Marcus Scholz

20. November 2018

„Wir haben die Verschuldung planmäßig abgebaut.“

Frank Wettstein, stv. Vorstandsvorsitzende und Finanzvorstand des HSV im Interview auf der Vereinshomepage  

Klingt gut. Und Frank Wettstein verkauft diese Meldung auch entsprechend erfreut. Allerdings sind die Zahlen, die sich dahinter verbergen, natürlich noch immer nicht gut. Im Gegenteil: Der HSV hat das abgelaufene Geschäftsjahr (1. 7.2017 - 30.6.2018) mit einem Minus von 5,8 Millionen Euro (Vorjahr: 13,4 Millionen) abgeschlossen. Damit legt der einstige Bundesliga-Bundesliga-Dino zum nunmehr achten Mal in Folge eine negative Bilanz vor. Und das, obwohl ausgerechnet Wettstein im vergangenen Jahr noch einen ausgeglichenen Jahresabschluss für 2017/2018 als Ziel und Prognose genannt hatte.

 

Dass er dennoch zufrieden ist, verwundert auf den ersten Blick. Und auf den zweiten auch noch. Wettstein macht das, was er seit Jahren macht: Er verziert das hässliche Bild der Finanzen bunt, ohne, dass dabei wirklich Besserung geschweige denn eine Gesundung eintritt. Auch deshalb betonte er heute noch mal besonders stark den auf 133,6 Millionen Euro (Vorjahr 122,1 Mio. Euro) gesteigerten Gesamtumsatz. Es ist so ein bisschen wie, wie beim Aufwachen nach einer Operation. So, als wenn Dich der Arzt, der Dir vorher noch gesagt hatte, dass alles höchstwahrscheinlich gutgehen wird, anlächelt und freudestrahlend sagt: „Sie haben nur einen Arm verloren - was gut ist. Denn es hätten bei diesem unerwarteten OP-Verlauf auch fast beide Arme und Beine sein können.“

Aber kommen wir erst einmal zu den Fakten: Den HSV drücken aktuell Verbindlichkeiten in Höhe 85 Millionen Euro (Vorjahr: 105,5 Millionen). Für das laufende Geschäftsjahr will Wettstein noch keine Planzahlen nennen. Aber es gilt als sicher, dass ein neues Rekordminus von mehr als 20 Millionen Euro dabei herauskommt und damit den bisherigen Tiefpunkt von 16,9 Millionen Euro aus dem Geschäftsjahr 2014/2015 noch mal toppt.

Der HSV, so nannte es HSV-Vorstandsboss Bernd Hoffmann, sei ein „massiver Krisenklub“. Und dabei bleibt es bis auf Weiteres - aus Gründen. Wettstein: „In diesem Jahr in der Zweiten Bundesliga werden wir voraussichtlich wieder einen Jahresfehlbetrag erwirtschaften, dies ist leider unvermeidlich. Allein die Einbußen auf der Umsatzseite liegen bei rund 40 Millionen Euro gegenüber der abgelaufenen Saison, die sich nicht allein durch Kosteneinsparungen innerhalb eines Jahres kompensieren lassen.“

Zum einen natürlich wegen des Abstieges, der zu massiven Abschreibungen von Spielerwerten führte. Aber auch die in Liga zwei geringeren Fernseh- und Werbeeinnahmen sowie noch immer sehr hohe Gehaltskosten belasten die Hamburger. Zur Erinnerung: Neben Hannes Wolf muss der HSV aktuell auch dessen Vorgänger Markus Gisdol, Bernd Hollerbach und Christian Titz bezahlen, die alle noch laufende Verträge haben. Zudem schaffte man auch 2017/2018 kein ausgeglichenes Transferergebnis, sondern machte 13,45 Millionen Euro minus.

Zudem habe „der Verzicht auf die weitere Aktivierung von latenten Steuern das Ergebnis belastet, wenngleich dies nur einen bilanziellen Effekt, aber keinen Finanzmittelabfluss bedeutet“, so Wettstein über die jetzt ob der geringen Aussicht auf entsprechende Einnahmen aktivierten 3,7 Millionen Euro. Interessant hierbei: Dass man im letzten Jahr beispielsweise die Summe von 5,5 Millionen aktivierte und das Geschäftsergebnis nur dadurch 13 statt 18,5 Millionen Euro minus betrug wird dabei nicht erwähnt.

