Marcus Scholz

27. Mai 2018

Selbst gerade frisch zum Vorstandsvorsitzenden des HSV befördert, übernahm Bernd Hoffmann auch gleich das erste Mal die Verantwortung und informierte im Namen des Aufsichtsrates Ralf Becker, dass dieser trotz anders ausgegangener Probeabstimmung (Abendlatt berichtet davon) nun doch den Vorzug vor seinem Paderborner Mitkonkurrenten Markus Krösche erhalten hatte. Dass diese Probeabstimmung schon wieder publik geworden ist, ist peinlich. Aber okay, es ist nicht das einzige bei diesem Aufsichtsrat, der Becker letztlich eine Zusage mit Auflagen erteilte. Denn die Kontrolleure hatten auch eine klare Botschaft an Becker: Er soll versuchen, sich im Sinne des HSV mit Bernhard Peters zu arrangieren. Mit jenem Nachwuchschef, der selbst bekundet hatte, gern den Posten als Vorstand Sport einnehmen zu wollen. Das wiederum hatte Becker irritiert und dazu veranlasst, Probleme in einer künftigen Zusammenarbeit zu vermuten.

Meinen Informationen nach hatte es auch schon einen ersten Austausch zwischen Becker und Peters gegeben - ohne großen Erfolg. Und angesichts der Persönlichkeitsprofile der beiden scheint das auch eher schwierig zu werden. Denn sowohl Peters als auch Becker gelten als Alphatiere, als Überzeugungstäter. Und sobald die Unterschrift von Becker unter seinem neuen Vertrag getrocknet ist, ist er faktisch der Chef von Peters. Insofern werde ich zwar darauf hoffen, dass diese Personalentscheidungen nicht dazu führen, dass der HSV im Nachwuchs einen neuen Leiter suchen muss – auch wenn das nicht überraschend käme.

Überrascht war ich übrigens auch nicht von der Entscheidung gestern. Alle, die sich jetzt hinstellen und den großen Wahlbetrug von Bernd Hoffmann reklamieren, da er ja gesagt hatte, dieses Amt nie anstreben zu wollen, sind entweder Heuchler oder naiv. Denn dass Hoffmann dieses Amt anstrebt, war eigentlich allen bewusst. Auch innerhalb des Vereines war dies allen klar und es wurde letztlich widerstandslos hingenommen - ein Interview von Jürgen Hunke mal ausgenommen. Mehr noch, Hoffmann hat sich sogar einen doppelten Boden eingebaut bzw. einbauen lassen: Muss er als Vorstandsboss gehen, ist er immer noch e.V.-Präsident und somit dann wieder in dem Aufsichtsrat, den jetzt sein Vize Max-Arnold Köttgen leitet und der für den Vorstandsvorsitz keinen weiteren geeigneten Kandidaten finden konnte. Oder wollte. Von daher: Nein, aufregen sollte man sich nicht. Wirklich nicht. Über gar nichts. Denn das, was aktuell beim HSV entschieden und durchgesetzt wird, kommt mit viel Anlauf und deutlicher Ansage.

Nach Dietmar Beiersdorfer ist es nun also der zweite Versuch, mit einem einst gefeierten und dann gestürzten Heroen an bessere Zeiten anzuknüpfen. Für mich ist es auch die Kapitulation des neuen Aufsichtsrates, der es in vier Monaten nicht geschafft hat, einen anderen Kandidaten für den Vorstandsvorsitz zu finden. Dabei bedarf es auf dieser Position nicht einmal einer besonders umfangreichen sportlichen Expertise, wenn man parallel einen Vorstand Sport einstellt. Vielmehr kann das letztlich sogar hinderlich sein, wenn sich trotz klar umrissener Aufgabengebiete plötzlich mehrere Vorstände auf der sportlichen Ebene als Experten sehen. So, wie in seiner ersten Amtszeit als Vorstandsvorsitzender einst Hoffmann, der sich seither als geläutert bezeichnet.

Ein Neuanfang im wahrsten Sinne wird es de facto also nicht. Und es wird auch kein vollumfänglich akzeptierter Neuanfang, denn dafür bringen sich - für den HSV der letzten 15 Jahre typisch - schon wieder viel zu viele Heckenschützen in Stellung, die sich bis hierhin einfach nicht getraut haben, Hoffmann zu widersprechen. Ein peinliches Szenario, das hoffentlich am Ende vom sportlichen Erfolg gefressen wird – womit wir beim größten Hoffnungsschimmer sind, der da heißt: Christian Titz zusammen mit Ralf Becker.

Denn während Titz bewiesen hat, dass er aus wenig viel herausholen kann, hatte Letztgenannter eben jenen Titz als Wunschkandidaten auf seinem Zettel für die Nachfolge von Markus Anfang als Holstein-Kiel-Trainer. Einer produktiven Zusammenarbeit der beiden scheint zumindest nichts im Weg zu stehen, wenn sich der Rest drumherum einmal zusammenreißt. Aber okay, abwarten.

Es gilt zumindest als gesichert, dass Titz und Becker denselben Fußball spielen wollen. Ballorientiert dominant und offensiv ausgerichtet. Allein das ist zumindest eine Basis, auf der man aufbauen kann - und aufbauen muss. Und wenn der HSV es tatsächlich schaffen sollte, dass alle – also in diesem Fall auch Peters und Hoffmann – ausschließlich in ihren Verantwortungsbereichen verausgaben und dort alles herausholen, dann kann das hier sehr wohl etwas werden. Sogar eine Art Neuanfang mit zurückgeholtem Personal. Soll heißen: Alle Hilfe, alle Aufmerksamkeit gilt jetzt dem Team um Trainer Christian Titz und Vorstand Sport Ralf Becker, der morgen offiziell als eben jener Vorstand vermeldet werden und anschließend mit Titz den Kader basteln soll.

Dazu gehört auch, dass die schwelenden Streitigkeiten beigelegt werden. Angefangen mit Becker/Peters, die sich in den nächsten Tagen noch mal zusammensetzen und besprechen sollen. Ebenso wichtig ist, dass der HSV seine Scoutingabteilung weiter aufwertet. Johannes Spors hatte hier zuletzt die Verhandlungen geführt und dabei einen sehr guten Eindruck hinterlassen. Ihm gebührt weiterhin ein enormer Vertrauensvorschuss. Zumal Spors und seine Kollegen angesichts der finanziellen Gesamtsituation aktuell zur wichtigsten Abteilung aufsteigen, wenn der HSV irgendwann wieder autark handeln können möchte. Wobei Spors im Doppelpass mit der Nachwuchsleitung agieren muss, die (noch) Bernhard Peters einnimmt.

In diesem Sinne, so wenig überraschend alles bisher Geschehene auch war, vielleicht überrascht uns der HSV ja doch noch einmal positiv...

Scholle

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