Marcus Scholz

10. November 2017

Mann oh Mann. Es ist schon hart, welch seltenen Blüten Klaus Michael Kühnes Vorstöße tragen. Hier eine Umfrage, dort eine Abstimmung. Geht es auch ohne ihn? Muss er weg? Muss er bleiben? Muss er vielleicht noch mehr verfügen dürfen? Selbst die, die in den letzten Jahren maßgeblich mitverantwortlich waren für das hohe Millionenminus sind plötzlich geeignete Ratgeber, wie man mit dieser Situation umgehen sollte. Wahnsinn! Und nur ganz nebenbei wird bekannt, dass der HSV klammheimlich weitere Prozente an Kühne verkauft hat und nun nur noch knapp über 1 Prozent zu veräußern hat, bevor die selbst auferlegte Grenze von 24,9 Prozent erreicht sind. Dass das bedeutet, der HSV kann nunmehr gerade noch drei Millionen Euro außerordentlich einnehmen, während der Abgang Kühnes droht – vergessen. Oder nicht so wichtig. Auf jeden Fall ist dieser wesentliche Vorgang ohne große Beachtung durchgerutscht. Warum? Na klar, weil man jetzt mit populistischen "Schwarz-oder-Weiß"-Umfragen deutlich mehr Beachtung erhaschen kann.

Aber: So schafft sich dieser HSV ab. Denn das, was hinter den Kulissen gerade passiert, wird Auswirkungen auf den HSV haben, die in vielen Jahren noch zu spüren sein werden. Dieser HSV steht (mal wieder) vor einer richtungweisenden Entscheidung. In einer ganz entscheidenden Phase. Kühne auf der einen und der e.V. auf der anderen Seite setzen gerade jetzt zum Machtvergleich an. Intern gehalten wurde das Thema hierbei ganz bewusst nicht. Auch, weil sich Kühne sehr wohl bewusst darüber ist, in der breiten Öffentlichkeit als letzter Hoffnungsträger des „Sanierungsfalles HSV“ zu gelten. Wobei, was heißt hier „zu gelten“? Er ist es momentan auch. Denn sollte e.V.-Präsident Meier keine(n) anderen Geldgeber in der Hinterhand haben, die/der dem HSV in den nächsten Jahren die Lizenz sichert, läuft die AG unumstritten große Gefahr, selbige nicht mehr erteilt zu bekommen. Zwickmühle hierbei für Meier: Nickt er die Forderungen Kühnes ab, droht der HSV seine satzungsmäßigen Mitbestimmungsrechte abzugeben. Nicht auf dem Papier – aber in der Praxis. Von daher verbietet sich meiner Meinung nach auch ein „entweder oder“ sowie alle damit zusammenhängenden Umfragen und Abstimmungen.

Tatsächlich lassen mich da schon Ankündigungen wie „Meier und Kühne telefonieren – Versuch der Einigung“ aufhorchen. Denn so simpel und naiv es in einem solchen Gesellschafterstreit auch klingt, am Ende ist das der einzige Weg, hier den HSV nicht noch mehr verlieren zu lassen. Bundesweit ist der HSV inzwischen nur noch schwer als „Verein“ wahrzunehmen. Hier heißt es, dass Kühne mit seinen Millionen bestimmt, was passiert – der Rest macht eh mit. So, wie es ein fragwürdig operierender Investor bei 1860 München auch gemacht hat. Von daher brauchen wir uns über die Außendarstellung zunächst einmal wenig Gedanken zu machen. Sie muss uns sogar egal sein. Viel mehr Gedanken müssen sich die Verantwortlichen um den internen Umgang machen. Denn der offenbart wieder einmal das uralte Problem: Machtgehabe, Eitelkeitskämpfe – und zu wenig Dienst am Verein bzw. in diesem Fall natürlich an der AG. Und wie eben schon gesagt: Allein darum muss es in den aktuell kritischen Tagen gehen – tut es aber nicht. Intern geht es wieder nur darum, wer seinen Willen durchgesetzt bekommt, seine Macht untermauert und wer in diesem Konflikt sein Gesicht wahrt. Es ist ein moderner Gladiatorenkampf, und alle ergötzen sich daran. Mit Umfragen, Abstimmungen und sonstiger Klickgenerierung. Und das alles auf Basis des HSV – ohne jede Aussicht auf echte Gewinner.

