Marcus Scholz

10. September 2018

Endlich wieder Fußball. Beim HSV gab es heute wieder Fußball auf dem Platz, um genauer zu sein. Die erste Trainingseinheit der Woche vor dem nächsten Ligaspiel gegen Heidenheim stand an. Und das ist auch gut so, denn hier hatte binnen kürzester Zeit den HSV wieder eingeholt, was man endlich dachte, losgeworden zu sein: Übersteigerte Vereinspolitik. Denn die tritt gerade wieder los. Anstoß gegeben hatte ein Interview von Klaus Michael Kühne in der „Welt am Sonntag“, in dem er angekündigt hatte, aussteigen zu wollen. Ich verzichte an dieser Stelle mal auf Zitate, denn zum einen war das nicht neu, zum anderen habt ihr es ja alle gelesen oder zumindest gehört. Und eines ist mal ganz sicher: Klaus Michael Kühne wusste, dass er die vinkulierten Aktien nicht ohne die Zustimmung des HSV verkaufen kann. Er wollte einfach nur mal wieder aufrütteln. Auch deshalb war die Reaktion des HSV, betont gelassen zu bleiben richtig.

Fast schon alternativlos, womit ich zu einem Wort komme, das viele hier kontrovers diskutieren. Denn auch gestern schrieb ich, dass die Absage des HSV an seinen Investor/Mäzen/Sponsor/Fan „alternativlos“ war. Und das sehe ich unter den gegebenen Umständen tatsächlich so. Allerdings muss bei der Einordnung des Wortes „alternativlos“ auch die Relation erhalten bleiben. Denn so unwahrscheinlich es auch ist, es besteht immer eine Restchance auf ein weiteres und ausgebautes Miteinander zwischen Kühne und dem HSV, das dem HSV nicht schaden würde. Es ist nur momentan nicht zu erkennen, dass Kühne darauf eingehen würde. Und ich muss sagen: das auch völlig zurecht. Trotzdem bleibe ich dabei, dass der HSV in diesem Fall ablehnend reagieren musste. Schon allein, um das Mandat seiner Mitglieder von der Wahl im Februar aufrecht zu erhalten.

Denn klar ist: Beim HSV möchte die große Mehrheit nicht von einem Mäzen oder Investor fremdbestimmt werden können. Und das wäre bei weiteren Anteilsverkäufen nicht mehr sicher auszuschließen. Fakt ist aber auch, dass sich der HSV mit den gefühlt milliardenfach zitierten Fehlern der Verantwortlichen auf allen Ebenen in den letzten zehn, 15 Jahren in eine Situation gebracht hat, die den einst so ruhmreichen Klub nah an einem Zwangsverkauf gebracht hat. Zumindest, wenn man den Profifußball am Leben erhalten will.

Im Merchandising und Sponsoring hat man sich auf sehr gehobenem Niveau bewegt – und es hat trotzdem nicht gelangt, weil man auf der Ausgabenseite sorglos Kühnes Millionen genutzt hat. Völlig überzogenen Gehälter, zu hohe Ablösen, zu viele personelle Fehlentscheidungen samt den dazugehörigen Abfindungszahlungen - es ist mehr als verständlich, dass auch Kühne irgendwann sagt, dass es reicht.

Kühne war nicht sonderlich gut beraten bei der Wahl seines Investments bzw. hat auf die falschen Leute gesetzt. Karl Gernandt hatte beispielsweise nullkommanull Ahnung vom Fußballgeschäft, war aber sein höchster Aufpasser und nickte die Millionenausgaben Dietmar Beiersdorfers als Aufsichtsratsvorsitzender in aller Regel ab. Dazu kam Beiersdorfer als Vertrauter, der groß investieren wollte, und im Gegensatz zu seiner ersten Amtsperiode als Sportchef diesmal nur groß danebengriff. Dass der inzwischen 81 Jahre alte Kühne irgendwann den Geldhahn zudreht bzw. auf Gegenwerte als Sicherheiten pocht – ich kann es ihm absolut nicht verdenken.

Dabei ist er indirekt selbst Schuld. Denn Kühne hat die HSV-Verantwortlichen mit seinen Millionenspritzen in den verschiedensten Auszahlungsformen nicht nur in Versuchung gebracht, sondern er hat es ihnen schlichtweg zu leicht gemacht. Seine Millionen haben die Verantwortlichen hier träge und satt werden lassen. Statt mehr zu machen als andere, wurde weniger gemacht. Hauptsache große Namen und schneller Erfolg. Kreativität: Fehlanzeige! Es wurden Fehler gemacht – und den Verantwortlichen schien es egal zu sein. Es gab ja immer die Sicherheit Kühne im Hintergrund. Und der wird ja schon....