Und die Aussichten sind selbst bei einer Rückkehr in die Erste Liga noch lange nicht gut. So muss bekanntermaßen in 2019 die Fananleihe von 17,5 Millionen Euro zurückgezahlt werden und etliche Verträge - z.b von Hauptsponsor Emirates und beim Stadionnamen  - laufen zum Saisonende hin aus. Im Gegenteil. Wie berichtet hatte der Milliardär aus Verärgerung über den aktuellen Vorstand zuletzt einen Gesprächstermin platzen lassen und öffentlich gesagt, dass er unter den aktuellen Voraussetzungen kein gesteigertes Interesse an einer weiteren Zusammenarbeit habe. Dabei muss eh erst die Frage geklärt werden: Was kann diesem HSV in der finanziellen Situation überhaupt nachhaltig helfen?

Auch hier bemüht sich Wettstein, das Bild nicht so schwarz zu malen, wie es sich für die Experten abzeichnet. „Wir können alle eingegangenen Verpflichtungen jederzeit und fristgerecht erfüllen. Es hilft sehr, dass die Zuschauer und Partner dem HSV nach dem Abstieg die Treue gehalten haben und wir somit in Teilbereichen besser aufgestellt sind als zuvor prognostiziert. Wir wünschen uns natürlich sehr, dass das so bleibt und wir gleichzeitig in dieser Saison sportlich erfolgreich abschneiden.“ Was das auf finanzieller Ebene bedeutet, vermag aber auch er nicht zu prognostizieren. Vielmehr schweigt er auf die Frage nach der intern erwarteten Kennzahl.

Okay, dass es nicht plötzlich Gewinne zu verzeichnen geben würde, war zu erwarten. Mit dem Abstieg im Gepäck wird das auch in dieser Saison so bleiben, da weitere Kapitalerhöhungen (im Jahr 2017 waren das allein 32 Millionen Euro) durch Anteilsverkäufe nicht mehr möglich sind, sofern Vorstandsboss Bernd Hoffmann nicht doch plötzlich sein Tabuthema aufleben lässt und wider eigene Versprechen weitere Anteilsverkäufe in Erwägung zieht. Aktuell wäre das noch leicht durchzusetzen, da Hoffmanns Präsidium im Aufsichtsrat als Hauptanteilseigner vertreten ist.

Und ich behaupte, auch Kühne wäre sicher sehr schnell wieder sehr gut auf den HSV und seinen aktuellen Vorstand zu sprechen, wenn er über die Sperrminorität von 24,9 Prozent hinaus Anteile erwerben dürfte. Allerdings wäre das - zumal wenn man sich keine entsprechenden Rückkaufoptionen einbaut - das Ende aller Hoffnungen, diesen HSV jemals wieder autark und vielleicht sogar dazu noch erfolgreich erleben zu dürfen.

Sportlich blieb es heute ruhig. Aaron Hunt (Infekt) fehlte noch, soll aber in den nächsten Tagen rechtzeitig wieder fit werden. Ebenso wie Hee-chan Hwang, der am Nachmittag schon eine ganze Stunde mittrainierte, ehe er abgesprochen das Training beendet. Der Südkoreaner steigert seine Belastung von Tag zu Tag mit dem klaren Ziel, am Montag gegen Union Berlin dabei sein zu können. Und es sieht aus…! Allemal besser als die Finanzen, die den HSV gerade im Vorfeld der Wahlen im Januar sicher noch einige Tage und Wochen beschäftigen werden.

In diesem Sinne, für heute reicht das. Ich melde mich morgen früh wieder mit unserem MorningCall, ehe es um 11 am Trainingsplatz weitergeht. ich melde mich dann an dieser Stelle am Abend wieder bei Euch. Bis dahin Euch allen einen schönen Restabend!

Scholle

 

 

 

Die Pressemitteilung des HSV von heute 16 Uhr:

HSV veröffentlicht Jahresabschluss und Lagebericht für das Geschäftsjahr 2017/18 Jahresfehlbetrag in Höhe von 5,8 Millionen Euro - Gesamtumsatz auf 133,6 Millionen Euro gesteigert.

