Marcus Scholz

24. April 2019

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Auch am Tag danach fühlte sich die Niederlage gegen Leipzig tatsächlich noch deutlich besser an, als das Remis gegen Erzgebirge Aue vom Sonnabend. Zurecht, weil die Mannschaft ihr gutes Gesicht präsentierte, wie wir gestern auch unmittelbar nach Schlusspfiff schon festgestellt hatten. Andererseits, und bitte versteht das jetzt nicht falsch, ich will hier wirklich nichts schlechtreden, aber: War die Präsentation gestern  nicht letztlich das, was man in einem Halbfinale des DFB-Pokals erwarten durfte? Einsatz bis zum letzten, Kampfgeist und Emotionen? Ich finde schon. Und dass dabei 20 bis 25 Minuten herauskommen, die jeden fan im Stadion kurzzeitig an das Wunder haben glauben lassen war schon mehr, als man vorher erwarten durfte. Dennoch sind das alles Attribute, die man von jedem Leistungsfußballer in eigentlich jedem Spiel einfordern darf. Und genau hier liegt die Schwierigkeit beim HSV 2018/2019, der sportlich nur die eine Konstanz hat: Unbeständig zu sein.

Allerdings gab es gestern einen entscheidenden Unterschied: Trainer Hannes Wolf hatte positionell umgestellt und dabei Mut gezeigt. Mit Douglas Santos auf der Sechs als zentralen Anspielpunkt neben dem angeschlagenen Orel Mangala (und hinter dem erneut indisponierten Gideon Jung) gelang ihm ein Volltreffer. Der Brasilianer war über die gesamten 90 Minuten stark. Dennoch habe ich Bakery Jatta zum Spieler des Spiels auserkoren, weil er mit seiner Aggressivität derjenige war, der die Phase des Spiels einläutete, über die wir im Anschluss alle lobend gesprochen haben. Sein Tor war das Ergebnis purer Willenskraft beim Ballgewinn gegen Kampl und anschließend  Entschlossenheit beim Abschluss. Also alles das, was wir in den letzten Wochen gerade offensiv so sehr vermisst haben. Dass Douglas Santos zentral im Mittelfeld den Ball streicheln und passen kann wie ansonsten vielleicht nur Aaron Hunt - ja! Auch das stimmt. Und Santos war stark. Aber bei dem Brasilianer erwarte ich das fast schon angesichts der bisher sehr konstanten Saison.

Aber genug zu der Diskussion, wer von den beiden Spieler des Spiels sein müsste. Am Sonntag steht schon das nächste Endspiel für den HSV an. Bei Union Berlin geht es gegen einen direkten Mitkonkurrenten darum, den zweiten Tabellenplatz zu verteidigen. Pflicht anstelle der glamourösen Pokal-Kür also. „Es wird anders gegen Union“, warnt Wolf, „von der Laufbereitschaft her haben wir gut dagegen gehalten und uns zurückgekämpft.“ Dennoch sei es jetzt vor allem wichtig, dass alle Spieler regenerieren. „Zwei Tage, dann sind alle wieder fit.“ Fit genug, um eine Leistung wie gegen Leipzig zu wiederholen? Wolf ist zumindest verhalten optimistisch, dass seine Mannschaft die positiven Aspekte des 1:3 mitnehmen kann: „Wir müssen die Leidenschaft wieder auf den Platz bringen und trotzdem fußballerisch Akzente setzen. Dass das möglich ist auch gegen gute Mannschaften, haben wir gestern gezeigt. Wenn wir schnell und sehr gut nach vorn spielen, können wir Chancen haben. Es gab viele gute Aktionen, die wir mitnehmen können. Auch spielerisch. Aber die Situation verändert sich mit jedem Gegner. Auch jetzt am Sonntag wieder. Leipzig hat sehr hoch verteidigt, Union wird anders.“ Da müssen man neue Mittel und Wege finden.