...aber das wird er eben nicht. Nicht mehr. Weil Kühne ein Geschäftsmann ist und inzwischen erkannt hat, welch krankes Konstrukt er zusammen mit den hier Verantwortlichen geschaffen hat. Das Verhältnis zum aktuellen Vorstandsboss Bernd Hoffmann ist angekratzt – vorsichtig formuliert. Auch ihm vertraut er nicht (mehr). Und deshalb will er bestimmen. Oder sagen wir besser: Spätestens seitdem will er auch für sein Geld mitreden können. Entscheidend. Oder eben verkaufen und aussteigen, was bekanntermaßen gar nicht so einfach ist...

Ergo: Es bleibt für mich dabei, keine der beiden Seiten ist fehlerfrei bzw. beide Seiten haben es maximal forciert, dass die Zusammenarbeit nicht funktioniert, dass das Vertrauen gestört ist. Schlimmer noch: Es gibt gar keine Basis mehr, denn man vertraut sich einfach nicht mehr. Und der HSV darf (noch) nicht an seinen Mitgliedern vorbei agieren. Dabei könnte es so einfach sein, um noch einmal kurz zu träumen.

Nur ein Beispiel: Wenn Kühne den HSV entschuldet, indem er ihnen ein minimal verzinstes Darlehen gibt. Okay, mit Darlehen entschulden, das ist ein Widerspruch in sich. Aber in diesem Darlehen müsste schlichtweg  festgehalten werden, dass sich selbiges durch bestimmte Entwicklungsschritte wie Nachwuchsarbeit, Bilanzergebnisse zurückzahlen ließe. So würde Kühne den Missbrauch seiner Millionen eindämmen und würde so indirekt sogar mitsprechen. Zumindest würde er die Gesundung des Vereines verlangen können. Win-win...

Und in dieser Art gäbe es noch etliche Möglichkeiten, die Zusammenarbeit gesund aufzustellen. So, dass Kühnes Millionen sinnvoll und kontrollierter ausgegeben werden und der Verein parallel die Chance hat, sich mit Hilfe der Kühne-Gelder auf lange Sicht zu erholen. Die Frage ist nur: wollen das wirklich alle?

Ich habe immer gedacht, dass Kühne den schnellen Erfolg kaufen möchte. Und anfänglich war er wohl auch bereit dazu. Ich habe auch gedacht, er gibt seinem damals so hoch gepriesenen Vorstandsboss Dietmar Beiersdorfer die Gelder, die für das Erreichen der Champions League reichen würden. Und angesichts von knapp 120 Millionen in den letzten viereinhalb Jahren war das auch drin. Aber letztlich kommt es hier auch immer wieder darauf an, mit wem Kühne zusammenarbeiten soll/kann. Felix Magath hatte sich vor Jahren schon mal in Position gebracht bei Kühne. Und er macht es aktuell wieder, indem er die aktuelle Führung des HSV grundsätzlich und auch dafür attackiert, mit Kühne nicht ordentlich umzugehen. Es ist ein wenig wie  petzen für Erwachsene, um den Wortgebrauch mal auf das entsprechende Niveau zu bringen. Und parallel suggeriert er Kühne, unter seiner Führung natürlich entsprechend besser behandelt zu werden.

Ein Konzept, wie man den Verein sportlich erfolgreicher machen kann, wird Magath zweifelsfrei haben. Das werden Beiersdorfer, Bruchhagen, Hoffmann und mit Sicherheit alle anderen auch gehabt haben. Zumindest theoretisch. Allein, wie man den Verein parallel zum sportlichen Aufschwung auch wirtschaftlich wieder in die Situation bringt, sich irgendwann selbst am Leben erhalten zu können, das hat bislang keiner gehabt. Zumindest hat’s keiner geschafft. Aber vielleicht war es gar nicht erwünscht. Und hier sind wir wieder an dem Punkt, der alles entzweit: das fehlende Vertrauen ineinander.

Ach ja, Fußball stand ja heute auch noch auf dem Plan. Richtig, es gab Training am Volksparkstadion. Und das lief ohne Pierre Michel Lasogga und Khaled Narey, die noch individuell trainierten, aber in den nächsten Tagen wieder voll mittrainieren und am Sonnabend gegen Heidenheim spielen können sollen. Dann ebenfalls einsetzbar sein könnte der letzte Neue, Hee-chan Hwang. Der südkoreanische Nationalspieler muss am Dienstag noch für sein Heimatland gegen Chile spielen und soll im Laufe des Mittwochs in Hamburg eintreffen. Sein erstes Training soll der Offensivspieler am Donnerstag unter Ausschluss der Öffentlichkeit absolvieren. Ob das für einen Platz im Kader reicht, ist noch offen. Aber nicht unwahrscheinlich. Denn fit ist Hwang. Apropos Training: Morgen wird um 10 und um 15 Uhr trainiert.

In diesem Sinne, bis morgen!

Scholle

 

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