Marcus Scholz

11. Januar 2019

 

Organisatorisch ist eine solche Veranstaltung immer auch ein Ritt auf der Rasierklinge. Binnen weniger Tage eine Premiere wie die gestrige Rautenperle-Debatte mit den drei Präsidentschaftskandidaten aufzuziehen - das bedarf am Ende vieler Helfer, auch wenn diese so nie zu sehen und zu hören waren. Angefangen bei unserem Kevin, der sich um die grafische Umsetzung gekümmert hat, der letztlich sogar als Regisseur im Studio einer der Taktgeber war. Und das umgeben von den Zuschauern, bei denen wir uns zahlentechnisch ein wenig verschätzt hatten und uns an dieser Stelle noch mal bei all denen entschuldigen wollen, denen wir absagen mussten. Letztlich hätten wir einen Teil derer, denen wir abgesagt hatten, doch noch unterbringen können - aber das wissen wir jetzt für das nächste Mal.

Und das wird kommen!

Vielen Dank an dieser Stelle auch noch mal an die Kollegen von Hamburg1, die als Kooperationspartner kurz vor knapp von unserer Idee informiert worden sind und spontan zugesagt haben. Redaktionsleiter Tim Niemeyer war hierbei nicht nur als Moderator an meiner Seite, sondern hat sich auch in der Organisation hervorgetan. Aber, und das ist mir ganz wichtig, weil ich es gestern in der Abmoderation vergessen habe: An dieser Stelle auch noch einmal ein ganz großes Dankeschön an die Kameraleute und natürlich auch an Janik Jungk, der gestern als Sidekick die Zahlen in der Sendung präsentierte. Zusammengefasst kann ich sagen, dass es eine ganz neue Herausforderung und eine gute Erfahrung war. Und wir sind uns seitdem sicher, dass es hier eine Fortsetzung geben wird - nein, gern muss. Dann gern auch mit etwas mehr Vorlauf als nur drei Wochen, die auch noch von Feiertagen durchkreuzt waren…

Nicht vergessen möchte ich natürlich, mich auch noch einmal bei den drei Kandidaten - Ralph Hartmann, Marcell Jansen und Jürgen Hunke - zu bedanken. Womit ich beim Thema bin. denn einige hier haben geschrieben, ich solle mich endlich klar zu einem Kandidaten positionieren. Warum das so sein soll - ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Denn ich glaube nicht, dass ich hier bin, um eine Wahlempfehlung auszusprechen. Oder besser gesagt: Ich kann es auch gar nicht, da ich mich selbst noch gar nicht festlegen konnte. Warum? Weil mir alle drei Kandidaten zusagen - aber jeder eben auch nur nur zu einem Teil. Alle drei mit ihren Vorteilen in einer Person vereint - da würde ich ganz deutlich und ausdrücklich „ja“ sagen.

Aber zurück zur bevorstehenden Wahl. Fakt ist: Stand heute ist Marcell Jansen der absolut große Favorit. Und das meine ich nicht, weil in unserer und anderen Umfragen die Prozentzahlen so eindeutig waren/sind. Vielmehr ist es auch die Stimmungslage, die ich bei den HSV-Mitgliedern ausgemacht habe, die ich so in meinem Umfeld habe und kenne. Auf die Frage, warum sie Jansen wählen würden, wurde mir immer wieder der Sympathiefaktor genannt. Zudem ist Jansen jung, er hat einen sehr positiven Auftritt und eine hohe Identifikation mit dem HSV. Inhaltlich ist der Ex-Profi für die meisten dagegen noch schwer zu greifen. Aber das hat er mit den beiden anderen Kandidaten gemein. Jansen hält sich die Kernthemen - abgesehen von dem Antrag auf mehr politisches Wirken des HSV e.V. - bislang noch offen. Dafür betont der Ex-Nationalspieler immer wieder, dass der Verein enger mit der AG verknüpft sein muss, dass mehr Zusammenhalt her müsse und dass der Mangel an sportlicher Kompetenz in den letzten Jahren zur finanziellen Krisensituation von heute geführt hätte. Und in diesem Punkt kann ich Jansen nur bedingt folgen. Eher sogar nicht.

 

Denn was dem HSV in den letzten Jahren vor allem gefehlt hat, ist eine unabhängige Kontrolle der Ausgaben. Also ein unabhängiges, fähiges Kontrollgremium. Es wurde seit Jahren mit Millionen  um sich geschmissen. Immer wiedermit der Aussage: Dieser Einkauf ist es dann wirklich, der uns wieder nach vorn bringt. Van der Vaarts Rückholaktion, Valon Behrami, Alen Halilovic, Filip Kostic - um nur einige (und auf einen Schlag rund 40 Millionen Euro Transferausgaben) zu nennen, zeigen, was hier beim HSV möglich war. Weil es eben keine Kontrolle gab.

