Marcus Scholz

25. April 2018

Und plötzlich wird wieder diskutiert. Ist Holtby einer, der dem HSV helfen kann? Immerhin macht er es aktuell. ER trifft sogar und gilt als der verlängerte Arm des Trainers, den viele für seine neuen Methoden und Taktiken feiern. Dass Holtby zuvor dreieinhalb Jahre lang nahezu wirkungslos bis aussortiert war – vergessen. Denn bis vor kurzem hat der Linksfuß den HSV sehr viel Geld gekostet. 7,5 Millionen Euro Ablösesumme zuzüglich rund 3,5 Millionen Euro Festgehalt per annum – das macht bis Saisonende 21,5 Millionen Euro für 104 Pflichtspiele mit einem Schnitt von 1,06 Punkten. Eine miese Bilanz – zugegeben. Aber sie ist auch jetzt völlig für den Allerwertesten. Denn Holtby funktioniert jetzt. Sehr gut sogar. Vier seiner insgesamt acht Tore hat er in dieser Saison geschossen – drei davon unter Titz. „Er hat lange Zeit nicht so funktioniert, wie wir uns das vorgestellt haben“, so Vorstandsboss Frank Wettstein, „aber jetzt ist eine Stütze.“

Was ich damit sagen will?

Dass es völlig egal ist, wie ein Spieler lange Zeit gespielt hat, wenn man grundsätzlich an seine Fähigkeiten glaubt. Der Tenor hier wie in den meisten anderen Foren ist dabei eindeutig: Holtby muss weg. Endlich weg. Er hatte lange genug seine Chance, sagen die meisten. Und es stimmt auch: Über einen langen Zeitraum erkennt man allemal, ob ein Spieler der Mannschaft grundsätzlich helfen kann. Und nein, Holtby hat nicht so geholfen, wie man es sich von ihm erhofft hatte.

Wobei man in dieser Diskussion immer mit einbeziehen muss, dass über Holtby in jeder Diskussion das von Dietmar Beiersdorfer außergewöhnlich großzügig ausgestaltete Jahresgehalt schwebte. „Der absolute Topverdiener“ war Holtby in seiner HSV-Zeit. Und sportlich konnte er diesem Anspruch noch weniger gerecht werden, als dem eigenen. Das sagte Holtby zuletzt selbst sogar. Zudem war Holtby ob seiner Art nicht unumstritten. Er feierte die vergleichsweise wenigen guten Szenen immer etwas zu auffällig, womit ich auf das wirklich enervierende Anfeuern anspreche, wenn er mit wedelnden Armen die einzig Erstklassigen des HSV aufruft, mehr zu machen: die Fans. Kurzum: Es schwangen und schwingen in allen Diskussionen um Holtby immer auch Dinge mit, die mit seiner fußballerischen Qualität an sich gar nicht viel zu tun hatten und haben. Und für die er – wie bei dem absurden Gehalt – noch nicht einmal selbst etwas konnte.

Und ich behaupte heute: Diese Diskussion um Holtby ist nur ein gutes Beispiel für alle Diskussionen um neue Spieler. Und die müssen heruntergebrochen werden auf zwei Fragen:

  1. Kann er dem HSV mit seinen Qualitäten in den nächsten Jahren entscheidend helfen?

  2. Kann sich der HSV diese Hilfe finanziell leisten?

Beide Fragen müssen mit ja beantwortet werden können, um überhaupt über eine Vertragsverlängerung nachzudenken. Aber noch wichtiger ist, dass geklärt sein muss, wer sportlich in Hamburg das Sagen hat. Sowohl auf dem Posten des Sportchefs als auch auf dem Trainerposten. Wie wichtig das ist, zeigt dabei nicht allein die Personalie Holtby, der unter Titz funktioniert. Vielmehr gibt es auch andere Namen wie zum Beispiel Douglas Santos. Der wurde von Beiersdorfer teuer geholt und setzte sich zunächst durch. Bei Bruno Labbadia war Santos gesetzt – zunächst auch unter dessen Nachfolger Markus Gisdol. Mit Beginn der Rückrunde 2016/2017 war damit Schluss. Gisdol setzte nicht mehr auf den Brasilianer. Letztlich gipfelte das in der Diskussion, Santos nach Eindhoven abzugeben...

