Tobias Escher

26. Februar 2019

 

Jahn Regensburg mausert sich zum Angstgegner des Hamburger SV. Hannes Wolfs Team hat trotz der 1:2-Niederlage den Kampf angenommen. Der HSV war jedoch mit der Situation in Unterzahl überfordert. Eine kluge taktische Umstellung von Regensburg gab den Hamburgern den Rest.

In der Zweiten Liga beginnt das dritte Saisondrittel. Die Hoffnung, dass es das letzte für den HSV im Unterhaus sein wird, erlitt am Wochenende einen Dämpfer. Die 1:2-Niederlage in Regensburg lässt sich auf zwei Arten erzählen: Betrachtet man nur die ersten sechzig Minuten, war es eine unverdiente Niederlage für eine aufopferungsvoll kämpfende Hamburger Mannschaft. Betrachtet man jedoch die letzte halbe Stunde, war die Niederlage folgerichtig. Regensburg reagierte mustergültig auf die eigene Überzahl und bestrafte eiskalt die Hamburger Fehler.

Stammpersonal und Stammsystem

Trainer Hannes Wolf hat mittlerweile sein Stammsystem gefunden. Es lässt sich nicht leicht in Zahlen fassen: Es ist eine Mischung aus 4-1-3-2-Raute und 4-3-3, in dem die einzelnen Spieler ganz spezielle Rollen ausfüllen. Die Außenverteidiger zum Beispiel rücken bei Ballbesitz ins Zentrum und werden zu Sechsern. Hee-Chan Hwang und Bakery Jatta wiederum agieren gegen den Ball auf der Achter-Position, können bei Ballbesitz aufgrund des Aufrückens der Außenverteidiger aber offensiver auftreten. An diesem Tag wechselten sie zudem häufig die Seiten, Hwang kam vermehrt über links, Jatta über rechts.

Das Hamburger System hat den klaren Vorteil, dass die Akteure in allen Phasen des Spiels wissen, was zu tun ist. Bei Ballbesitz möchte der HSV das Zentrum überladen, um daraufhin die Außen Jatta und Hwang mit Bällen zu füttern. Nach Ballverlusten ist das Zentrum dank der eingerückten Außenverteidiger gut abgesichert, der Gegner kann sofort gestört und nach Außen gelenkt werden. Hat der Gegner länger den Ball, kann der HSV entweder mit einer aggressiven 4-1-3-2-Variante am gegnerischen Strafraum stören. Oder aber er zieht sich in einem passiven 4-1-4-1 weit zurück.

Diese festen Abläufe sind umso wichtiger, als dass praktisch jeder Zweitliga-Gegner ebenfalls ein festes Schema abspult. Im Falle von Regensburg lautet das Schema: kompakt stehen, aggressiv stören, sofort durch das Zentrum kontern. Jahns Außenstürmer im nominellen 4-4-2-System rücken weit ins Zentrum ein, sodass ein 4-2-2-2 entsteht. Der erste Pass geht meist zu den einrückenden Außenstürmern. Alternativ jagen die Regensburger den Ball hoch und weit nach vorne, anschließend rücken sie auf den zweiten Ball.

Taktische Aufstellung SSV-HSV

 

HSV nimmt intensive Partie an

Bei den knappen Partien gegen Dresden (1:0) und Heidenheim (2:2) hatte der HSV leichte Probleme mit der intensiven Spielweise des Gegners. Gegen Regensburg haben die Hamburger den Kampf eindeutig angenommen. Gegen das intensive Pressing und die direkten Kombinationen der Regensburger behaupteten sie sich gut.

So konnte sich der HSV in der ersten Halbzeit eine leichte Dominanz aufbauen. Das eigene Pressing zwang Regensburg immer wieder zu langen Bällen. Im Kampf um die zweiten Bälle überzeugte der HSV. Vor allem Hwang und Jatta, aber auch Lewis Holtby und sogar Pierre-Michel Lasogga ließen sich fallen, um die herausgeköpften Bälle sofort erobern zu können. Im Spiel nach vorne fehlte wiederum die Präzision, um die engen Viererketten der Regensburger zu knacken. Der Führungstreffer gelang nach einer Standardsituation (16.)