Hoffmann in seiner ersten Amtszeit, Jarchow, Beiersdorfer, Bruchhagen - allesamt hatten sie als Vorstandsvorsitzende nahezu freie Fahrt, unkontrolliert Geld auszugeben. Es konnten sogar Fan-Anleihen aufgesetzt und durch einen Winkelzug im Kleingedruckten zweckentfremdet werden. Es wurden (das war allerdings auch schon vorher bei Hoffmann der Fall) Millionenausgaben auf die nächsten Jahre verteilt, wodurch der jeweils für das Jahr als Ausgabe zu buchende Betrag kleingehalten wurde - aber die Kosten blieben und  dem HSV in den Jahren darauf auf die Füße fielen und noch immer fallen. Eben genau so wie die Fan-Anleihe über 17,5 Millionen Euro, die dieses Jahr (nach sieben Jahren) zurückgezahlt werden muss - und noch nicht gedeckt ist.

Letztlich hat Jansen natürlich Recht, wenn er sagt, dass der HSV durch sportlich falsche Entscheidungen zig Millionen verloren/verprasst hat. Andererseits hier mehr sportliche Expertise zu Lasten wirtschaftlicher Expertise im Aufsichtsrat als Lösung zu sehen, halte ich für diskutabel. Vielmehr muss es eine ordentliche, funktionierende Kontrollfunktion geben - und die wiederum darf in keiner Weise verbandelt sein mit den führenden Personen im e.V. - und in der AG. Abgesehen natürlich davon, dass der e.V-Präsident drinsitzt.

Aber kommen wir zum zweiten Kandidaten: Jürgen Hunke. Der ehemalige HSV-Präsident gilt als nahezu aussichtslos bei der Wahl am 19. Januar, wenn man ersten Umfragen und Stimmungslagen glauben darf. Und das hat nicht nur inhaltliche Gründe sondern zweifellos auch persönliche. Denn Hunke polarisiert. Er sagt, er mache das ganz bewusst - nur positiv auszahlen tut sich das nicht. Abgesehen von der Tatsache, dass Hunke die sich ihm bietende Bühne nutzt, um auf Missstände hinzuweisen, die er erkannt haben will. Und damit liegt er sicher auch nicht immer falsch. Problem: Seine Verschwörungstheorien („Das ist alles nur eine Inszenierung, um einen weiteren Anteilsverkauf vorzubereiten“) kann er nicht belegen.

Okay, Hunke sagt immer geraderaus, was er denkt. Und das ist ja auch grundsätzlich eine gute Eigenschaft für jemanden, der wie der Vereinspräsident die AG auch mit kontrollieren soll. Denn Hunke macht wirklich vor nichts und niemandem Halt. Er kritisiert, wenn er kritisieren muss. Er prangert völlig zurecht an, dass sich der HSV in den letzten Jahren von seinen Spitzenfunktionären hat vorführen lassen. Denn die Funktionäre, die den HSV in diese wirtschaftliche Situation getrieben haben, konnten am Ende mit horrenden Gehältern und Abfindungen gehen. Und hier muss der HSV zweifellos ansetzen - womit wir wieder bei der Kontrollfunktion wären.

Aber der wohl schillerndste Kandidat steht sich mit eben dieser immer direkten (und oft unüberlegt wirkenden) Art selbst im Weg. Dass er davor warnt, man müsse den e.V. vor einer drohenden Insolvenz der AG schützen, ist - mal abgesehen von der Wortwahl - vom Sinn her absolut korrekt. Und im Sinne aller (Kandidaten). Problem: Es kommt von ihm. Und Hunke ist sich selbst mit seiner streitbaren Art der größte Gegner. Womit wir zu Kandidat Nummer drei überleiten. Denn auch Ralph Hartmann ist noch nicht wirklich für jede Wählerin und jeden Wähler greifbar. Der  bislang relativ zurückhaltende ehemalige Schatzmeister des e.V. will nicht der Mann der Mitte sein - er ist es aber im Auftreten immer wieder.

