Marcus Scholz

19. August 2019

Heute war trainingsfrei. Erst morgen Nachmittag um 15.30 Uhr geht es sportlich weiter. Und während heute bis auf die Rekonvaleszenten niemand von der Mannschaft am Stadion war, tut sich innerhalb des HSV dennoch eine ganze Menge. Wie gestern bekannt wurde, kandidiert beispielsweise Bernd Hoffmann für das Amt des Stellvertretenden Sprechers des DFL-Präsidiums. Für das des dritten Sprechers wohlgemerkt, was erst einmal nicht top hochrangig klingt. „Ich wusste gar nicht so genau, was da alles gewählt wird, als ich das gelesen habe“, sagt Heribert Bruchhagen, der seinerseits bis 2016 insgesamt 15 Jahre als gewählter Vertreter dem Ligavorstand angehörte. „Früher gab es sieben Mitglieder“, so Hoffmanns Vorgänger beim HSV, „drei aus der Ersten und drei aus der Zweiten Liga, wobei ein weiterer Erstligavertreter zum Chef gewählt wurde. Was da jetzt alles gewählt wird habe ich zwar gelesen - aber ich habe es ehrlich gesagt nicht ganz verstanden.“ Sehr wohl erkannt hat Bruchhagen, worum es HSV-Vorstandsboss Bernd Hoffmann geht: Um Mitspracherecht, Einfluss - oder einfach: Macht.

Aber: In diesem Fall ist dieses Hoffmann oft negativ ausgelegte Streben für den HSV von Vorteil. Der HSV hätte gerade in Hinsicht auf existenziell wichtige Themen wie TV-Geldverteilung bzw. generell die Erstellung von Verteilerschlüsseln mit einem Vertreter im Präsidium direktes Mitspracherecht und könnte so die Interessen des HSV immer massiv mit einfließen lassen. „Ich bin frei davon, positiv über irgendwen sprechen zu müssen“, so Bruchhagen, dem ein angespanntes Verhältnis zu seinem Nachfolger Hoffmann beim HSV nachgesagt wird, „aber ich selbst habe es damals als Vorstandsvorsitzender bei Eintracht Frankfurt aus genau diesem Gesichtspunkt für mich immer legitimieren können. Ich habe es immer als wichtig angesehen, direkten Einfluss nehmen zu können. Und diesen Schritt zu gehen, halte ich für positiv für den jeweiligen Verein.“

HSV-Boss Hoffmann will sich ins DFL-Präsidium wählen lassen

Am Mittwoch wählen in Frankfurt die 36 Ligaverantwortlichen den stellvertretenden Sprecher, zwei Zweitligaverantwortliche und Aufsichtsräte der DFL - und Bruchhagen räumt Hoffmann gute Chancen ein. Inwieweit so ein Amt mit dem des Vorstandsvorsitzenden eines Bundesligisten vereinbar ist? „Ich hatte das Glück, zu diesem Zeitpunkt die meiste Zeit bei der Eintracht in Frankfurt Vorstandsvorsitzender zu sein. Ich musste quasi nur zweimal umfallen, schon war ich da. Aber der Aufwand ist schon da. Als erster Mann eines kleinen Klubs ist das schwierig, den Aufwand zusätzlich zu leisten. Aber beim HSV gibt es einen ausreichend großen Funktionsapparat, um dem Vorstandsvorsitzenden diese Zeiten einzuräumen. und wenn man zwischen den zeitlichen Kosten und dem Nutzen daraus abwägt, spricht auf jeden Fall alles dafür.“

Nimmt man die Causa Jatta als Grundlage, spricht noch mehr dafür, dass ein HSV-Verantwortlicher die Geschicke in Frankfurt mitbestimmt. Denn bis heute konnte sich die der DFB nicht durchringen, eine Entscheidung zu treffen. Hans E. Lorenz, der Vorsitzende des DFB-Sportgerichts, gab bislang lediglich einen vagen Zeitrahmen vor. „Ich gehe davon aus, dass die Angelegenheit bis spätestens Mitte September entscheidungsreif ist“, sagte er dem „Kicker“. Der DFB klärte die klagenden Klubs nun auf, dass die Klubs in der Beweispflicht seien. Der FCN und der VfL sowie alle ihrem Beispiel folgenden Vereine müssen also darlegen können, dass der HSV es schuldhaft zu vertreten hat, sollte Jatta nicht spielberechtigt gewesen sein. Bedeutet: Die Jagd auf Jatta sammelt nahezu automatisch von Woche zu Woche neue Jäger ein. Bislang müssen Nürnberg und Bochum zwar Informationen zusammentragen, die belegen, dass Jatta damals falsche Angaben über seinen Namen und sein Alter gemacht hat. Aber bis zu einem Urteil des DFB Mitte September können - oder müssen, wenn man der Argumentation des VfL Bochum folgt -noch weitere Vereine (Karlsruhe, Hannover, St. Pauli) Einspruch einlegen und sich so in die Situation bringen, Beweise gegen Jatta zu ermitteln, wenn sie  nachträgliche auf Punkte hoffen. Und das geht solange weiter, bis die DFL und der DFB eine klare Position bezogen haben.

