Marcus Scholz

19. August 2018

Es ist ja bekannt, dass im Nachhinein alle alles besser wissen. Einige davon schreiben es auch jedes mal – SELBSVERSTÄNDLICH erst im Nachhinein - auf und denken tatsächlich, sie verstünden etwas von Fußball. Dazu werden noch ein paar völlig aus dem Zusammenhang gerissene Zitate herbeigezogen und fertig ist das Bild. Leugnen, falsche Zusammenhänge für ebenso falsche Behauptungen herbeiziehen. Und die, die andere Meinungen vertreten, lügen eh. Immer. Man schreibt selbst dann Falsches,  wenn man es eigentlich besser weiß. Es geht nur noch darum, zu kritisieren – nicht um Inhalte. Bitter. Vor allem für eben diejenigen selbst, die so arbeiten.

„Peinlich“ wird der Auftritt des HSV gegen Erndtebrück von einigen wenigen bezeichnet. Weil man gegen einen Fünftligisten nur 5:3 gewonnen hat. Kann man auch so sehen – muss man aber nicht. Der „Presse“ wird gern und oft Schwarz-Weiß-Denken angelastet. Oft leider auch zurecht. Diesmal muss ich das allerdings mal umdrehen und denjenigen vorhalten, die meiner Meinung nach respektlos einem Fünftligisten die Mittel und Möglichkeiten absprechen, einem Zweitligisten gefährlich zu werden. Zumal dann, wenn dieser Zweitligist gerade dabei ist, eine neue Mannschaft zusammenzustellen.

Womit ich zu dem komme, was ich als Lehre aus diesem Spiel ziehe: Dieser HSV ist definitiv noch zu fragil, um wirklich bedenkenlos in die Zweite Liga gehen zu können. Und genau diese Bedenken gilt es auszumerzen. Mit Training. Und  mit taktischen Überlegungen. Denn noch immer hat man nicht die Balance zwischen dem ebenso mutigen wie letztlich auch riskanten Offensivspiel gefunden. Wobei: Tom Mickel als mitspielender Torwart bringt sicher ein höheres Maß fußballerischer Qualität mit. Und das ist auch nach dem bitteren Fehler gestern, wo er einen Gegenspieler schlichtweg übersah. „Abgesehen von der einen Szene war das sehr ordentlich von Tom“, lobte Trainer Christian Titz seine Nummer zwei im Tor. Dass Mickel weiterhin Pokaltorhüter bleibt, ist eher unwahrscheinlich. „Tom hatte gut trainiert und Julian war ein wenig angeschlagen“, so Titz, „da passte es gut, Tom auch ein wenig Spielpraxis zu geben.“

Dennoch stimmte es defensiv gestern nicht. Insgesamt nicht. Rick van Drongelen und Stephan Ambrosius spielten dabei das erste Mal in einem Pflichtspiel überhaupt zusammen. Das allein ist aber zu kompensieren. Zumal gegen einen Fünftligisten, wobei dieser in vorderster Front meiner Meinung nach wirklich einen unangenehmen Brocken namens Lukas Rösch hatte. Dennoch, wenn ich sehe, wie unaufmerksam ein Gotoku Sakai beim 0:1 gut 20 Meter von seinem Gegenspieler entfernt steht und wie frei Erndtebrück bei 3:4 einnicken konnte – dann muss das in der anstehenden Trainingswoche Thema sein. Dass Tobias Knost, der von der Spielveranlagung her dem Spielertypen ähnelt, den Titz gerade mit Dennis Diekmeier weggeschickt hat, nicht besser als Sakai ist, dürfte vor allem Josha Vagnoman freuen, der für mich als Außenverteidiger das Pendant zu Santos ist.

Wobei, apropos Santos: Den Brasilianer abzugeben könnte den HSV viel kosten. Viel Geld einbringen, okay – aber angesichts der fehlenden Alternativen muss Sportvorstand Ralf Becker hier schon sehr gut vorgearbeitet haben. Denn das Spiel gestern zeigte noch einmal deutlich, dass Santos neben seinen defensiven Qualitäten auch im Offensivspiel immer wieder der Antreiber war. Neben Mangala und einem bis zur 60. Minute gut spielenden Vasilije Janjicic sowie Lewis Holtby bis zur 30 Minute ca. Holtby war gestern sehr aktiv, bis er einen Schlag auf den Knöchel bekam und offenbar leicht angeschlagen weiterspielte. Falscher Ehrgeiz, dass er bis zum Schluss weiterspielte, glaube ich.