Auch personell dürfte es am Sonntag beim HSV Veränderungen geben. Aaron Hunt ist wieder fit und wurde zuletzt nur zweimal in der jeweils letzten Viertelstunde eingewechselt. Zusammen mit Santos könnte der Kapitän im Zentrum für das sorgen, was fehlte: Zündende Ideen, entscheidende Pässe - und Torgefahr. Ob Wolf sich vorstellen kann, erneut mit Santos im Zentrum UND mit Hunt davor zu spielen? „Das ist nicht ausgeschlossen“. so Wolf, „sie haben ja sonst auch zusammen gespielt, wenn beide fit waren. Wir spielen ja auch nie mit nur einem oder zwei Zentrumsspieler sondern haben da noch mehr Personal.“

Klingt nach einer offensiven Ausrichtung gegen Union - was mich freuen würde. Denn wenn mich das Spiel gestern etwas gelehrt hat, dann, dass die Dreierkette den HSCV deutlich flexibler macht, wenn man mit zwei funktionierenden Außen spielt. Bei Jatta war das der Fall. „Er hat gestern ein gutes Spiel gemacht. Er hatte auch neben dem Tor wahnsinnig gute Szenen gehabt“, freut sich Wolf über den Spieler im Kader, der zweifellos die größten Entwicklungsschritte aller HSVer gemacht hat. Wolf weiter: „Baka ist sehr wissbegierig, sehr professionell. Er hat die Bereitschaft und die Anlagen, was Hoffnung macht für die Zukunft. Es gibt keine Limits - aber ich will da kurzfristig denken und zusehen, dass Baka jetzt auf diesem Level bleibt.“ Deshalb sei die Regeneration so wichtig.

Und das gelte auch für Josha Vagnoman, der zugegebenermaßen noch nicht so aufgetreten ist, wie man es sich das von ihm erhoffen darf. Fast bezeichnend war dabei die Szene unmittelbar nach Wiederanpfiff, wo er über links durchbrach und den Ball am Ende mutlos vertändelte. Dennoch bringt Vagnoman ein Tempo und eine Körperlichkeit mit, die für die Außenbahn bei einem System mit Dreierkette prädestiniert ist - finde ich. Und dass er bei Gegnern wie Yussuf Poulsen, Timo Werner und Emil Forsberg nicht sofort alle und alles unter Kontrolle hat - logisch. Auch ihm muss man die Momente der Entwicklung zugestehen. Und ich hoffe, dass Wolf das in den nächsten Wochen häufiger macht, auch wenn ich tatsächlich davon ausgehe, dass am Sonntag wieder Sakai oder Santos anstelle Vagnomans beginnen.

 

Insgesamt hat Wolf rechtzeitig zum Schlussspurt in der Zweiten Liga fast alle Mann wieder an Bord. Auch Kyriakos Papadopoulos, der gestern mit Knieproblemen passen musste, stand heute wieder auf dem Platz. Er habe eine „Reaktion auf die Belastung im Knie“ verspürt und sei deshalb nicht im Kader gewesen, so Wolf, der sich über die große Auswahl freut: „Lieber so rum, als dass sich die Mannschaft von selbst aufstellt. Wenn du auf keine Schwankungen reagieren hast, ist das ein Problem. Das werden wir ganz genau betrachten, da wir auch wissen, was wir vor uns haben und worum es geht.“ Wichtiger als alles Gesagte ist allerdings, dass die Spieler auch wissen, worum es geht. Also auch die, die in Hamburg voraussichtlich nicht über die Saison hinaus bleiben. Bei Leo Lacroix hatte das zuletzt zu einer Leistungssteigerung geführt, bei Hee Chan Hwang leider nicht. Und egal wie oft Wolf dessen körperliche Fitness betont, bleibe ich dabei: Der Südkoreaner ist noch überhaupt nicht angekommen. Sobald er sich taktisch irgendwo einreihen muss, gibt es Probleme. Von daher wäre Hwang für mich weiterhin ein Neuner mit allen Freiheiten - und eben ohne allzu große Verantwortung. Er kann viel (an-)laufen, ist schnell und wuselig. Aber im Pass- und Kombinationsspiel ist er im HSV-Spiel ein Fremdkörper. Er ist - mit Ausnahme der Position ganz vorn - für mich weiterhin eher ein Handicap denn eine Verstärkung.