Rote Karte und Umstellungen zwingen HSV in die Knie

Nach der Pause versprühte der HSV mehr Torgefahr. Das lag nicht zuletzt an den Regensburgern, die selbst offensiver auftraten. Jahns Linksaußen Sargis Adamyan blieb bei Hamburger Angriffen zusammen mit den Stürmern vorne und riskierte damit, die eigene Abwehr zu entblößen. In der Tat fand der HSV gegen die Regensburger 4-3-3-Anordnung öfter die freien Räume auf dem Flügel. Der umtriebige Hwang war in dieser Phase äußerst präsent. Doch dem HSV gelang es nicht, die zahllosen aussichtsreichen Schnellangriffe zu verwerten.

Nach einer Stunde Spielzeit kippte die Partie. Das hatte zum Einen mit der Gelb-Roten Karte gegen Orel Mangala zu tun (69.). Wolf wollte schnell auf die Unterzahl reagieren. Er brachte mit Leo Lacroix (72., für Jatta) einen weiteren Verteidiger. Er ging als dritter Innenverteidiger in die Abwehr, Hwang wiederum rückte als zweiter Stürmer neben Lasogga. Damit stellte der HSV auf ein 5-2-2-System um. Noch in derselben Spielminute erzielte Regensburg jedoch den Ausgleichstreffer; die erhoffte defensive Stabilisierung durch den Taktikwechsel kam zu spät.

Der zweite Faktor für die Leistungsexplosion der Regensburger lag in einer Maßnahme begründet, die Trainer Achim Beierlorzer schon vor der Gelb-Roten Karte getroffen hatte. Schon die gesamte zweite Halbzeit über hinweg hielt Adamyan wenig auf seiner linken Seite. Spätestens mit der Einwechslung von Jann-Christopher George (65., für Sebastian Stolze) forcierte Regensburg dies als taktisches Mittel: Adamyan und George schufen mit dem aufrückenden Sechser Maximilian Thalhammer eine Überzahl auf dem rechten Flügel. Der HSV reagierte kaum auf diese Überzahlen und hatte folglich große Probleme, diese Seite zu verteidigen. Regensburg griff wieder und wieder über diesen Flügel an, kam zu großen Chancen.

Auch die Hamburger Fünferkette stabilisierte diese Seite nicht, im Gegenteil: Durch die Idee, mit nur zwei Sechsern zu agieren, waren die Außenverteidiger häufig auf sich alleine gestellt. Es kam, wie es kommen musste: Der HSV ging in Rückstand (81.). Dass es am Ende beim 1:2 blieb, lag an der Chancenverwertung der Gastgeber.

Lehren für das Fürth-Spiel

Die Frage, was sich aus dieser Niederlage für kommende Partien ableiten lässt, gestaltet sich schwierig. Eigentlich hatte der HSV die Partie über weite Strecken gut im Griff. Das Stammsystem funktioniert, das Personal wirkt in dieser Variante eingespielt. Den größten Fehler, den man Wolf ankreiden kann, ist die fehlende Auswechslung des Gelb-Rot gefährdeten Mangala. Allerdings bietet der Kader keinen Spieler, der ihn adäquat ersetzen kann. Am Ehesten kann Vasilije Janjicic die Sechser-Position bekleiden.

Blöd, dass Janjicic nach einer späten Roten Karte ebenfalls gegen Fürth gesperrt sein wird. Das erhöht den Druck auf Wolf, sich eine Alternative zum Stammsystem einfallen zu lassen. Das ist umso bitterer, als dass Gegner Fürth wie ein typischer Zweitligist agiert: Aus einem kompakten 4-1-4-1-System heraus setzen sie vereinzelt Nadelstiche im Pressing. Kompakt stehen, schnell kontern: Fürth setzt auf die typische Zweitliga-Taktik, nur mit zuletzt etwas höherem Pressing. Eine Taktik, gegen die Wolf eigentlich sein Stammsystem vorgesehen hat.

Wir dürfen gespannt sein, was die kommenden Tage bringen. Es bleibt genug Zeit, eine neue Variante einzustudieren. Der HSV tritt erst wieder am Montag an. Um nichts mehr anbrennen zu lassen, sollte man die letzte Saisonphase mit einem Sieg einleiten. Damit es das letzte Saisondrittel des HSV in der Zweiten Liga bleibt.

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