Marcus Scholz

17. Oktober 2019

Es hätte gepasst, wenn Kyriakos Papadopoulos tatsächlich mit der U21 zum Spiel bei Jeddeloh gereist wäre. Im heutigen Training wirkte es nicht so, als habe der Grieche in irgendeiner Weise Berührungsängste mit der tiefsten Liga, in der er seit seinem 15. Lebensjahr je gespielt hat. Regionalliga statt Champions League – damit muss man erst mal klarkommen. Und der Grieche scheint das zu schaffen. Mehr noch: Nach der Doppelschicht heute sammelte der einstige griechische Nationalspieler Bälle zusammen und trug sie zusammen mit den anderen HSV-Youngstern vom Patz. Eine Szene, die ich von ihm nicht einmal bei den Profis gesehen habe. Zumindest sehr lange schon nicht mehr.

„Griechische Tragödie“ nannte der „Kicker“ heute den Fall Papadopoulos und lockte mich damit in eine Falle. Ich vorverurteilte die Zeile nämlich als reißerisch. Zum Glück nur anfänglich und gedanklich. Denn im Text selbst löste mein geschätzter Kollege und Fachmann Thiemo Müller die Zeile schnell logisch auf. Die in der Zeile enthaltene Tragik bezog Müller nicht allein auf den Umstand, dass Papadopoulos beim HSV nicht mehr spielt. Vielmehr bezog er sie darauf, dass der weiter ungebrochene Ehrgeiz von Kämpfer Papadopoulos nicht mehr mit seinen vorgeschädigten körperlichen Fähigkeiten harmoniert. Ein natürlicher Lauf der Dinge, mag man denken. Allerdings muss man bei Papadopoulos dazu sagen, dass er gerade erst 27 Jahre alt ist und damit eigentlich in der Blüte seiner Karriere stehen sollte.

„Tragisch“ ist also der Umstand, dass er mit seiner sehr körperbetonten Spielart über lädierte Knie verfügt, die ihm genau diese Stärke von Zeit zu Zeit rauben. So oft, dass er beim HSV vom gesetzten Mann in der Innenverteidigung zu Innenverteidiger Nummer sechs abgefallen ist. Und das wiederum ist mit dem Anspruch und dem Stolz von Papadopoulos überhaupt nicht vereinbar. Spätestens als ihm klargemacht wurde, dass ein zurückkehrender Timo Letschert und ein Jonas David vor ihm als Innenverteidiger in Betracht gezogen werden, war sein Ende besiegelt. Zunächst für ihn – nach ein paar Gesprächen dann beiderseitig. Und das sogar einvernehmlich, wie wir seit gestern wissen.

Größte Stärke wird zu größter Schwäche

Dazu muss man wissen, dass sich Papadopoulos’ größte Stärke beim HSV zur größten Schwäche verkehrt. Ohne, dass man es ihm wirklich vorwerfen kann. Man wusste immer, was man an ihm hat. Denn der Defensivspieler, dem man mit 16 Lenzen noch eine Weltkarriere voraussagte, ist schlichtweg nicht in der Lage, seine Stimmung nicht nach außen zu tragen. Soll heißen: Er sagt immer, was er denkt. Und er will immer spielen, immer vornewegmarschieren und immer gewinnen, aber eben nicht über alles nachdenken müssen. Er macht einfach, er haut alles raus, was ihm durch den Kopf geht. Und dafür liebten ihn bisher alle. Teamkollegen wie Fans, weil er ein Krieger für sein Team und sein Verein ist. Problematisch wird es nur, wenn er nicht darf, weil er nicht auf den Platz kommt. Das gefällt ihm gar nicht. Und das zeigt er. Intern. Aber auch nach außen, wenn man ihn (wie wir in Wolfsburg nach dem Test) zu fassen bekommt.

