Marcus Scholz

13. Januar 2020

Es lagen keine 15 Meter zwischen Aaron Hunt, der vor laufenden Kameras gerade über sein verletzungsreiches Jahr 2019 sinnierte, und dem neuen Hoffnungsträger Louis Schaub, der für einen gelungenen Pass in die Tiefe von Trainer Dieter Hecking lautstark gelobt wurde. Ein Sinnbild für die Situation des HSV-Kapitäns, der heute abseits des Hauptgeschehens erneut mit Rehatrainer Sebastian Capel arbeitete. Er will eben auch schnell wieder genau dort stehen, wo Schaub für seinen Pass gelobt wurde: auf dem Platz. „Ich weiß noch nicht genau, wann“, so Hunt, „aber es ist gut möglich, dass ich noch hier im Trainingslager wieder einstiegen kann.“

Zu wünschen wäre es Hunt, der nach nunmehr drei Wochen Pause darauf brennt, am 30. Januar gegen Nürnberg sein Comeback auch in der Liga zu feiern. Dazu muss er aber bald wieder trainieren können. Wie er sich trotz der wiederkehrenden Rückschläge durch Verletzungen immer wieder neu motivieren kann?  „Ich habe ja schon ein bisschen Erfahrung damit“, so Hunt, der dabei ein wenig die Augen verdreht. Es stört ihn. Aber Hunt blickt nicht zu weit zurück, sondern direkt nach vorn: „Ich habe aber auch ein klares Ziel, worauf ich hinarbeite. Oder wir alle. Und das steht über allem. Von daher fällt mir die Reha leichter. Am Anfang noch etwas schwieriger, aber jetzt, wo das Ende abzusehen ist, ist das keine große Sache für mich.“

Hunt will schnell ins Training einsteigen - und spielen

Selbiges gilt auch für Neuzugang Louis Schaub. Ob es ihn stört, dass der HSV ob seiner Verletzungsanfälligkeit mit Louis Schaub schon einen Nachfolger für ihn geholt habe? Hunt verneint. Er weiß, dass er bei Trainer Dieter Hecking seinen Platz hat – wenn er denn gesund ist. Hunt: „Spieler kommen und gehen, das gehört im Fußball dazu. Ich muss nur gesund werden.“ Wobei genau dieser Konjunktiv, dieses „nur“, Hunts Achillesferse ist. „Es war im letzten Jahr schon mehr als sonst“, sagt Hunt. Er leugnet gar nicht erst, was eh nicht zu leugnen ist. Er gibt zu, dass diese Masse an Verletzungen auch ihn zuletzt etwas nachdenklich hat werden lassen, um dann aber auch gleich nachzuschieben: „Das letzte Mal war es im Training ein Foul (Xavier Amaechi hatte ihn im Training so gefoult, dass sich Hunt einen Bänderriss zugezogen hatte, d. Red.), dagegen kann man sich schwer wehren.“

Stimmt. Dennoch ist die körperliche Formkurve Hunts erkennbar abfallend und die Suche des HSV nach einem Nachfolger für ihn nicht nur wichtig, sondern schon alternativlos. „Ich will und werde noch weiter Fußball spielen“, so der Linksfuß, dessen Vertrag beim HSV zum Saisonende hin ausläuft. Wirklich zum Thema machen kann und wird seine Vertragsverlängerung aber zum jetzigen Zeitpunkt keiner. Hunt am allerwenigsten. Er weiß, worauf es ankommt.  Ob Hunt sauer ist? Oder gar beleidigt, dass man ihm als Führungsspieler einen jungen Konkurrenten vor die Nase gesetzt hat? Nein. Er weiß einfach nur, dass er gesund wichtig ist – aber eben schwer einzuplanen. Der Umstand, dass ihn der Trainer höchstselbst schon im Vorwege über die Suche nach einem weiteren Zehner informiert hat, scheint seine Wirkung  nicht verfehlt zu haben. Das Vertrauensverhältnis ist intakt.

 

Dennoch weiß Hunt nicht erst seit Sonnabend, also seit dem Tag der Schaub-Verpflichtung, dass er jetzt zwingend liefern muss. Deutlich mehr als in den letzten 12 Monaten. Zumindest dann, wenn er sich beim HSV noch einmal auf dem Platz für weitere Einsätze oder gar für einen neuen Vertrag empfehlen will. Nur drumherum als Kapitän der Mannschaft helfen zu können reicht nicht. Ob er den zeitlichen Druck spüre? „Ach Quatsch, überhaupt nicht. Ich muss nur zusehen, dass ich fit werde.“ Bis Nürnberg soll es auf jeden Fall reichen. „Es wird besser von Tag zu Tag besser und ist knapp über drei Wochen her. Ich kann von Tag zu Tag mehr machen. Ich habe nach dem Trainingslager ja auch noch knapp zwei Wochen und muss dann sicher noch etwas aufholen, aber ich sehe da keine Probleme.“