Problem hierbei: Auch Pierre Michel Lasogga offenbart gegen mitspielende Mannschaften seine Schwächen nur allzu deutlich und bietet sich immer wieder an, ersetzt zu werden. Fußballerisch ist es nicht weit her bei ihm, das ist bekannt. Lasogga wird auch nie ein Kombinationsspieler werden sondern wird immer für seine Abschlussstärke stehen. Aber Lasogga ist momentan auch weitgehend konkurrenzfrei. Angesprochen auf Fiete Arp schien Wolf heute wieder etwas positiver stimmt zu sein: „Die Wege sind kurz. Manu Wintzheimer hat es vorgemacht. Ich hoffe, dass die Jungs sich in gute Verfassung bringen und jetzt zum Ende hin dann voll da sind.“ gerade im Schlussspurt sei eine Stabilität - auch in Sachen Nervenkostüm wichtig. Wie wichtig der Kopf werde? „Vertrauen, Selbstvertrauen ist total wichtig. Das holt man sich im Training, über Gespräche, aber vor allem auch im Spiel. Mit dem 1:1 gestern ist das Gefühl entstanden, wir können es. Das kriegst du nicht geschenkt, das kannst du dir wieder kaputtmachen. Am Ende ist es doch wieder ganz viel Fußball.“

Vielleicht auch wieder in Berlin, wo der Fußball auf dem Platz wie auf den Rängen der alten Försterei noch sehr pur und immer wieder auch besonders emotional gelebt wird. Die Berliner haben zuletzt ergebnistechnisch zwar ebenfalls geschwächelt, demonstrieren aber gerade in ihren Heimspielen immer wieder den Willen und die Leidenschaft, die auch Wolf gern von seiner Mannschaft sehen würde. Was für ein Spiel Wolf erwartet? „Union wird nach vorn spielen. Mit langen Bällen, aber auch im Dribbling. Es ist ein großes Spiel auf Augenhöhe.“ und eines, in dem einzelne Szenen entscheiden können - zum Beispiel Standards.

Der Wert des Sky-Reporters, dass der HSV in Köln seinen 18. Gegentreffer nach Standards kassiert hätte, wurde nicht bestätigt. Aber dennoch war es gerade in den letzten drei Spielen auffällig, dass der HSV bei Standards und Flanken in den Sechzehner immer wieder Probleme hat. Ob diese Schwäche eine besondere Rolle bei den Trainingsplanungen spielen würde? „Klar“, sagt Wolf und nickt, „das ist immer ein Thema. Wir trainieren das wöchentlich.“ Wie er der Schwäche Einhalt gebieten will? „Standards vermeiden wäre gut. Wir hatten ja in dieser Saison auch eine Phase, wo wir das gut verhindert haben. Jetzt haben wir leider wieder ein paar bekommen.“

Erhalten hat der HSV auch die Lizenz der DFL für die kommende Saison- Ohne Auflagen und Bedingungen. Und heute wurde dann verkündet, was seit Montag bereits feststand: Klaus Michael Kühne wird auch weiterhin das Namensrecht „Volksparkstadion“ bezahlen. Am Nachmittag heute wurde es offiziell über die HSV-Website kommuniziert. Der Wortlaut:

 

HSV UND KÜHNE TREFFEN NEUE VEREINBARUNG

DIE ROTHOSEN SPIELEN AUCH IN ZUKUNFT IM VOLKSPARKSTADION. HSV E.V. UND KLAUS-MICHAEL KÜHNE BEKRÄFTIGEN GEMEINSAME ZIELSETZUNG. BERND HOFFMANN: "WIR HABEN EINEN WEITEREN WICHTIGEN SCHRITT GEMACHT, UM DEN HSV FÜR DIE ZUKUNFT AUFZUSTELLEN."