Wahnsinn! Auch der KSC prüft bereits einen Einspruch

Ein auf Indizien beruhender Vorwurf führt hier eine ganze Liga ad absurdum und führt dazu, dass immer mehr Vereine gegen Jatta recherchieren. Zudem steht es zu befürchten, dass es sowohl in Deutschland als auch in den anderen europäischen Ligen noch einige sehr ähnlich gelagerte Fälle wie den Bakery Jattas gibt, die man dafür nutzen kann, das System kurzweilig zum Erliegen zu bringen. „An unserer Haltung und unserer Position hat sich durch Bochums Einspruch nichts geändert. Wir stehen weiterhin voll und ganz hinter unserem Spieler und Mitmenschen Bakery Jatta. Mit seiner Aussage vor dem DFB-Kontrollausschuss hat er dazu beigetragen, schnellstmöglich für Klarheit in der Angelegenheit zu sorgen“, bezieht Sportvorstand Jonas Boldt auf der Vereinshomepage (www.hsv.de) Stellung.

Boldt wählt dabei deutliche Worte: „Wir sehen weiterhin keinen Grund dafür, ihn aufgrund von Verdächtigungen nicht einzusetzen. Ich wiederhole mich, aber wir sprechen hier über Einsprüche aufgrund von Spekulationen und Vermutungen, bei denen andere in der Beweispflicht sind. Das ist doch absurd! Ich erwarte diesbezüglich auch den Schutz des Spielers und unseres Klubs durch den DFB und die DFL, z.B. durch eine zeitnahe Entscheidung über den Einspruch des 1. FC Nürnberg. Gerade vor diesem Hintergrund erschließt sich mir die Verlängerung der Begründungsfrist für den 1. FC Nürnberg nicht. Wir wünschen uns jetzt schnellstmöglich Klarheit in dieser Angelegenheit, auch zum Schutz eines weiteren geregelten Spielbetriebs. Der Bochumer Einspruch und die Karlsruher Überlegungen zeigen ja, welche Verunsicherung bei vielen Klubs völlig unnötigerweise herbeigerufen wird.“ Auch der KSC soll inzwischen die Möglichkeiten eines Protests für den Fall prüfen, dass Jatta am Sonntag zum Einsatz kommen sollte.

DFB und DFL sollten neben Jatta auch den HSV schützen

Noch mal: Sollte Jatta gelogen und seine Papiere gefälscht haben, muss er sich dem deutschen Rechtssystem in vollem Umfang stellen und damit rechnen, in Deutschland seinem Beruf als Profifußballes nicht weiter nachkommen zu können und gegebenenfalls die Aufenthaltsgenehmigung entzogen zu bekommen. Falls das allerdings nicht der Fall ist bzw., solange es dafür keinen Beweis gibt, muss er als unschuldig gelten. Und vor allem: Den HSV trifft in diesem Fall egal wie keine Schuld. der Klub hat die wiederholt klaren Aussagen des Spielers sowie einen gültigen Pass, der von deutschen Behörden geprüft wurde. Und der HSV hat eine Spielgenehmigung, die vom DFB auf Grundlage der behördlichen Prüfungen erteilt wurde. Der HSV selbst hat also weder bei Jattas Einreise noch bis heute auch nur eine aktive Handlung vorgenommen, um die persönlichen Daten Jattas in Deutschland zu bestimmen. Wenn hier also ein Fehler vorliegt, dann trifft es den HSV maximal als Kollateralschaden - nicht aber als Verursacher. Insofern ist dem HSV auch kein Unrecht anzulasten und es wäre ein Leichtes für die DFL und den DFB, das heute so schon festzuhalten und die Proteste der Nürnberger und Bochumer abzuweisen. So würde man auf zumindest weitere „Detektive“ vermeiden…

Aber okay, genug DFL und DFB für heute. Ich melde mich morgen früh wieder um 7.30 Uhr mit dem MorningCall bei Euch. Und abends natürlich mit dem Blog, der sich hoffentlich auch wieder maßgeblich mit dem Fußball beschäftigt. Zumindest wird morgen um 15.30 Uhr wieder am Stadion trainiert. Öffentlich. Zudem erscheint morgen Abend ein weiterer Rautenperle Talk. Diesmal zu Gast: Rechtsverteidiger Jan Gyamerah, mit dem ich natürlich auch über das Spiel gegen seinen Exklub, seine Position und seine Haltung zur Forderung von Trainer Dieter Hecking nach einem weiteren Außenverteidiger spreche.

Bis dahin!

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