Hecking sieht Schaub auf rechts oder im Zentrum

Heute konnte er stattdessen sehen, wie sein neuer Konkurrent auf dem Platz erste Erfahrungen mit seinen neuen Kollegen sammeln durfte. Schaub agierte im zentralen Mittelfeld, wo ihn der Trainer auch sieht. Dort und auf der Außenbahn beim 4-3-3-System. „Er hat seine Positionen, wo er sich wohlfühlt. Wir werden auch mal 4-4-2 spielen, da ist er von den zwei Sechsern dann eher der, der mehr über die Außen kommt.“

 

Im Nachmittagstraining ging es dann erneut in Spielformen zur Sache. „Wir haben eine Analyse der ersten zwei und des letzten Drittels der Hinrunde gemacht. Gegen Schalke sind uns dann wieder Dinge aufgefallen, die uns schon vorher aufgefallen waren und an denen wir eh arbeiten wollten. Es waren Dinge, die wir schon in den letzten Spielen nicht gut gemacht haben.“ Welche genau? Hecking: „In verschiedenen Situationen über das Anlaufen, Kompaktheit, im Umschalten von Offensive auf Defensive. Unsere Gegner kommen zu oft zu schnell zu leichten Torchancen. Deshalb wird es auch viel um das Arbeiten gegen den Ball gehen.“

Doppelschicht - Hecking lässt trainieren, bis es ihm gefällt

Und dafür eignet sich das Trainingslager sehr gut. Heute, morgen und Mittwoch stehen jeweils zwei Einheiten (10 und 15.30 Uhr Ortszeit) auf dem Platz an. Schon am Vormittag hatte Hecking eine Zwei-Stunden-Einheit laufen lassen. Und das wird nicht die letzte sein, wie der HSV-Trainer andeutete: „Solange ich nicht zufrieden bin, muss ich mit der Mannschaft arbeiten. Das verstehen die Jungs auch.“ Neben den taktischen Dingen sei es auch eine Art Willensschulung. „Es geht auch darum, die Jungs mal über den Punkt zu jagen. Unsere Gegner spielen auch immer 100 oder sogar manchmal 110 Prozent gegen uns. Das müssen wir aufbrechen. Denn wenn wir auch dort mit denen auf Augenhöhe  sind, werden wir diese Spiele wieder gewinnen.“Dass Schaub dabei eine Hilfe sein kann, ist klar. Und das deutete der österreichische Nationalspieler heute auch in seinen ersten beiden Einheiten für den HSV mehrfach an. Mit ganz feiner Technik, einer guten Antizipation und einem ebenso sicheren Passspiel wie starkem Abschluss wusste er zu gefallen. Daraus jetzt hier und heute schon abzuleiten, wie weit er ist und inwieweit er dem HSV helfen kann, es wäre unseriös. Dafür hat Schaub nicht nur ein paar Tage Eingewöhnungszeit verdient, sondern auch ich werde mir die paar Trainingstage Zeit nehmen. Fakt aber ist, dass mich seine Art Fußball zu spielen ein wenig an Rafael van der Vaart erinnert. Rein optisch. Und wenn er für diese Zweitligasaison nur 50 Prozent von van der Vaart bei dessen erstem HSV-Wechsel zeigt – es soll mir recht sein...

Gyamerah ist dabei, braucht aber noch. Boldt sucht weiter

Sehr recht wäre mir auch, wenn Jan Gyamerah schnell wieder fit wird. Der Rechtsverteidiger ist hier in Lagos dabei – und auch endlich wieder auf dem Platz. „Schön“ sei es, sagte er heute überglücklich – wissend, dass es trotzdem noch ein weiter Weg sein würde. Seine volle Genesung ist für Ende März avisiert – optimistisch gedacht. „Aber es ist wichtig, dass er wieder näher bei der Mannschaft ist. Für ihn insbesondere. Aber eigentlich für alle“, so Trainer Dieter Hecking, der sich hier täglich intensiv mit Sportvorstand Jonas Boldt austauscht. Letztgenannter weilt ebenfalls im Trainingslager, ist aber nahezu nie ohne Handy am Ohr anzutreffen. Auf der Rechtsverteidigerposition besteht eben weiterhin großer Bedarf – trotz des erfreulichen Mini-Comebacks von Gyamerah.

 

In diesem Sinne, bis nachher. Da melden wir uns mit dem ersten Tagebucheintrag von Tom Mickel. Morgen gibt es dann wie gewohnt den MorningCall um 7.30 Uhr, gegen 9 Uhr werden wir dann via soziale Netzwerke noch eine Tagesvorschau abgeben. Und, kleiner Geheimtipp: Schaut Euch mal den Vlog meines Kollegen Janik Jungk an. Jannik fast dort in optisch sehr ansprechender Manier noch mal alles zusammen, was heute passiert ist. Lohnt sich!!

Bis dahin,

Scholle

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