In der Debatte war er es, der immer wieder die Meinungen der Kollegen zusammenfasste und „versachlichte“, wie er die Bildung von Kompromissen und das Herausarbeiten von Schnittmengen in den Meinungen der Kandidaten nannte. Hartmann ist fachlich orientiert, gilt als Stimme der Vernunft - aber das scheint vielen Wählerinnen und Wählern zu wenig zu sein. Was fehlte war auch hier der konkrete Ansatz kurz gefasst, wie er sein Kernvorhaben umsetzen wolle. Denn Hartmann sagte nicht nur gestern deutlich, dass es ihm darum gehen würde, die aktuellen Zahlen mit dem Vorstand zusammen aufarbeiten zu wollen. Eine klare Bestandsaufnahme solle her. Und er wolle - wie alle Kandidaten - seine Aufsichtsfunktion als Vertreter des Hauptanteilseigners deutlich forcieren.

Das klingt gut - es sagt aber wenigen, was das genau bedeutet und für den HSV in Zukunft bedeuten wird. Ergo: Hartmann fehlt der Glamour- und Sympathiefaktor Jansens sowie die Lautstärke im Auftritt eines Jürgen Hunkes. Und das, obwohl er in einer Phase wie jetzt große Chancen haben könnte, bei den Mitgliedern als Stimme der Vernunft und des Sachverstandes wahrgenommen zu werden.

Mein Fazit: Die Wahl hat drei Kandidaten, die mich bislang noch nicht wirklich überzeugt haben. Jeder einzelne hat die Qualitäten für den Posten - aber davon habe ich mich vor allem in persönlichen Gesprächen überzeugen können. Und jeder Kandidat hat Mängel. Nehme ich nur das, was öffentlich herauskommt, ergibt es für mich bislang folgendes Bild: Jansen ist der massenkompatible, als Ex-Profi vielen sympathische, harmonierend junge und unverbrauchte Kandidat mit akuter Nähe zum Vorstandsboss Bernd Hoffmann. Hunke ist der extrovertierte, streitbare und egozentrisch agierende Kritiker, dem sein Sympathiefaktor egal zu sein scheint. Sein Auftritt ist vielen einfach zu krass. Und er hat sich durch etliche Diskussionen in den letzten Jahren bei Teilen der Stammgäste auf Mitgliederversammlungen schon verbraucht, während Hartmann fast das Gegenteil zu sein scheint. Denn Hartmann ist vielen zu zurückhaltend im Auftreten. Er ist vergleichsweise blass geblieben zwischen den glamourösen Kandidaten Jansen und Hunke.

Aber das alles kann sich bei allen Dreien noch drehen. Immerhin haben alle drei Kandidaten noch eine Woche bis zur Wahl des Präsidenten Zeit, um sich öffentlich zu präsentieren. Zudem ja noch am Wahltag selbst, der zweifelsfrei ergebnisoffener ist als die bisherigen Umfragen. Denn entscheidend ist nicht die breite Masse aller HSV-Fans bundesweit - sondern nur, wer seine Befürworter am besten mobilisieren konnte, zur Wahl zu kommen.

Soll heißen: Selbst wenn Hunke nur 500 Befürworter unter den 85.000 Wahlberechtigten hätte - und bei den Umfragen durften ALLE HSV-Interessierten abstimmen -, hat er beste Chancen, gewählt zu werden. Selbst dann wenn, die anderen 84.500 Wahlberechtigten für einen der anderen beiden Kandidaten wären, aber eben nicht zu Wahl kommen (können). Und auf die Frage, wen ich wählen würde: Ich wüsste es aktuell nicht. Aktuell würde ich im Ausschlussverfahren urteilen müssen. Und das ist bei einem derart wichtigen Amt nicht gut. Ebenfalls nicht gut ist die Nachricht, dass Aaron Hunt wie im Sommer auch jetzt in der Wintervorbereitung länger ausfällt. Ein Faszienriss im rechten Oberschenkel stoppt den Kapitän, der deshalb sogar gar nicht erst mit nach La Manga reisen wird.

Besser ist dagegen, was ich von der Rautenperle berichten kann. Denn neben dem Umstand, dass Ihr die Rautenperle-Debatte mit den drei Kandidaten auch als Podcast (s. oben) nachhören könnt, wird Kevin morgen ebenfalls mit nach La Manga reisen. Zusammen werden wir neben den täglich aktuellsten Neuigkeiten im Schriftblog versuchen, Euch vor allem auch visuell aus der Ferne am Trainingslager teilhaben zu lassen.

In diesem Sinne, bis morgen! Da geht es um 10 Uhr zunächst gen Frankfurt und dann weiter gen Alicante. Ankunft im Hotel soll gegen 18 Uhr sein, weshalb wir uns wahrscheinlich erst am späteren Abend melden können. Bis morgen! Und natürlich auch hier noch einmal ganz herzlichen Dank für die vielen netten, lobenden sowie die konstruktiv kritischen Nachrichten nach der gestrigen Debatte. Wir haben uns wirklich sehr darüber gefreut!

Scholle

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