Tobias Escher

4. November 2018

 

Der Trainerwechsel von Christian Titz zu Hannes Wolf traf die HSV-Welt völlig unerwartet. Knapp zwei Wochen später ist der erste Schock verdaut. Für Wolf steht indes die erste echte Härteprobe an: Im Spitzenspiel geht es gegen den spielstarken 1. FC Köln. Was hat Wolf bisher beim HSV verändert? Und wie gut wird sein System gegen Markus Anfangs Kölner funktionieren?

Wer nach der Entlassung von Titz auf eine große taktische Revolution gehofft hat, dürften die ersten beiden Pflichtspiele unter Wolf enttäuscht haben. Wolf baut behutsam auf dem Grundgerüst seines Vorgängers auf. So lässt auch Wolf seine Mannschaft aus einem 4-3-3-System ein ruhiges Ballbesitzspiel aufziehen, dass vornehmlich über die Innenverteidiger läuft.

Der Teufel steckt im Detail

Die Änderungen des neuen Trainers findet man vor allem im Detail. Wolfs Spielsystem war in den beiden ersten Spielen etwas rigider, etwas starrer als unter seinem Vorgänger. Die Spieler halten ihre Positionen stärker ein. Das soll vor allem zu defensiver Stabilität verhelfen. In der Tat: Die Hamburger sind nicht mehr so leicht auskonterbar wie zuletzt.

Dazu hat Wolf eine wichtige Säule des Aufbauspiels abgeschafft: Julian Pollersbeck postiert sich wesentlich tiefer als unter Titz und schaltet sich seltener in den Spielaufbau ein. Das hat eine Kettenreaktion zur Folge: Die Innenverteidiger können im Aufbau nicht so weit nach außen schieben, die Außenverteidiger müssen sich etwas tiefer positionieren. Insgesamt ist die Ausgangsposition im Spielaufbau dadurch etwas defensiver.

Gerade die Außenverteidiger vollführen neue Rollen im Spielaufbau. Sie halten unter Wolf nicht mehr ihre Positionen auf den Außen, sondern rücken häufig ins zentrale Mittelfeld ein. Beim 1:0-Erfolg gegen Magdeburg rückten beide Außenverteidiger ein, beim 3:0-Sieg gegen Wehen-Wiesbaden meist nur Rechtsverteidiger Gotoku Sakai. Wolf möchte damit die Präsenz in der Zentrale stärken, zuletzt eine Schwachstelle beim Übergang von Abwehr zu Mittelfeld. Es ist aber vor allem auch ein defensiver Kniff: Durch die zusätzliche Präsenz im zentralen Mittelfeld kann der HSV nach Ballverlusten besser nachsetzen. Konter durch das zentrale Mittelfeld sind kaum mehr möglich.

Das war unter Titz auch deshalb ein Problem, weil Aaron Hunt und Lewis Holtby im Mittelfeld häufig ihre Position verlassen. Das dürfen sie auch unter Wolf. Durch die Präsenz von Sakai und teilweise auch Douglas Santos im zentralen Mittelfeld werden ihre Ausflüge auf die Flügel oder ins letzte Drittel besser abgesichert. Nach Ballverlusten kann der HSV im Zentrum zu einem starken Gegenpressing ansetzen.

Profiteur des neuen Systems ist bisher vor allem Pierre-Michel Lasogga. Er hat einen festen Platz im Sturmzentrum. Das Spiel ist stärker auf die Stärken des Stürmers zugeschnitten. So schlägt der HSV häufiger Bälle aus dem Halbfeld in den Strafraum oder versucht, über die breit stehenden Außenstürmer zu Flanken zu kommen. Auch gelangt der HSV nun öfter in schnelle Kontergelegenheiten; Ballgewinne im Gegenpressing oder im regulären 4-3-3-Pressing werden durch die defensivere Grundausrichtung der Mannschaft stärker forciert. Lasogga dankte Wolf mit Toren.

Gegen Wehen-Wiesbaden testete Wolf zudem eine neue, asymmetrische Variante: Stürmer Jann-Fiete Arp kam auf Linksaußen zum Einsatz. Während Arp hier häufig in die Mitte zog, hielt Rechtsaußen Khaled Narey seine Position. Eine leicht nach rechts verschobene Formation war die Folge. Diese wurde etwas ausgeglichen, indem Santos die linke Seite hielt und Sakai häufiger in die Mitte zog. Der Grundtenor aber war klar: Die rechte Seite wird vornehmlich zum Einleiten von Angriffen genutzt, Lasogga und der von links ins Zentrum rückende Arp veredeln diese Angriffe. Solche simplen Positionsrochaden sind typisch für Wolf, der schon in seiner Stuttgarter Zeit häufig asymmetrische Formationen hat spielen lassen.