Aber gut, letztlich ist der HSV eine Runde weitergekommen. Darum ging es hauptsächlich. In einem wenig mit der Liga vergleichbaren Spiel gegen einen Fünftligisten. Daher verbietet es sich, alles schlecht zu reden. Aber es ist ganz sicher auch kein Grund zum Feiern. „Uns hat die Nachhaltigkeit gefehlt. Du führst 2:0 und machst plötzlich ein bisschen weniger. Da hatten wir die Kontrolle, aber nicht wie zu Beginn, das wir uns Chancen herausgespielt haben. Und dann haben wir es uns mit den Gegentoren schwer gemacht“, analysierte Christian Titz nach dem Spiel.

Der Trainer war nicht zufrieden. Außer mit dem Weiterkommen an sich und seinen Einwechselspielern – allen voran Pierre Michel Lasogga. „Zwei Stürmer haben gespielt – beide haben getroffen“, so der Trainer zum Konkurrenzkampf zwischen dem eingewechselten Lasogga und dem für ihn ausgewechselten Fiete Arp, „so wünscht sich das ein Trainer. Aber es sind zwei unterschiedliche Spielertypen für unterschiedliche Spielweisen. Und beide haben das gezeigt, was wir von ihnen sehen wollten. Beide haben getroffen - und Pierre hat damit zudem das Spiel für uns entschieden.“ Klingt alles nach einem relativ offenen Kampf um den Startplatz in acht Tagen gegen Bielefeld.

Lasogga selbst war natürlich zufrieden. „Als ich das 2:2 gesehen habe, wollte ich das Spiel unbedingt drehen und in 90 Minuten beenden. Deshalb habe ich schon alles reingelegt heute“, so der Angreifer über seine ersten beiden Pflichtspieltore für den HSV seit seiner Rückkehr aus England. „Das tut immer gut, gerade für einen Stürmer. Daran will ich anknüpfen. Das war heute wie ein Dosenöffner. Einer, der richtig guttut“, so Lasogga, der in England bei Leeds eine Entwicklung genommen hat, die er selbst als sehr positiv sieht. Trotzdem er zunächst nur Ersatz war.

Was er aus England mitgebracht hat? „Da war alles noch deutlich körperlicher. Das muss ich mir fast schon ein wenig abgewöhnen, weil sonst alles gegen mich gepfiffen wird. Aber insgesamt war das für mein Spiel sicher ganz gut.“ Auch Titz sah das so und erklärte Lasoggas Einwechslung damit, dass sich Erndtebrück noch tiefer in die eigene Hälfte gestellt hatte. Mit Lasogga wollte man das etwas aufbrechen. Und das sei gut gelungen. „Das war sicher eine richtig gute Einwechslung“, so Sportvorstand Ralf Becker.

Ihre Plätze in der Startelf sicher haben indes zwei Neue: Orel Mangala und Khaled Narey. Verdientermaßen, denn beide überzeugen bislang. Mangala machte im defensiven Zentrum sowohl gegen Sandhasen als auch gegen Erndtebrück einen richtig guten Eindruck. „Er ist enorm präsent und dominant aufgetreten“, lobte Titz. Und das stimmt. Ebenso muss man einfach festhalten, dass Narey mit seinem Tempo und seinem Zug zum Tor das macht, was man zuletzt von Nicolai Müller gesehen hat. Er bereitet Tore vor und ist selbst sehr torgefährlich. Er ist allemal deutlich effektiver als Tatsuya Ito auf der anderen Seite, der spektakulären Dribblings noch immer deutlich zu selten gute Abschlüsse bzw. Torvorlagen folgen lässt. Und das übrigens im Training wie in den Spielen.

In diesem Sonne, trainiert wird das nächste Mal am Dienstag. Dann kehrt auch Aaron Hunt wieder ins Team zurück. Wir melden uns allerdings morgen schon wieder bei Euch. Bis dahin!

Scholle

FAQs

 
 

Über uns

Die Rautenperle - das ist ein Team aus jungen Medienschaffenden und Sportjournalisten mit großer Affinität zum HSV. Wir sind 24/7 bei den Rothosen am Ball und produzieren frischen Content für Rautenliebhaber.

Unser Ziel ist es, moderne, unabhängige Berichterstattung und attraktiven, journalistischen Content für junge und jung gebliebene HSV-Anhänger zu bieten. Wichtig ist uns dabei, eine neue Art des Sportjournalismus zu präsentieren: dynamisch, zeitgemäß, zielgruppengerecht. Weg von verstaubten Zeitungsspalten und immergleichen Phrasen.

Die Rautenperle ist aber nicht nur ein Ort, um sich zu informieren, sondern soll auch immer ein Ort des Austausches und des Miteinanders sein. Wir wollen eurer Leidenschaft einen Platz im Netz bieten: zum Diskutieren, zum Mitfiebern, zum Mitmachen.