Marcus Scholz

17. Oktober 2018

„Es geht darum, dass wir insgesamt angemessen wirtschaften. So wie andere Vereine auch. Das ist eine anspruchsvolle Aufgabe, die wir in mehreren Schritten vornehmen.“ Das sagte Sportvorstand Ralf Becker meinen Kollegen von der SportBild auf die Frage, ob der HSV eine Gehaltsobergrenze einführen werde. Inzwischen ist diese Gehaltsobergrenze beschlossene Sache. Und der erste Impuls bei fast allen ist, dass das überfällig ist. Denn inhaltlich bedeutet das: Sollte der Bundesliga-Aufstieg gelingen, würde kein Vertrag mit mehr als zwei Millionen Euro Jahresgehalt dotiert werden. Bleibt der HSV in der Zweiten Liga hängen, dürfte ab kommender Saison kein Spieler mehr als eine Million Euro verdienen. Eine Maßnahme, die den Druck auf die Handelnden hoch hält. Aber auch eine Maßnahme, die angesichts der HSV-Finanzen zwingend notwendig wird und extrem vernünftig ist, um nicht wieder das Wort „alternativlos“ zu wählen.

Dass Becker zusammen mit dem Vorstandsboss Bernd Hoffmann sowie mit Finanzvorstand und Geburtstagskind Frank Wettstein (Alles Gute zum Ehrentag!!) diese Entscheidung fällt, zeugt von zwei Dingen: Von dem Selbstvertrauen, auch einen schwierigeren Weg als den mit den Dauer-Hilfen seitens potenter Mäzene, Investoren und Sponsoren erfolgreich gehen zu können. Zudem auch von einem Lerneffekt aus den letzten Jahren. Bei Bernd Hoffmann ist es sogar ein absolut lobenswerter Lerneffekt gegenüber seiner ersten Zeit als HSV-Vorstand, wo auch er - insbesondere zum Ende seiner Amtszeit 2011 hin -  mit überteuren Verpflichtungen und Verträgen wie bei beispielsweise Marcus Berg und Co. finanziell sehr großzügig agierte. Vorsichtig formuliert…

Wie sich die Kadergestaltung in Zukunft im Tagesgeschäft und vor allem im Ergebnis gestalten wird, vermag ich indes noch nicht vorherzusagen. Es wird für Becker und Co. zumindest nicht leichter. Nur (endlich) realistischer. Und schon allein die Tatsache, dass man dem bundesweit vorherrschenden Eindruck vorgreift, beim HSV könne man mit wenig ganz groß absahnen, ist ausschließlich positiv. Denn so sondiert sich schon vor den ersten Verhandlungen die Spreu vom Weizen. Ein zweites Mal Pierre Michel Lasogga, der mit 3,4 Millionen Euro Grundgehalt aktuell sicher teuerste Spieler der Zweiten Liga, wird es so nicht geben können.

Wobei, um das hier wiederholt klarzustellen: Ich werfe diesen Vertrag dem Spieler absolut nullkommanull vor. Im Gegenteil. Stattdessen hat der Spieler zwar eine Menge Kohle verdient, andererseits wurde ihm eine normale Beurteilung so indes versagt. Immer wieder wurden seine Tore und Spielminuten ins Verhältnis zu seinem Einkommen gesetzt. Und dem konnte er gar nicht nachkommen. Anspruch und Wirklichkeit klaffen einfach zu weit auseinander. Zudem würde die gestern von mir beschriebene Teilzeitstelle für ihn zum Boomerang - ohne, dass er wirklich etwas dafür kann. Er muss einem deswegen zwar nicht leid tun. Aber die optimale „Wertschöpfung“ hat man hier von Seiten des HSV schon mit dem überteuerten Vertrag verhindert.

Aporopos: Den Vertrag aufgelöst hat der HSV mit Bernhard Peters. Das ist nicht neu. Auch nicht, dass es intern einfach keine Möglichkeit auf eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen Peters und Becker gab. Da Becker wiederum Peters vorgesetzt ist, ist diese Trennung nur konsequent - wenn auch sehr schade. Denn wie einst bei Beiersdorfer/Hoffmann im Jahr 2009 bricht hier wegen persönlicher Eitelkeiten ein großes Stück Qualität weg. Und das wiederum ist fahrlässig. Problem bei der abschließenden Beurteilung hierbei ist aber, dass beide Seiten komplett unterschiedliche Wahrnehmungen schildern. Nicht öffentlich - das gebührt schon der Anstand (sowie auch vertraglich geregelte Inhalte der Abfindungsregelung). Aber wie ich erfahren habe, hatte Becker gleich zu Beginn Maßnahmen getroffen, die Peters intern degradierten. Becker bestand darauf, dass diese (Bürowechsel, keine Verantwortung für Kaderplanung, Verantwortung im oberen Nachwuchsleistungsbereich nur noch bei der Ausbildung der Trainer, etc.) strikt eingehalten wurden. Bei Peters’ Kritikern, und die gab es ob seiner oft knurrigen Art zweifellos, sorgte das für Schadenfreude.