Ausschließlich zum Selbstschutz hatte sich Papadopoulos zuletzt Interviews immer wieder so entzogen, wie dem Mannschaftstraining. Das verpasste er mit Muskelproblemen, als klar wurde, dass er auf der Tribüne landen würde. Und ehrlich gesagt nahm ihm das niemand ab – und noch weniger über. Es war Selbstschutz von Papadopoulos, den Trainer Dieter Hecking aus Respekt vor dem Griechen hinnahm. Er konnte nachvollziehen, weshalb Papadopoulos so handelte. Und da er dessen sportliche Hilfe eh nicht braucht(e), nahm er dessen Verletzung ohne nachzuhaken hin.

 

Stolz, Ehre und mehr

Insofern wird hier ein unschöner Moment so ausgestaltet, wie er ausgestaltet werden kann, damit sich beide Parteien möglichst gut fühlen. Papadopoulos kann sagen, das er mit dem Wunsch an den Verein herangetreten ist, den HSV verlassen zu wollen. Mit anderen Worten: Nicht er wurde vom Hof gejagt, sondern er ist von sich aus vom Hof gejagt. Das ist so ein bisschen wie früher im Teenageralter, wenn nach einer beendeten Beziehung beide davon sprechen, dass man sich einvernehmlich getrennt habe. Auch da geht es oft um Stolz, Ehre und andere Dinge, die man so kaschiert.

Problem Nummer eins bei Papadopoulos ist bislang noch die Frage, wie man sich denn im Winter überhaupt trennen kann. Denn dem neuen Berater des Griechen wurde ebenso wie Papadopoulos selbst klargemacht, dass es keine Abfindung seitens des HSV geben wird. Von einer Millionenzahlung ganz zu schweigen. Womit wir zu Problem Nummer zwei kommen, das aus juristischer Sicht nicht ganz eindeutig ist. Denn aktuell könnte Leverkusen noch auf eine Zahlung bestehen, sollte der HSV Papadopoulos im Winter an einen neuen Verein ablösefrei abgeben. Auch die Lösung, den Vertrag einvernehmlich aufzulösen, um die Zahlung zu umgehen, ist juristisch nicht so einwandfrei, wie es einige Kollegen heute berichteten. Zumindest prüft der HSV diesen Passus noch und ist parallel dazu bemüht, außerhalb der rechtlichen Auslegung des Vertrages mit Bayer eine Lösung für den Fall zu finden, dass Papadopoulos einen neuen Verein findet.

So geht es weiter im Winter

Letzteres wiederum ist nicht so leicht, wie auch der vergangene Sommer schon gezeigt hat. Schon da war Papadopoulos gesagt worden, dass man ihm keine Steine in den Weg legen würde, sollte er einen neuen Arbeitgeber finden. Womit wir wieder beim Thema Stolz sind, der sich bei dem Griechen zum einen über die gewünschte Spielklasse, aber eben immer auch über Geld definiert. Und da dürfte es wieder zu der Tragik kommen, die Thiemo Müller heute im Kicker beschrieben hat. Denn hier stimmen Anspruch und körperliche Leistungsfähigkeit nicht überein. Nicht mehr. Oder um die sportliche Tragödie in einem Satz (zugegeben etwas überspitzt) zu beschreiben: Der Geist ist willig, das Fleisch ist schwach.

Von daher bleibt an dieser Stelle nur zu hoffen, dass Papadopoulos einen passenden Verein und der HSV eine entsprechende Lösung mit Bayer findet, damit aus der bislang für beide Seiten so sauber und gesichtswahrend ablaufenden Trennung auch eine solche wird. Denn Fakt ist: Auch hier, wo alles nach „beiderseitiges Einvernehmen“ klingt, ist der „Rosenkrieg“ nicht weit. Wie immer, wenn es um zu viel Geld, Ehre und Stolz geht.

In diesem Sinne, bis morgen. Da wird um 10 Uhr öffentlich trainiert. Vorher gibt es aber wie immer den MorningCall um 7.30 Uhr.

Scholle

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