Marcus Scholz

11. April 2018

Es ist tatsächlich noch erstaunlich ruhig beim HSV. Normalerweise kreisen die Geier deutlich länger über den potenziellen Absteigern. Sie hoffen auf eine gute Gelegenheit, gute Einzelspieler günstig herauskaufen zu können. Über den Toptalenten wie Jan-Fiete Arp, Tatsuya Ito und Joscha Vagnoman sowieso. Diese Erfahrung haben wir schon allein mit Bayer Leverkusen einige Male machen dürfen bzw. müssen. Insofern verwundert es mich nicht, dass jetzt Namen von HSV-Spielern bei anderen Vereinen gehandelt werden. Arp zu Bayern? Ja, dass da etwas dran ist, wissen wir seit Wochen. Und wenn meine Informationen stimmen, hat Arp noch nichts unterschrieben, tendiert wohl dazu, den Schritt zu wagen. Auch, weil die Bayern bereit wären, Arp per sofort auszuleihen – und das vielleicht sogar an den HSV. Eine Handhabung, mit der sich auch Arp anfreunden kann, da er weiterhin ein ehrliches Interesse an seinem HSV hat, wie er selbst sagt. Und was ich ihm glaube.

Zudem soll auch Vagnoman bei den Bayern (sowie beim BVB und anderen Topklubs) auf dem Zettel stehen. Und ja, das ist sehr schade für den HSV – aber eben stinknormal. Mehr noch: Hätte der HSV in den letzten zehn Jahren seine Möglichkeiten richtig genutzt, stünde man heute sportlich so, dass diese Talente nicht nur bleiben wollten, sondern auch bleiben könnten. Ist aber nun mal nicht so. Im Gegenteil: Der HSV muss im Sommer Spieler verkaufen, um die Lizenz zu erhalten. Und gerade im Falle Arp wäre ein Verkauf mit anschließender Rück-Leihe sicher nicht die beste Lösung aus HSV-Sicht. Aber eben auch nicht die schlechteste. Denn dass der HSV Arp noch lange halten kann, wenn er die Schritte geht, die ihm all zumuten, ist nahezu ausgeschlossen. In diesem Fall bekäme der HSV zunächst Geld und hätte den Spieler noch ein Jahr bei sich. Und so, wie ich die Verträge aus der ersten Ära unter Bernd Hoffmann erinnere, wird es eine Weiterverkaufs- sowie verschiedene Erfolgsprämien nachträglich geben. Auf diese Art profitiert der HSV auch dann noch von Arp, wenn er nicht mehr in Hamburg spielt.

Auf der anderen Seite frage ich mich, ob die Verantwortlichen um Interims-Vorstandsboss Frank Wettstein und den AR-Boss Hoffmann alles getan haben, um derlei Verkäufe zu vermeiden. Es wäre mit Hilfe von Investor Klaus Michael Kühne ein Leichtes, die finanzielle Notwendigkeit abzuwenden. Und Arp würde gern bleiben. Allerdings braucht der Youngster auch die sportliche Perspektive. Und die kann er nur bekommen, wenn der HSV endlich ein langfristig angelegtes Konzept vorlegt. Zum Beispiel eins mit den HSV-Talenten im Mittelpunkt, um die herum der „neue HSV“ aufgebaut wird. Dafür wäre der aktuelle Zeitpunkt wie maßgeschneidert. Problem dabei: Kühne hat kein großes Interesse an lang angelegten Konzepten. Der 80 Jahre alte HSV-Mäzen und –Investor möchte den HSV schnellstmöglich wieder oben sehen und hat dafür in den letzten Jahren gut 120 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Ohne dass die Verantwortlichen diese unfassbaren Beträge auch nur annähernd sinnvoll anzulegen wussten. Ergebnis: Das Vertrauen des Milliardärs ist strapaziert. Um es ganz vorsichtig zu formulieren...

