Marcus Scholz

14. Februar 2020

Die Vorfreude ist aber nicht nur bei Martin Harnik da. Unabhängig davon, ob das Spiel als Nordderby gewertet werden darf (Martin Kind) oder eben nicht (Rick van Drongelen), sind Spiele bei Hannover 96 für einige HSVer, die dort bereits spielten oder trainierten, etwas Besonderes. HSV-Trainer Dieter Hecking betonte das heute auf der Pressekonferenz auch noch einmal, nahm dem Ganzen aber zugleich auch jegliche überbordende Bedeutung. Dennoch dürfte gerade er sich auf das Duell freuen. Denn er ist als Coach seit neun Duellen (sieben Siege, zwei Remis) gegen Hannover 96 unbesiegt - so lange wie gegen keinen anderen Club im deutschen Profifußball. Zudem reisen rund 15.000 Anhänger diesmal aus Hamburg mit an - eine Zahl, die es sonst bei kaum einem Auswärtsspiel gibt. Nicht einmal in der Ersten Liga zieht ein Auswärtsspiel des HSV regelmäßig so viele HSV-Anhänger. Es wird also ein Zweitligaspiel vor Erstligakulisse mit Derbycharakter. Und ich habe für Euch neben den Pressekonferenzen der beiden Trainer hier noch einmal die wichtigsten Daten und Fakten zusammengestellt:

Die Ausgangslage:

Hannover 96: Eine völlig verkorkste Hinrunde liegt hinter den Niedersachsen, die zudem sehr schleppend ins Jahr 2020 gestartet sind. Einem 0:1 in Regensburg folgte ein schwaches Remis zuhause gegen Wiesbaden - erst im dritten Anlauf gelang der erste Sieg. Und der war überzeugend. Mit 3:1 bei den starken Füttern soll jetzt der Befreiungsschlag gelungen sein - hofften die Medien vor Ort in Hannover. Aber klubintern spricht Boss Martin Kind noch immer von zu vielen Altlasten, die mitgeschleppt werden und rund um die Mannschaft wird die übertrieben positive Bewertung des ersten Sieges 2020 mit einem Lächeln quittiert. Mannschaftsintern stimmt es längst nicht so, wie es vermutet wird.

HSV: Nach drei Siegen in Folge wird öffentlich schon wieder darüber diskutiert, dass der HSV sich nur selbst schlagen kann (Mopo) bzw. dass der HSV statistisch quasi schon aufgestiegen ist (BILD). Trainer Dieter Hecking versucht daher unermüdlich, die verfrühte Euphorie zu bremsen. Dabei muss er den Balanceakt schaffen, seiner Mannschaft das Selbstvertrauen der Siege zu erhalten und gleichzeitig alle wieder so zu erden und zu fokussieren, als sei noch nichts passiert. Im Laufe dieser Woche setzte Hecking dabei auf internen Konkurrenzkampf und deutete überraschende Wechsel an. Effekt: Es funktionierte. Obgleich Hecking sagte, Sturmtief Sabiene habe alles überschattet, so sah auch er eine starke Trainingswoche mit Reservisten, die sich aufzudrängen versuchten, während die Stammspieler um ihr Plätze kämpften. Ergo: Er hat die Qual der Wahl.

 

Das größte Problem

Hannover 96: Nach dem ersten Sieg soll der nächste Schritt in Richtung Sicherung der Klasse folgen - und ausgerechnet gegen die offensivstärkste Mannschaft der Liga muss Trainer Kenan Kocak durch die Gelbrote Karte für Elez und die Verletzung von Felipe auf nunmehr drei von vier etatmäßigen Innenverteidigern verzichten. Nur noch Waldemar Anton ist übrig. Zudem haben die Hannoveraner einen Heimkomplex. In zehn Heimspielen gab es erst einen Sieg und insgesamt neun Punkte. Das bedeutet Rang 17 in der Heimtabelle. Jetzt sollen die Anhänger die Mannschaft beflügeln: „Hier freuen sich alle auf ein gefühltes Bundesligaspiel“, sagte Kocak, angesprochen auf das ausverkaufte Stadion im Nordderby, „das wird jeden einzelnen pushen.“ Bei Hannover gibt es aktuell noch wenig faktische Ansätze, die auf Siege setzen lassen - aber nach Fürth zumindest wieder etwas Hoffnung.

HSV: Adrian Fein hatte gerade wieder die Rolle aus der guten Hinrundenphase übernommen, da fällt er mit einem Jochbeinbruch verletzt aus. Für ihn rückt Gideon Jung ins Team. Und das bedeutet, dass das Aufbauspiel des HSV weniger als sonst über die Sechserposition eröffnet werden kann, denn diese Qualitäten hat Fein seinem Ersatz voraus. Daher müssen die beiden Achter (Dudziak und Schaub) diesen Fein-Part übernehmen, während Jung den beiden Kreativen wiederum möglichst viel Defensivarbeit abnehmen soll.