Von daher: Bitte ja, Herr Meier, rufen Sie Herrn Kühne an (oder Herr Kühne, Sie rufen an – das ist mir komplett scheißegal)! Telefonieren sie und finden sie einen gemeinsamen Weg, ohne es über die Öffentlichkeit zu diskutieren. Denn so gefährlich die aktuelle Situation auch ist, sie bietet auch eine Riesenchance für diesen HSV, einen geordneten Neuaufbau zu realisieren. Unter Beachtung der Satzung mit einem vom e.V. bestimmten Aufsichtsrat, der auch einen Kühne-Abgesandten enthält. Gemessen an den Anteilen ist das allemal vertretbar. Allerdings muss dieser Aufsichtsrat zwei Zweifel widerlegen, die meiner Meinung nach die Ursache des aktuellen Streits sind:

  1. Dass Jens Meier vorrangig bis ausschließlich seine Leute beruft, um sich letztlich beizeiten „von seinen Buddies“ zum Vorstandsvorsitzenden der AG befördern zu lassen.
  2. Dass die Räte von Kühne gesteuert weiterhin ähnlich wenig kontrolliert dessen Millionen in den HSV fließen lassen und über Fehlinvestitionen den Verein weiter in finanzielle Abhängigkeit zum Investor bringen.

Nur eine Idee: Der neue Rat muss meiner Meinung nach zu gleichen Teilen aus unabhängiger sportlicher wie aus unabhängiger wirtschaftlicher Kompetenz zusammengesetzt sein. Im wirtschaftlichen Part unterteile ich sogar noch mal zwischen dem HSV-affinen Wirtschaftlichen, der neben dem gesetzten e.V.-Präsidenten den e.V. in der AG vertritt, und den den in der Weltwirtschaft vernetzten Vertretern (2), die dem HSV im Gegensatz zum alten Rat neue Wege eröffnen können – worauf das Hauptaugenmerk liegen muss. Um hier den gemütlichen und kurzen Weg zu Klaus Michael Kühnes Darlehen, die immer auch ein Stück Unabhängigkeit kosten, zu verhindern, könnte der HSV eine Art „internes Financial Fairplay“ beschließen. Soll heißen: Jeder geliehene Kühne-Euro bedarf zwei, drei, vier oder eben 50 externe Euro an Einnahmen. Hier den richtigen Maßstab zu finden, überlasse ich den e.V.-Vertretern, denen maximal an der Unabhängigkeit des HSV gelegen sein muss. So begrenzt man Kühne nicht, da er in Form von Sponsoring- und Werbeverträgen immer noch völlig frei ist, wie viel er dem HSV zukommen lassen will.

Zudem müssen zwei Vertreter aus dem Fußball dabei sein. Ein Marcell Jansen ist ein Schritt nach vorn, aber er reicht noch nicht. Hinzukommen muss ein erfahrenes Schwergewicht wie – so unrealistisch das auch ist, nur als Maßstab - beispielsweise ein Horst Hrubesch. Noch entscheidender als die Besetzung des Aufsichtsrates ist, dass ALLE Führungspositionen im Klub maximal stark besetzt sind. Das heißt: Es darf keine Kompromissentscheidungen mehr geben. Wenn man mit Heribert Bruchhagen, Frank Wettstein, Jens Todt, und/oder Markus Gisdol nicht zufrieden ist, MUSS man hier neuen Lösungen finden, um einen echten Neuanfang zu gewährleisten. Weder im Kader, noch auf den Vorstands- und Aufsichtsratsposten dürfen Personen sein, die von vornherein als zu schwach für den Aufbau eines erfolgreichen Konstruktes angesehen werden. Denn das war in den letzten Jahren leider IMMER der Fall...

Das umzusetzen wird Geld kosten, viel Geld sogar, das der HSV aktuell sicher überhaupt nicht übrig hat. Ganz klar. Aber wenn Kühne und Meier diesen Weg gemeinsam einschlagen können, wäre allen geholfen. Kühne, weil er mit dem dann gegeben Geld beweisen kann, dass er nur an der Stärkung der HSV interessiert ist, nicht am Ausbau seines Einflusses über finanzielle Abhängigkeiten. Auch Meier würde massiv an Profil gewinnen, weil er als Vertreter des Hauptanteilseigners dessen Interessen maximal und gegen erste Widerstände nicht nur vertreten sondern die Umstände noch verbessert hat. Vor allem aber würden die beiden Hauptdarsteller des Aufsichtsratsdebatte zurecht an Profil gewinnen, weil am Ende der gewinnt, um den es nun mal geht: Der HSV.

Ach, es wäre zu schön. Aber ich weigere mich hierbei einfach noch, die Hoffnung aufzugeben.

In diesem Sinne, bis morgen.

Scholle

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