Große Herausforderung: Köln

Viele der beschriebenen Änderungen beziehen sich auf taktische Details; eine etwas andere Aufteilung im Spielaufbau, mehr Flügel- und Flankenfokus im gegnerischen Drittel. Der größere Bruch mit Titz' Spielstil erfolgte noch nicht; manches deutet aber darauf hin, dass er noch folgen wird. So zog sich der HSV nach der roten Karte gegen Madgeburg und nach der 2:0-Führung gegen Wehen-Wiesbaden weiter zurück, als dies unter Titz der Fall gewesen wäre. Wolf könnte mittelfristig von der Idee abrücken, Spiele immer über den Ballbesitz dominieren zu wollen. Tatsächlich hat Wolf die gesamte Spielanlage defensiver ausgerichtet, auch bei Ballbesitz. Ohne Ballbesitz verteidigt seine Mannschaft schon jetzt öfters aus einer tiefen 4-1-4-1-Formation.

Mögliche taktische Aufstellung HSV-Köln

 

Das Spitzenspiel gegen Köln dürfte der erste Lackmustest für Wolf werden. Die Kölner haben mit ähnlichen Problemen zu kämpfen wie der HSV: Praktisch jeder Gegner in der zweiten Liga verbarrikadiert sich gegen den Absteiger. Die Kölner müssen über ihr Ballbesitzspiel kommen. Trainer Markus Anfang testete viele Varianten, um die gegnerischen Defensivblöcke zu knacken. So rücken auch bei den Kölnern die Außenverteidiger häufig ins Zentrum.

Doch zuletzt schien das System der Kölner entschlüsselt zu sein. Die Kölner bekamen Probleme, sobald der Gegner mit einer Rautenformation agierte. Mit dieser Formation ließen sich die einrückenden Außenverteidiger der Kölner aus dem Spiel nehmen. Der MSV Duisburg (2:1-Sieg über Köln) und Holstein Kiel (1:1) ärgerten Köln zuletzt mit einer Rautenformation. Heidenheim (1:1) wiederum bewies, wie anfällig die Defensive der Kölner ist. Hier agieren die Kölner mit einer Manndeckung, die sich leicht sprengen lässt über koordinierte Läufe in die Spitze. Köln steht also am selben Punkt wie der Hamburger SV vor einigen Wochen: Ihr Plan A ist entschlüsselt. Anfang muss einen neuen Plan präsentieren.

 

Die große Frage für Wolf lautet nun: Wird sein HSV auch gegen Köln versuchen, Ball und Gegner laufen zu lassen? Oder wird der HSV aus einer defensiveren Grundhaltung versuchen zu kontern? Wird Wolf weiter auf das 4-3-3 vertrauen oder wird er sein System an die Stärken des 1. FC Köln anpassen? Die Antwort auf diese Fragen dürfte auch die Antwort darauf liefern, in welche Richtung Wolf sein Team entwickeln will: Geht er weiter den Titz-Weg – oder wird er eine neue strategische Richtung einschlagen? Die Antworten gibt es Montagabend.

 

Vielen Dank, Tobi!

Anbei noch ein paar kurze Infos vom heutigen Tag, das dem HSV am Abend auch den 1. FC Nürnberg als Gegner im DFB-Pokal-Achtelfinale beschert hat. Sportvorstand Ralf Becker: „Wir freuen uns sehr darüber, dass es ein Heimspiel geworden ist, noch dazu gegen einen Traditionsverein wie den 1. FC Nürnberg. Momentan gilt unsere volle Konzentration dem morgigen Zweitliga-Spiel gegen den 1. FC Köln, aber im Februar wollen wir natürlich trotz der Schwere der Aufgabe alles dafür tun, um ins Viertelfinale einzuziehen.“

Zuvor gab es auf dem Trainingsplatz die letzte Einheit vor dem Spitzenspiel. Mit dem wieder genesenen  Hee-chan Hwang, der wiederhergestellt zu sein scheint. Dennoch agierte Fiete Arp weiterhin auf der linken Außenbahn im A-Team. Gefehlt hat heute nur Vasilije Janjicic, der sich einen Infekt eingefangen hat, aber eventuell morgen wieder fit sein soll. Bis dahin wartet der Cheftrainer noch, bis er seinen endgültigen 18-Mann-Kader bekanntgibt. Heute im Training durfte Maxi Geissen aus der U21 als Janjicic-Ersatz mittrainieren.

Und bevor ich den Blog beende noch schnell mein Tipp für die morgige Startelf: Pollersbeck - Sakai, Lacroix, van Drongelen, Santos - Mangala - Narey, Holtby, Hunt, Arp - Lasogga. Zudem hier noch die Pressekonferenz aus Köln vor dem Spiel gegen den HSV: 

 

In diesem Sinne, Euch allen noch einen schönen Sonntag und bis morgen! Da melde ich mich am Morgen wieder mit unserem MorningCall, ehe wir uns abends nach dem Spiel gegen Köln natürlich wieder per Blog und Video bei Euch melden.

Scholle

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