Von daher ist die Problematik des HSV hausgemacht. Und ich hoffe, dass der neue starke Mann des HSV, Bernd Hoffmann, die richtigen Worte findet und Ideen präsentieren kann, die Kühne überzeugen. Und dabei stünde bei mir der oben beschriebene Plan, den HSV maßgeblich mit den eigenen Talenten neu aufzubauen, ganz vorne an. Wie in einigen vorigen Blogs bereits geschrieben habe, kann ein Euro in den Nachwuchs investiert mehr Wert sein als etliche Millionen in so genannte „fertige Spieler“, die am Ende ein Hamburg nicht zünden. Beispiele dafür zu nennen erspare ich mir einfach mal. Es sind eh zu viele.

Das Schlimmste an der aktuellen Situation ist, dass plötzlich nicht nur die bleiben, die man loswerden will, sondern auch die gehen (müssen), die man halten möchte. Wie eben auch Arp.

Von daher noch mal: Dieser HSV MUSS zur neuen Saison einen langfristig angelegten Plan verfolgen. Mit dem Nachwuchs im Zentrum aller Planungen. Und sollte Klaus Michael Kühne tatsächlich bereit sein, noch mal größer zu investieren, umso besser! Aber die schnellen Millionen dürfen nicht allein in vermutete Sofortverstärkungen gesteckt werden sondern müssen auch in die Scoutingbteilung, in den Nachwuchs und die Infrastruktur investiert werden. Vor allem in fähige Entscheidungsträger. Und da kann und darf Johannes Spors nur der Anfang sein. Ihm zur Seite gestellt werden muss ein starker Sportchef, der die HSV-Philosophie nicht nur entwickelt sondern sie vor allem auch konsequent umsetzt. Zusammen mit der Nachwuchsleitung und dem Cheftrainer der Bundesligamannschaft.

Aktuell ist das Christian Titz. Und der weiß, wie er Spieler ausbildet. Zumindest wird ihm das von dem Direktor Sport Bernhard Peters attestiert. Und Titz hat das beim HSV bislang in der Jugend, bei der U21 und jetzt auch in Ansätzen bei der Bundesligamannschaft unter Beweis gestellt. Auch deshalb hat sich Erstliga-Anwärter Holstein Kiel mit Titz beschäftigt für den Fall, dass ihr Trainer Markus Anfang gehen würde. Ich bhabe mich mit einem guten Bekannten, der dort arbeitet, länger ausgetauscht und weiß, dass man die Art Fußball zu spielen unter Titz sehr schätzt. Ich weiß aber auch, dass das alles schon einige Monate her und nicht mehr aktuell ist. Zudem sagt Titz, der auch in der kommenden Saison HSV-Trainer sein will: „Meine ganze Kraft und Aufmerksamkeit gilt einzig und allein der Aufgabe beim HSV. Ich beschäftige mich nicht mit anderen Dingen.“

Im Training zeigt sich das auch. Denn Titz setzt weiter auf ständige Wiederholungen sowie mutige und junge Spieler. Auch heute trainierten mit Drawz, Opoku und Pfeiffer wieder drei U19-Kicker mit – und sie machten sich sehr gut, wie Ihr alle im Video sehen könnt. Apropos Video: Das hat heute mein Freund Jan-Paul Siegesmund gedreht – was man sofort an der deutlich besseren Kameraführung erkennt. Hintergrund ist, das der junge HSV-Fan mir mal ein paar Tage über die Schulter schauen und mithelfen wollte, Euch möglichst vollumfänglich zu informieren. Auch deshalb stelle ich Euch hier noch seine Beobachtungen rein. Viel Spaß beim Lesen. Ich melde mich morgen wieder bei Euch. Unter anderem um 14 Uhr live via facebook von der Pressekonferenz. Bis dahin,

Scholle

 