Der Aufsichtsrat hat in seiner jüngsten Sitzung den Jahresabschluss der HSV Fußball AG für das Geschäftsjahr vom 1. Juli 2017 bis zum 30. Juni 2018 festgestellt. Zuvor hat die vom Aufsichtsrat beauftragte BDO AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft dem Jahresabschluss und dem Lagebericht für das Geschäftsjahr 2017/18 unter dem Datum vom 16. Oktober 2018 einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk erteilt.

Die HSV Fußball AG hat das Geschäftsjahr 2017/18 mit einem Jahresfehlbetrag in Höhe von EUR 5,8 Mio. (Vorjahr: EUR 13,4 Mio.) abgeschlossen. Hierin enthalten sind ein außerordentlicher Steueraufwand von EUR 3,7 Mio. sowie außerplanmäßige Abschreibungen in Höhe von EUR 5,9 Mio. im Zusammenhang mit Spielertransfers im Sommertransferfenster 2018. Diese Sonderaufwendungen sind im Wesentlichen ursächlich für die Unterschreitung der Ergebnisprognose zu Beginn des Geschäftsjahres 2017/18. Personelle Freistellungen im Geschäftsjahr 2017/18 haben das Jahresergebnis zudem mit insgesamt rund EUR 5,4 Mio. belastet.

Die im Geschäftsjahr 2017/18 erzielten Umsatzerlöse von insgesamt EUR 133,6 Mio. (Vorjahr: EUR 122,1 Mio.) übertreffen die im Lagebericht des Vorjahres enthaltene Prognose. Das für die Unternehmenssteuerung relevante EBITDA beträgt EUR 41,6 Mio. (Vorjahr: EUR 17,8 Mio.). Das Eigenkapital der HSV Fußball AG beträgt zum 30. Juni 2018 rund EUR 49,1 Mio. (Vorjahr: EUR 42,4 Mio.). Bei einer Bilanzsumme von EUR 165,8 Mio. (Vorjahr: EUR 186,8 Mio.) beträgt die Eigenkapitalquote 30,1 % (Vorjahr: 23,4 %).

Die Finanzschulden in Höhe von EUR 62,1 Mio. (Vorjahr: EUR 81,1 Mio.) umfassen im Wesentlichen das im Geschäftsjahr 2016/17 emittierte Schuldscheindarlehen (EUR 36,0 Mio.), die Jubiläumsanleihe (EUR 17,5 Mio.) sowie Darlehen zur Transferfinanzierung (EUR 5,0 Mio.) und die jeweils abgegrenzten Zinsen. Im Geschäftsjahr 2017/18 betrugen die Investitionen in den Spielerkader EUR 25,5 Mio. (Vorjahr: EUR 52,6 Mio.). Zum 30. Juni 2018 liegen die aktivierten Spielernutzungsrechte bei EUR 45,3 Mio. (Vorjahr: EUR 56,6 Mio.). Bei planmäßigem Verlauf der Saison 2018/19 werden für das Geschäftsjahr 2018/19 Umsatzerlöse von EUR 100 Mio. sowie ein EBITDA über EUR 10 Mio. erwartet.

 

FAQs

 
 

Über uns

Die Rautenperle - das ist ein Team aus jungen Medienschaffenden und Sportjournalisten mit großer Affinität zum HSV. Wir sind 24/7 bei den Rothosen am Ball und produzieren frischen Content für Rautenliebhaber.

Unser Ziel ist es, moderne, unabhängige Berichterstattung und attraktiven, journalistischen Content für junge und jung gebliebene HSV-Anhänger zu bieten. Wichtig ist uns dabei, eine neue Art des Sportjournalismus zu präsentieren: dynamisch, zeitgemäß, zielgruppengerecht. Weg von verstaubten Zeitungsspalten und immergleichen Phrasen.

Die Rautenperle ist aber nicht nur ein Ort, um sich zu informieren, sondern soll auch immer ein Ort des Austausches und des Miteinanders sein. Wir wollen eurer Leidenschaft einen Platz im Netz bieten: zum Diskutieren, zum Mitfiebern, zum Mitmachen.