Marcus Scholz

10. Februar 2020

Er sagt selten bis nie etwas, was er sich nicht vorher gut überlegt hat. Dafür hat Dieter Hecking in den nunmehr knapp 20 Jahren als Trainer einfach zu viel Erfahrungswerte sammeln können. Sowohl, was seine Mannschaft betrifft als auch die öffentliche Wahrnehmung. „Jetzt beginnt die Phase, wo ich jeden brauche. In Hannover kann es Samstag zum ersten Mal Veränderungen geben. Martin schart mit den Hufen. Vielleicht ist das in Hannover ein Spiel für ihn. Ich will die ganze Qualität des Kaders nutzen…“, sagte der Trainer am Sonnabend unmittelbar nach der Pressekonferenz in einer separaten Runde mit uns Hamburger Journalisten - und das in dem fast sicheren Wissen, dass sich eine personelle Änderung schon von allein ergeben würde: Adrian Fein war zu diesem Zeitpunkt bereits auf dem Weg ins Krankenhaus und die Wahrscheinlichkeit, dass der Mittelfeldmann ausfällt war eher schon sehr hoch. Diesen Wink hatten ihm die Mannschaftsärzte nach Spielschluss bereits gegeben. Dass Hecking die Gelegenheit nutzte, um auch im restlichen Kader noch einmal den Konkurrenzkampf anzuheizen - taktisch clever.

Denn tatsächlich bietet die Mannschaft derzeit keinen Anlass, etwas zu verändern. Defensiv hat man das erste Mal seit elf Spielen in Folge wieder zu Null gespielt. Für Hecking Grund genug, ein Sonderlob auszusprechen: „Wie wir das aktuell wegverteidigen, das ist die Basis. Das darf aber auch nicht weniger werden.“ Er habe im Spiel gegen Karlsruhe einige Szenen gesehen, die exemplarisch dafür sind, dass die Mannschaft verinnerlicht, was das Trainerteam defensiv von ihr verlangt. Und offensiv? Da hat man in drei Partien neun Tore erzielt. Und vier Treffer davon gehen sogar auf das Konto der Mittelstürmer. Rechnet man noch die Nebenleute von Lukas Hinterseer und Joel Pohjanpalo  dazu - dann sind es mit Kittels (2) und Jattas Tor sogar sieben von neun Treffern. Ergo: Auch hier gibt es kaum is keinen Grund zu wechseln.

Heckings Wechselansage überrascht nicht

Warum also sagt Hecking so etwas? Ganz einfach: Er will die Motivation bei seinen Reservisten hoch halten. Er weiß nur zu gut, dass er niemals die letzten Spiele mit derselben Startelf durchkommen wird. Er macht nicht den Fehler, den hier im Blog viele zu machen scheinen. Denn abschreiben darf man nie einen seiner Spieler. Im Gegenteil: Gerade in den Phasen, wo es gut läuft, zeigt sich der Unterschied zwischen einem guten und einem nicht so guten Trainer. Und Hecking weiß, wie es funktioniert.

Martin Harnik gerade jetzt ins Spiel zu bringen - zumal vor dem Duell bei seinem Exklub - ist clever. Denn zum einen ist Pohjanpalo durchs einen Treffer gegen Bochum gefühlt der Nächste nach Lukas Hinterseer, der mit drei Treffern in dir Partien derzeit gesetzt ist. Ergo: Sicherheit zu spielen (Hinterseer) trifft auf berechtigte Hoffnung (Pohjanpalo) und die Andeutung des Trainers (Harnik) - alle drei Stürmer haben also unter der Trainingswoche allen Grund, alles zu geben.

Wie schnell es gehen kann, beweist gerade Adrian Fein. Der Defensive Mittelfeldspieler war gerade wieder in Schwung gekommen, absolvierte drei gute Partien - bis zu einem unglücklichen Zusammenprall in der 35. Minute mit Karlsruhes Marvin Wanitzek, bei dem sich Fein einen Jochbeinbruch zuzog. Fein wurde bereits am Sonntag operiert und wird mindestens die nächsten zwei Partien (bei Hannover 96 und gegen den FC St. Pauli) ausfallen. Sollte der Heilungsverlauf planmäßig sein, könnte Fein beim Auswärtsspiel gegen Erzgebirge Aue (29.02., 13 Uhr) mit einer Spezialmaske auflaufen.

Fein fällt Wochen aus - Jung ersetzt ihn

Bis dahin wird ihn aller Voraussicht nach Gideon Jung vertreten - der ein sehr gutes Beispiel dafür ist, wie man als Trainer einen überdurchschnittlich gut besetzten Kader richtig moderiert. Denn Hecking hatte auch in den schwächsten Phasen Jungs nie einen Zweifel daran gelassen, wie wertvoll der Defensivspieler für ihn ist. In den Pflichtspielen kam Jung ebenso zu seinen Einsatzzeiten wie in den letzten drei Spielen - wo er jeweils in der zweiten Halbzeit eingewechselt wurde.

