Marcus Scholz

17. Februar 2018

Gewaltandrohung als Fan-Protest, ein versuchter Platzsturm einiger weniger Irrer nach Schlusspfiff – im Volksparkstadion lagen heute die Nerven blank. Dass hier und heute gewonnen werden musste, war allen klar. Spätestens der etwas überraschende Auswärtssieg der Mainzer am Freitag in Berlin hatte den Druck nochmals erhöht. Und dementsprechend zerfahren begann das Spiel auch.

Bis auf eine Beinahe-Torchance durch Arp, der nach doppeltem Doppelpass mit Filip Kostic am Sechzehner frei zum Schuss kam (6.), aber zu lange zögerte, passierte nichts. Der Ball ging hin und her im Mittelfeld – aber nicht per Kombinationsfußball sondern durch Fehlpässe. Erst nach etwas mehr als 20 Minuten kam etwas Struktur ins Spiel – leider nur bei den Gästen von Bayer Leverkusen, die in der 26. Minute fast durch einen Kopfballtreffer des kleinesten Spielers auf dem Platz in Führung gegangen wären. Allerdings traf Aranguiz (1,71 Meter) nur den Außenpfosten. Der HSV? Offensiv nahezu nicht vorhanden. Mal wieder nicht.

Und auch deshalb kam, was immer kommt in dieser Saison: Der Gegner geht in Führung. In der 40. Minute lässt sich der HSV auskontern, bzw. einfach überlaufen. Dominik Kohr läuft über den halben Platz, flankt nach innen und findet dort – weil Santos den Ball nicht klärt, sondern am Fünfer stoppen will!!! – Leon Bailey, der Mathenia umkurvt und einschiebt (40.). Neben dem fehlenden Tempo hinten und Santos’ Stockfehler besonders auffällig: ALLE SCHAUEN ZU! Keiner der umstehenden Abwehrspieler, weder Papadopoulos noch Mavraj, versuchen überhaupt erst, zu reagieren und zu retten.

SOWAS NENNT MAN AUFGABE!

Mit 0:1 ging es folglich in die Kabinen. Die begleitenden Pfiffe der 45.691 Zuschauer in der Halbzeit waren die logische Konsequenz - und schwer verdient durch diese nicht besser werdende Saison.

Insgesamt kommen die Einschläge auch auf Fanseite immer näher. Langsam wandelt sich die Enttäuschung einhergehend mit der Müdigkeit, wieder knietief im Abstiegskampf zu stecken, in Richtung Wut. Wobei: Langsam? Nein. Das, was der schwarze Block da heute veranstaltete ging weit darüber hinaus. „Bevor die Uhr abgestellt wird jagen wir Euch durch die Stadt“ stand auf einem Banner geschrieben, den sie weit vor Spielbeginn entrollten. Eine Androhung von Gewalt, die zeigt, wie schnell hier alles kippen kann.

Aber zurück zum Spiel, das auf HSV-Seite einen Wechsel zur zweiten Hälfte mit sich brachte: Mergim Mavraj blieb in der Kabine, für ihn kam Andre Hahn auf rechts, während der bis hierhin unglaublich unsichere Gotoku Sakai einen nach hinten rückte, den Hollerbach stellte um auf Viererkette. Es sollte offensiver werden – aber es ging nach hinten los. „Zweite Liga, Hamburg ist dabei“, sangen die Leverkusen-Fans – und niemand schien die Kraft zu haben, ihnen zu widersprechen. Schon gar nicht, nachdem Bayer durch Kai Havertz mit 2:0 in Führung gegangen war. Hilflos wie ein Amateurteam gegen Profis wirkte der HSV. Und so setzten sich erst Bailey, dann Henrichs links im Sechzehner problemlos gegen die HSV-Statisten durch und Letztgenannter passte quer auf Havertz, dem Papadopoulos aus sicherer Distanz zusah, wie er zum 2:0 für Bayer einschob (50.). Der HSV passte sich auf dem Platz dem Niveau des Drohplakates an, das in der 57. Minute wieder ausgerollt wurde.

Beim HSV war inzwischen auch Bobby Wood für Fiete Arp gekommen (55.) – und der hatte tatsächlich sowas wie eine Torchance, als er in der 66. Minute aus knapp zehn Metern per Seitfallzieher aufs Tor schoss. Und obwohl es danach nicht wirklich gefährlicher wurde, kam der HSV urplötzlich zum Anschlusstreffer. Leverkusen hatte einige Überzahl- und Kontersituationen liegen gelassen und wurde bitter bestraft. Walace kam nach einem Einwurf für Bayer an den Ball, passte in die Spitze, wo Hahn den Ball an Leno vorbei ins Tor lupfte (69.) – das 1:2. Und der Beginn einer umkämpften Schlussphase, in der Salihovic eine Viertelstunde vor Schluss nach einem üblen Foul an Volland nur Gelb sah.

Der HSV war plötzlich wieder wach, er kämpfte zumindest. Aber leider wieder nur mit stumpfen Klingen. Lange Bälle vorn rein, oft auf Wood, der ihn nicht unter Kontrolle und auch nicht verlängert bekam – viel mehr fiel dem HSV auch heute nicht ein. Und gerade das war schon erschreckend, zu sehen. Nicht, dass das ein großes Geheimnis wäre, aber man sagt sich immer noch, es gäbe hier Offizielle, die behaupten, dieser Kader könne die Klasse halten. Nein, liebe HSV-Freunde, diese Mannschaft war von Saisonbeginn an zu schlecht zusammengestellt und wurde im Winter nicht einmal ergänzt, geschweige denn nachgebessert. Weil die schlauen Herren Heribert Bruchhagen, Jens Todt und Finanzchef Frank Wettstein lieber nichts machen wollten, als mit der Hilfe des Investors Klaus Michael Kühne. Ein fataler Fehler, wie sich immer mehr beweist. Und nur um das Wort „Absicht“ zu vermeiden, nenne ich das an dieser Stelle einfach einmal „gröbst fahrlässig“...

Am Ende blieb es heute bei der 1:2-Niederlage und sechs Punkten Rückstand auf den Relegationsplatz, die mir größte Sorgen bereiten. Denn aktuell hat diese Mannschaft hinten zu viele entscheidende Schwächen, und nach vorn nicht die Möglichkeiten, das zu drehen, was man hinten bekommt. Es ist wie bei den Zweikämpfen: Man ist immer in der Nähe – aber zu selten richtig dran. Eine schwierige Gesamtsituation, die nach Schlusspfiff fast noch eskaliert wäre, wenn nicht so schnell Ordnungskräfte und Polizisten zur Stelle gewesen wären und die Dummköpfe, die meinten, aus der Nordkurve auf de Platz stürmen zu müssen, ausgebremst hätten.

Egal wie, es bleibt unschön. Vor dem Spiel, im Spiel, danach und ebenso drumherum. Dieser HSV ist zu schwach für diese Liga. Und das fängt ganz oben im Vorstand an und zieht sich bis zur Nummer 28 im Team. Morgen steht die Mitgliederversammlung an. Und es ist schade, dass dort nur die Wahl zum neuen e.V.-Präsidenten ansteht. Gäbe es Vorstandswahlen, die hiesigen Herren würden in Prozenten verdeutlicht bekommen, dass ihre immer notwendiger werdenden Rücktritte nicht als das von ihnen oft vorgeschobene „Weglaufen“ wahrgenommen würden, sondern als Größe.

 

In diesem Sinne. Bis morgen. Ich habe für heute genug.

Scholle

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