Von Jan-Paul Siegesmund

Fußballerische Raffinesse, statt Abnutzungskampf…

Auch heute zeigte Christian Titz wieder, worauf er Wert legt. Fußball, Fußball und noch einmal Fußball. Der Ballbesitz-Fußball steht hierbei im Vordergrund. Kaum ein langer Ball wurde heute im Training geschlagen, immer wieder forderte Titz von seinen Akteuren die spielerische Lösung. Sehr zielführend hierfür auch die ausgewählten Übungen des Trainerteams. Nach Stabilisations- und Koordinationsübungen, ging das Team rüber auf das neu angelegte Trainingsfeld und wurde in 2 Gruppen aufgeteilt. Die 1. Gruppe übte Standards aus dem Halbfeld, die zu anfangs eher harmlos von Salihovic geschlagen wurden, ehe später ebenfalls eher ungefährlichen Freistöße von Aaron Hunt geblockt wurden. Immer wieder zweikampfstark zeigte sich hier der 19-jährige Rick van Drongelen, der das ganze Training über vermehrt mit seinen Anweisungen und Kommandos zum Leader der Viererkette wurde.

Während bei der 2. Gruppe auf engen Raum 7 gg. 7 gespielt wurde, richtete Titz immer wieder das Wort an seine Jungs. „Ihr müsst den Ball nur klatschen lassen“, „schneller spielen“, lauteten seine Forderungen. Wenn diese nicht umgesetzt wurden, unterbrach der Fußball-Lehrer immer wieder und korrigierte seine Spieler. Die Bezeichnung Fußball-Lehrer trifft Titz sehr genau, da er sehr häufig seine Spieler rausnimmt und ihnen genau erklärt, was er verlangt. So auch nach den beiden Übungen, als er das komplette Team zusammenrief und ihnen sehr genaue Anweisungen an der Taktiktafel gab.

Nach dieser Besprechung folgten wieder zwei getrennte Übungen. In der einen Hälfte übten die beiden Innenverteidiger (zuerst Jung/van Drongelen, später Ambrosius/van Drongelen) das Aufbauspiel über Pollersbeck hinten raus mit den drei Mittelfeldakteuren Steinmann, Holtby und Waldschmidt. Auch bei dieser Übung fand ein häufiger Wechsel statt, damit jeder Spieler einmal die Übung absolvierte. Auf der anderen Hälfte wurden bei einem 4 gg. 6 die Viererkette immer wieder angelaufen. Ballverteiler war zu Beginn Nicolai Müller, der außer Pässe spielen allerdings noch recht wenig im Training machen kann/darf. Zweikämpfe lässt er derzeit noch komplett aus, somit ist ein Comeback immer noch nicht vorauszusagen.

Sehr stark zeigte sich das komplette Training über Lewis Holtby, der sehr häufig von Titz beiseite gezogen wurde, um sich auszutauschen. Holtby wirkt wie ein verlängerter Arm von Titz.

Im Abschlussspiel zeigte sich die vermeintliche A-Elf mit Pollersbeck-Santos,Jung,v.Drongelen,Sakai-Steinmann,Holtby,Waldschmidt-Hahn,Hunt,Kostic. Jedoch herrschte ein ständiger Austausch zu Beginn, ehe Titz wieder zurück zu seiner Erstformation kam. Die interessanteste Frage wird sein, wer den angeschlagenen Ito (Prellung) vertreten wird, sollte er ausfallen. Hahn zeigt sich zwar immer wieder kämpferisch gut, kann jedoch nicht mit technischer Souveränität überzeugen. Überraschend wechselte Hahn mit dem jungen Aaron Opuku (U19), der ähnlich wie Ito über seine schnelle quirlige Art kommt. Ob das jedoch schon bundesligareif ist, erscheint fragwürdig. Den Platz für den gelbgesperrten Papadopoulos wird aller Voraussicht nach Gideon Jung einnehmen. Wir dürfen gespannt sein wie der HSV am Samstag in Sinsheim auftritt. Morgen wird unter Ausschluss der Öffentlichkeit trainiert. Um 14 Uhr findet dann die Pressekonferenz mit Christian Titz statt.

 

Bis denn,

Euer Jan-Paul Siegesmund

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