ihrer Außenverteidiger konteranfällig war, hatten die Hamburger auch nach der Pause die besseren Möglichkeiten. Doch das Tor trafen Hwang, Narey und Jatta nicht.

In der Schlussphase trat noch einmal hervor, welche Qualitäten Hwang der Mannschaft hinzufügt. Die Torausbeute (zwei Tore in zwölf Spielen) spricht nicht für den Südkoreaner. Allerdings überzeugt er im Spiel gegen den Ball. Er hat ein feines Gespür dafür, wie er den Gegner anlaufen muss, damit dieser keinen gefährlichen Pass ins Mittelfeld spielen kann. Nach seiner Auswechslung in der 67. Minute fehlte dem HSV diese Fähigkeit etwas. Paderborns Doppelsechs konnte das Spiel nun an sich reißen. Sie spielten aus der eigenen Hälfte Flugbälle auf die Flüge. Somit verlagerte sich das Spiel in der Schlussphase in die Hamburger Hälfte; es wurde noch einmal unnötig spannend. Doch Paderborn konnte diesen Vorteil nicht nutzen. Es blieb beim 1:0.

Fazit und Ausblick

Scholle hat es gestern schön formuliert: „Ehrlich gesagt gibt es nichts Schöneres als Spiele, die du gewinnst und die dir trotzdem deutlich aufzeigen, woran man noch alles arbeiten muss.“ Der HSV überzeugte in der ersten Halbzeit im Spiel gegen den Ball und setzte den Gegner stark unter Druck. Nach der Pause ließ er jedoch Konsequenz und beizeiten auch Aggressivität vermissen. Dennoch: Der Sieg ist eine weitere Bestätigung für die taktische Weiterentwicklung unter Wolf. Der HSV beherrscht nun auch ein aggressives Pressing aus einem 4-4-2-System.

Ob dies auch die Herangehensweise sein wird gegen den MSV Duisburg? MSV-Trainer Thorsten Lieberknecht setzt auf ein ebenso aggressives wie variables Pressing. 4-1-4-1, 4-1-3-2, 4-4-2 – alles Varianten, die Duisburg bereits eingesetzt hat. Lieberknecht stabilisierte damit nach dem schwachen Saisonstart die MSV-Defensive. Zwischenzeitlich blieben sie 416 Minuten ohne Gegentreffer. Allerdings kassierten die Duisburger in den vergangenen zwei Partien jeweils vier Gegentore, vor allem aufgrund von Aussetzern der Abwehrkette. Dennoch: Auch gegen den HSV dürfte Lieberknecht auf ein hohes Pressing setzen gepaart mit schnellen Kontern.

Es wartet also eine altbekannte Aufgabe auf den HSV. Sie müssen als Favorit einen defensiv stabilen Außenseiter knacken. Sollte ihnen das gelingen, winkt die Hinrunden-Meisterschaft.

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