Der HSV und Klaus-Michael Kühne setzen ihren gemeinsamen Weg mit einer neuen Vereinbarung fort. Darauf verständigte sich die Clubführung mit dem Gesellschafter. "Wir freuen uns, dass Herr Kühne dem HSV weiterhin so treu zur Seite stehen wird und unserem Verein sowie den Fans den beliebten Stadionnamen erhält", sagt der Vorstandsvorsitzende Bernd Hoffmann. Kühne verlängert das Stadionnamensrecht um ein weiteres Jahr und erhält damit auch den Namen "Volksparkstadion". Im Rahmen der Vereinbarung wurden außerdem bestehende Darlehensvereinbarungen mit dem Unternehmer angepasst und mit einer Einmalzahlung final erledigt. Über weitere Inhalte vereinbarten beide Seiten Stillschweigen.

Auch Vereinspräsident Marcell Jansen zeigt sich mit den neuen Absprachen sehr zufrieden. "Die Gespräche waren stets von der gemeinsamen Motivation geprägt, ein Ergebnis im Sinne der Raute zu erzielen. Ich bin froh, dass wir weitere erfolgsfördernde Rahmenbedingungen mit diesem Schulterschluss schaffen", sagt er. Markus Frömming soll bei der nächsten Hauptversammlung als Vertreter des zweitgrößten HSV-Gesellschafters in den Aufsichtsrat gewählt werden. "Ich freue mich sehr darüber, weil wir damit weitere wertvolle Kompetenzen in unser Kontrollgremium bekommen werden", so Jansen. Frömming wurde vom Beirat bereits als Kandidat für einen Aufsichtsratsposten bestätigt.

Klaus-Michael Kühne bewertet die Ergebnisse der jüngsten Treffen ebenfalls positiv: "Auch wenn dem HSV schon seit vielen Jahren der sportliche Erfolg versagt blieb, möchte ich unverändert Beiträge leisten, um die finanziellen Voraussetzungen für die Rückkehr in die 1. Bundesliga zu schaffen. Mein Wunsch ist es, dass der HSV eines Tages wieder Anwärter auf einen Spitzenplatz in der Ligatabelle sein sollte. Die Bedeutung Hamburgs als Wirtschafts-, Kultur- und Sportmetropole rechtfertigt das Engagement für ihren größten Fußballclub. Ich freue mich auf die enge Zusammenarbeit mit dem HSV e.V. und der Fußball AG. Wir hatten zuletzt gute Gespräche als Voraussetzung für ein vertrauensvolles Miteinander."

Die zuletzt öffentlich diskutierte Möglichkeit einer weiteren Anteilsveräußerung der HSV Fußball AG bleibt – das bekräftigten alle Parteien - weiteren Untersuchungen und Gesprächen sowie der Zustimmung aller Beteiligten inklusive der Mitgliederversammlung des e.V. vorbehalten.

Der HSV macht damit den ersten von noch sehr vielen notwendigen Schritten in die richtige Richtung. Rund drei Millionen Euro netto bleiben dem HSV  vom Verkauf des Stadionnamens, dessen Laufzeit zunächst auf ein Jahr beschränkt ist. Zudem wird im letzten Absatz der Pressemitteilung noch mal deutlich gemacht, dass das Thema weiterer Anteilsverkäufe längst nicht vom Tisch ist. Allerdings soll bei der nächsten Hauptversammlung der HSV-Anteilseigner das Mitgliedervotum in die Satzung übernommen werden. „Damit stellen wir alles einmal auf Null“, so Vorstandsboss Bernd Hoffmann, der sich erfreut zeigte, endlich die Form der Autonomie für den HSV hergestellt zu haben, die man vor Monaten als Ziel ausgegeben hatte. Er wisse zwar, dass man noch vor einigen Jahren der Enthaltsamkeit stehen würde. Allerdings sei man Herr seines Handelns. Allein das ist schon mehr, als man in den letzten Jahren hier hatte.

In diesem Sinne, bis  morgen. da meldet sich dann Tobias Escher mit seiner Taktikanalyse bei Euch, die angesichts der vielen Wechsel im Pokalspiel sehr interessant sein wird. Ich freue mich darauf zumindest ebenso, wie darauf, Tobi und Nils am Sonntag auf unserer „Auswärtscouch“ begrüßen zu dürfen. Aber mehr zu unserem neuen Format in den nächsten Tagen an dieser Stelle!

Bis morgen

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