 

Der Lichtblick

Hannover 96: Haraguchi und Teuchert präsentieren sich im neuen Jahr treffsicher und steuerten jeweils zwei Treffer bislang bei. Zudem hat man in Fürth in der zweiten Halbzeit eine geschlossene Mannschaftsleistung abgeliefert, die so bislang selten war.

HSV: Die Geschlossenheit und die Breite im Kader. Egal wer eingewechselt wurde - er hat funktioniert. Trainer Dieter Hecking schafft in der qualitativ für Zweitligaverhältnisse überbesetzten Offensive Woche für Woche Härtefälle. Aber er hat so auch immer die Möglichkeit, das Spiel seiner Mannschaft von der Bank aus noch mal komplett umzustellen bzw. wenigsten deutlich zu verbessern. Allein das gibt der Mannschaft schon eine leistungssteigernde Sicherheit. Mit 45 Toren stellen die Hamburger den besten Angriff der 2. Liga und trafen damit schon genauso oft wie in der kompletten Vorsaison. Mittelstürmer Lukas Hinterseer (neun Tore) traf an vier der vergangenen fünf Spieltage.

 

Das spannendste Duell

Es wird spannend zu sehen sein, ob Hannover wieder versucht, dem HSV das Spiel zu überlassen. Sollte der HSV diese Rolle einnehmen, käme das den Gastgebern zweifelsfrei entgegen. Und der HSV seinerseits hatte zuletzt trotz zunächst anderslautender Ansagen von Trainer Hecking in bislang allen drei Spielen dieses Jahres die Kommandos übernommen. Zudem würde es interessant zu sehen sein, wie sich Ex-Hannoveraner Martin Harnik, der sich in hHannover noch großer Beliebtheit erfreut, gegen seine ehemaligen Kollegen präsentiert. Wobei sich Hecking hier offen hielt, ob der Routinier oder doch wieder Sonny Kittel beginnt. Zudem dürfte es spannend werden, wer auf den Rängen die Oberhand gewinnt. Die 34.000 Hannover-Fans oder doch die HSV-Anhänger?

 

Taktik

Hannover 96: Zieler - Jung, Anton, Franke, Horn - Bakalorz, Kaiser - Maina, Prib - Haraguchi - Teuchert

HSV: Heuer Fernandes - Beyer, Letschert, van Drongelen, Leibold - Jung - Dudziak, Schaub - Harnik, Hinterseer, Jatta

 

Ausblick

Hannover 96: Hammerwochen für die Niedersachsen! Nach dem HSV geht es zu Arminia Bielefeld, ehe Nordrivale Holstein Kiel kommt und es dann  wieder zum 1. FC Nürnberg geht, der sich gerade wieder gefangen zu haben scheint. Sollte das Spiel gegen den HSV verloren werden, könnten die vier Punkte Vorsprung auf den Relegationsplatz hier schnell verspielt sein. „Angst fressen Seele“ hatte Klubboss Kind in der Hinrunde über die Verfassung seiner Mannschaft gesagt - und diese Beschreibung könnte schneller als erhofft wieder wahr werden.

HSV: Für den HSV folgt nach dem Nordderby das Stadtderby gegen den FC St. Pauli, das allein ob der Rivalität eine besondere Brisanz hat. Allerdings scheint der HSV nicht mehr so wackelig zu sein, wie er sich im Hinspiel noch präsentiert hat. Ganz im Gegensatz zum FC St. Pauli, der sich weiterhin in unmittelbarer Nähe zur Abstiegszone bewegt. nach dem Stadtrivalen geht es zum schwierigen Auswärtsspiel nach Aue, ehe Regensburg nach Hamburg kommt. Alles machbare Aufgaben, wenn Trainer Hecking es weiterhin schafft, den Fokus seiner Spieler von Spiel zu Spiel neu auszurichten.

 

In diesem Sinne, bis morgen. Da melde ich mich um 12.30 Uhr mit der Auswärtscouch bei Euch. Gast ist der Ex-HSV-Profi und -Nationalspieler Piotr Trochowski, der am heutigen Freitagabend sein Comeback für den HSV feiert - in der Oberliga beim TuS Osdorf für die Dritte des HSV. Wir werden morgen exklusiv Gelegenheit haben, mit "Troche" über seine Rückkehr sowie natürlich über das Auswärtsspiel des HSV in Hannover zu sprechen. Und Ihr seid herzlich eingeladen, dabei zu sein!

Bis dahin,

Scholle

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