Wie sich ein solches Szenario für Peters angefühlt haben wird, kann wahrscheinlich jeder hier nachvollziehen. Seine Reaktion: Trotz. Peters wollte nicht schwach wirken. Und das wiederum verhindert von Beginn an eine konstruktive Zusammenarbeit. Auf der anderen Seite hat der HSV-Vorstand zudem wenige bis keine Versuche unternommen, Peters zu halten. Schon die ausgesprochenen und nicht immer zielführenden Degradierungen verhinderten, dass Peters’ zuvor gezeigten Qualitäten maximal gewinnbringend eingesetzt werden konnten.

Und daher ist das Ergebnis ist ebenso logisch wie traurig: Die endgültige Trennung. Eine teure Trennung obendrein. Längst nicht nur finanziell.

Denn extern wird die Position, wie schon berichtet, vorerst nicht neu besetzt. Stattdessen soll Dr. Dieter Gudel den oberen Leistungsbereich koordinieren, während alle anderen Verantwortlichkeiten bleiben. Über allen rangiert weiterhin Ralf Becker. Die Frage aber wird sein, wenn ich Teil eins des Blogs - die Kaderzusammenstellung mit finanziell stark reduzierten Möglichkeiten - und den zweiten Teil - den Verlust eines sehr aktiven, gestalterischen Mitarbeiters im Nachwuchs - addiere, dann dürfte Becker im Laufe der nächsten Monate zum wahrscheinlich fleißigsten, wenigstens aber mistfrequentierten Mitarbeiter des HSV avancieren. Und es ist nicht auszuschließen, dass das wiederum zu viel Verantwortung auf einer Person ist.

Auf jeden Fall muss der HSV zusehen, dass er den eingeschlagenen Weg im Jugendbereich auch ohne Peters  konsequent weitergeht. Und noch einmal: Hier darf der HSV keine Fehler machen, keine Zeit verlieren. Der Nachwuchs ist die einzige und größte Chance, überhaupt irgendwann einmal wieder autark arbeiten zu können. Und der aktuell eingeschlagene Weg wird zwar sehr Peters-bezogen wahrgenommen, kann aber allemal auch personenübergreifend fortgesetzt werden. Eine Verantwortung, die in seinen Ausmaßen und die in ihrem Aufwand niemand unterschätzen darf.

Und dann noch zwei Dinge in eigener Sache: Zum einen hatte ich in der Frage-Antwort-Runde bzw. auch bei den Wünschen zum Geburtstag angekündigt, dass wir immer wieder auch Gäste aus der User-Gemeinde einladen wollen. Als erster Vorschlag wurde Alex genannt, der heute auch von uns eine Email mit der Einladung erhalten haben müsste. Falls nicht, biete ich Dir, Alex, hierüber die Gelegenheit, mich einmal persönlich anzuschreiben. Einfach unter marcus.scholz@rautenperle.com schreiben, dann klären wir, ob es für Dich am kommenden Montag zu realisieren wäre, einmal als Gast in den Rautenperlen-Talk zu kommen.

Die zweite in eigener Sache: Gestern hatten wir hier bereits unseren ersten Podcast am Morgen angekündigt bzw. den zweiten Podcast von heute morgen hier eingestellt. Für alle, die es noch nicht mitbekommen haben, daher noch einmal der Hinweis: Wir senden ab sofort jeden Tag zum Frühstück einen Podcast, in dem wir Euch über die tagesaktuellen Schlagzeilen informieren. Eine „Presseschau to go“ für alle, die auf dem Weg zur Arbeit, zur Uni, zur Schule oder einfach am Frühstückstisch schon wissen wollen, was die Medien an diesem Tag über Ihren HSV berichten. Genauer formuliert ist das unser „MorningCall“, den Ihr über unsere Facebook- und Twitter-Seiten ebenso abrufen könnt wie über Soundcloud und iTunes. Viel Spaß dabei!

In diesem Sinne noch schnell ein, zwei sportliche Meldungen vom trainingsfreien Tag:

  1. Die Nationalspieler sind bis auf Fiete Arp (Anriss Außenband im Sprunggelenk) alle heil zurück und sollen morgen nach Möglichkeit mittrainieren.
  2. Dass sich in Hannover alle über Walace freuen, ist schön für die Niedersachsen und den Brasilianer. Dass sich aber die Vereinsführung erlaubt, über den Verkauf bzw. die hiesige Beurteilung des Brasilianers zu wundern, ist nicht gut. Im Gegenteil: Das sollten sie sich sparen. Es steht Heldt, Kind und Co. nicht zu. Denn eines ist mal ganz sicher: Sollte Walace dort das machen, was er hier unter Markus Gisdol und dann Titz abgerissen hat (eigenständig verlängerter Urlaub / der Versuch, den Verkauf zu erpressen / Verweigerung auf dem Platz), dann würde er auch dort rausfliegen. Ganz sicher. Und das dann sogar ohne Zahlung von irgendwelchen festgeschriebenen 300 Milliarden Euro Ablösesumme…

Aber okay, so ist Fußball. Krank auf eine Art. Man lobt und liebt sich, bis es schiefgeht.

In diesem Sinne, bis morgen. Da wird um 11 Uhr das letzte Mal in dieser Woche öffentlich trainiert. Und auch ich melde mich morgen wieder. Wobei, nicht vergessen: Einmal vor dem Training am frühen Morgen via Podcast - und dann am Abend wieder mit dem täglichen Blog.

Bis dahin Euch allen einen schönen Abend!

Scholle

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