Und Jung spielte gut, was vor allem daran lag, dass Hecking ihn zum Ende 2019 hin nicht fallengelassen, sondern immer wieder mental aufgebaut hatte, nachdem Jung sowohl in der Innenverteidigung als auch im defensiven Mittelfeld sportlich seine Ansprüche auf Einsätze verloren hatte. „Die anderen machen es einfach gut“, so die Erklärung Hecking seinerzeit auf die Frage, weshalb Jung nicht mehr spielen würde.

Und welch Weitblick der Trainer damals hatte, zeigt sich jetzt,. wo er Jung dringend braucht. Er muss bei Jung nicht erst wieder verloren gegangenes Vertrauen aufbauen - sondern braucht ihn nur zu aktivieren. Gleiches gilt für Martin Harnik, der den großen Teil der Vorbereitung ausgefallen war und dennoch sofort wieder im Kader stand, als er gesund war. Dass Hecking seinen Namen ausgerechnet an dem Tag ins Rennen wirft, wo Lukas Hinterseer zwei Treffer erzielt hat - einfach nur taktisch clever. Aber auch notwendig. Oder anders formuliert: Nur so kann es funktionieren. Denn Fakt ist auch: Bei aller Freude über die drei Siege aus drei Spielen, es gibt überall noch Luft nach oben.

3 Spiele, 3 Siege - und noch Luft nach oben

Defensiv in der Viererkette würde ich tatsächlich so selten und so wenig wechseln wie nötig. Hier helfen automatisierte Abläufe nicht nur, sondern sie werden benötigt. Anders im  Mittelfeld, wo es immer wieder zu Situationen kommt, dass Spieler etwas müde oder gar überspielt sind. Jeremy Dudziak beispielsweise schwankt zuletzt auffällig. Gegen Nürnberg war er überragend, in Bochum unterirdisch, und gegen den Karlsruher SC mit einer durchwachsenen Leistung.

Insgesamt wurde er in 21 Spielen dreimal ein- und 17-mal ausgewechselt. Weil der spielstarke Linksfuß, der für mich ob seiner Fähigkeit, das Tempo ohne Abstriche aus der Defensive in die Offensive zu transportieren, immer wieder seine Pausen braucht. Und Hecking muss erkennen, wann. Vor allem aber muss er für den Moment den Ersatz parat haben. Da Jung diesmal schon für Fein kommen musste und sich der Ausfall Feins andeutete, brachte Hecking am Sonnabend kurz vor Schluss noch David Kinsombi.

Heckings Stil kommt bei den Spielern an

Und das etwas überraschend für den bis dahin starken Louis Schaub, der zweifellos noch hätte weiterspielen können - und das wohl auch wollte. „Der Konkurrenzkampf ist groß, das pusht jeden noch einmal. Egal wer spielt, egal wer reinkommt, jeder bringt seine Leistung“, sagte Schaub nach dem Spiel und deutete an, dass Heckings Führungsstil bei der Mannschaft genau so ankommt, wie er ankommen soll. Und so kalkuliert Heckings Vorgehen auch sein mag - nur so bleibt ein in der Breite stark besetzter Kader auch bis zum letzten Spieltag stark.

 

In diesem Sinne, bis morgen. Da wird um 10 und um 15.30 Uhr trainiert. Öffentlich. Ich melde mich natürlich wieder um 7.30 Uhr mit dem MorningCall und abends mit dem Tagesblog bei euch. Bis dahin wünsche ich Euch allen noch einen schönen Abend! Vielleicht ja für einige mit dem Zweitligaspiel des FC St. Pauli bei Holstein Kiel. ich werde es mir zumindest ansehen.

Bis morgen!

Scholle

FAQs

 
 

Über uns

Die Rautenperle - das ist ein Team aus jungen Medienschaffenden und Sportjournalisten mit großer Affinität zum HSV. Wir sind 24/7 bei den Rothosen am Ball und produzieren frischen Content für Rautenliebhaber.

Unser Ziel ist es, moderne, unabhängige Berichterstattung und attraktiven, journalistischen Content für junge und jung gebliebene HSV-Anhänger zu bieten. Wichtig ist uns dabei, eine neue Art des Sportjournalismus zu präsentieren: dynamisch, zeitgemäß, zielgruppengerecht. Weg von verstaubten Zeitungsspalten und immergleichen Phrasen.

Die Rautenperle ist aber nicht nur ein Ort, um sich zu informieren, sondern soll auch immer ein Ort des Austausches und des Miteinanders sein. Wir wollen eurer Leidenschaft einen Platz im Netz bieten: zum Diskutieren, zum Mitfiebern, zum Mitmachen.