Den Mann, der beim HSV in dieser Saison zum besten Spieler avanciert und als Linksverteidiger sogar zu den besten der Liga zählt – wie ich finde. Ich hatte mit einigen Kollegen und auch im privaten Kreis viele Gespräche über Santos. Und der Tenor war eigentlich immer, dass Santos ein Glücksfall für den HSV ist und dass man ihm noch deutlich höhere Aufgaben zutrauen würde. Auch der aktuelle Trainer sowie der verblieben Vorstand Frank Wettstein sehen Santos als große Verstärkung an. Wobei Wettstein auch in dem Vorstand saß, der bereit war, Santos abzugeben. So schnell kann sich das Blatt drehen.

Was diese Diskussion aber wieder einmal deutlich macht, ist, dass dieser HSV endlich eine klare Struktur braucht, die unabhängig von den Launen einzelner Trainer ist. Der HSV muss zusehen, einen Vorstands Sport oder auch einen Geschäftsführer Sport einzustellen, der eine langfristig angelegte Philosophie durchsetzt und hierzu in Absprache mit dem zur Philosophie passenden Trainer (nicht andersrum!!) die Spieler holt. Wobei auch klar sein muss, dass in letzter Instanz nicht der Trainer entscheidet, wie einst bei Kerem Demirbay, den Labbadia partout nicht mehr wollte oder wie zuletzt bei Michael Gregoritsch, den Gisdol ebenso als ungeeignet ansah wie später auch Santos.

Diese Fehler, die diese beiden Trainer nicht exklusiv haben sondern die tatsächlich immer wieder passieren, kann man vielleicht nicht gänzlich ausschließen – aber man kann sie minimieren, wenn man eine klare Philosophie hat, nach der man arbeitet. Soll heißen: Der HSV gibt gibt die Philosophie vor und der Trainer muss dazu passen. Niemals mehr andersherum.

Aber nicht nur deshalb ist der neue starke Mann, nämlich der noch zu bestimmende Sportchef oder Sportvorstand so wichtig. Vielmehr ist man aktuell wieder in der Situation, dass der Trainer der einzige Ansprechpartner mit sportlicher Kompetenz ist, um den neuen Kader zu planen. Und Titz wird gefragt. Aber Titz ist hier als Trainer noch lange nicht gesetzt. Und jetzt stellt Euch mal vor, Titz setzt sich für einen Verbleib von seinem aktuell zweifellos leistungsstarken Lewis Holtby ein, muss dann gehen und dessen Trainernachfolger steht nicht auf Holtbys Art. Dann wäre dieser – obgleich zu deutlich geringeren Bezügen, da alles andere als ausgeschlossen gilt – der nächste „Fehleinkauf“.

Nun soll das hier bitte keinesfalls als Appell für eine Weiterverpflichtung Holtbys verstanden werden. Mir geht es einzig darum, aufzuzeigen, wo die größte Falle bei der Kaderplanung liegt. Denn gerade jetzt, gestern, heute, und auch morgen werden die Kaderplanungen für die neue Saison vorangetrieben. Mit einem Johannes Spors als Chefscout und einem Direktor Sport Bernhard Peters, die neben ihren Posten sowas wie den Interimssportvorstand mimen. Sie stimmen sich dazu auch noch mit einem Trainer ab, der zwar sehr klare Vorstellungen hat – der aber noch lange nicht der Trainer der nächsten Jahre ist. Dementsprechend entscheiden gerade drei Personen, die allesamt schon in ein paar Wochen wieder in die zweite Reihe gerückt worden sein können und plötzlich wenig (Spors) oder nichts mehr mit dem Tagesgeschäft Bundesliga beim HSV zu tun haben.

Und dieser Zustand trägt ein unnötig hohes Fehlerpotenzial in sich. Hier gilt es, entgegen aller Bekundungen schnellstmöglich eine Lösung herbeizuführen. Ohne Hektik, ganz klar. Es soll ja DIE richtige Entscheidung getroffen werden, die den HSV die nächsten Jahre prägt. Aber angesichts der nunmehr zweieinhalb Monate anhaltenden Suche mag ich eine Entscheidung auch nicht mehr als überstürzt empfinden. IM Gegenteil.

In diesem Sinne, bis morgen. Da wird unter Ausschluss der Öffentlichkeit trainiert. Dann wieder mit dabei sein soll Julian Pollersbeck, der heute noch kränkelnd pausierte. Auch Aaron Hunt (Lauftraining) und Papadopoulos pausierten heute und sollen morgen wieder dabei sein.

Bis dahin!

Scholle

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