Marcus Scholz

2. November 2018

Hannes Wolf ist kein Mann zu vieler Worte. Er reduziert sich auf das Nötigste, wie er selbst sagt. Und das gilt auch für die Mannschaft. Hier hatte der neue HSV-Trainer zuletzt auf Veränderung so weit wie möglich verzichtet. Wolf betonte immer wieder, dass er eine intakte Mannschaft vorgefunden habe und nur kleine Stellschrauben drehen müsse. Und diesem Motto bleibt er sich auch vor dem Spitzenspiel am Montag gegen den 1. FC Köln treu. Zumindest deutet vieles daraufhin.

Zum Beispiel das heutige, letzte öffentliche Training vor dem Spitzenspiel, in dem der HSV-Coach seine A-Elf nur auf einer einzigen Position veränderte. Und das zwangsläufig. Denn David Bates, der gegen Wehen Wiesbaden noch in derStartelf stand, ist am Montag gesperrt. Für ihn rückte heute - wie erwartet - Leo Lacroix ins A-Team. Soll heißen, Stand jetzt stünde gegen Köln folgende Elf auf dem Platz: Pollersbeck - Sakai, Lacroix, van Drongelen, Santos - Mangala - Narey, Holtby, Hunt, Arp - Lasogga.

Anders die Kölner. Die hatten zuletzt im Pokal gegen Schalke schon umgestellt - und Trainer Markus Anfang deutete heute an, dass er gegen den HSV erneut Veränderungen plant - sogar das System würde er umstellen. „Es gibt auch die Option, dass beide spielen. Wir müssen gucken, was am besten passt“, so Anfang heute auf die Frage, ob der Toptorjäger Simon Terodde oder der gegen Schalke starke Ersatz, Jhon Cordoba, beginnen würde. Der Kölner Trainer lobte Cordobas Auftritt nicht allein wegen des Treffers gegen den Erstligisten. Vielmehr sieht Anfang darin auch einen Mehrwert für seine Mannschaft - schon gegen den HSV: „Es ist schön für uns, dass sich nicht immer alles auf Simon konzentriert“, sagt Anfang.

Für den HSV dürfte das alles nur sehr wenig Unterschied machen, ob nun eine Spitze oder ein Zweiersturm kommt. Mit Lacroix und van Drongelen sowie den Außenverteidigern Sakai und Santos steht die Viererkette. Fast alternativlos, seitdem Josha Vagnoman im Kader verzichtet. Einen Außenbahnspieler, den ich für hochinteressant gehalten habe - und noch immer halte. Seit vier Spielen ist der gerade erst 17 Jahre junge Linksfuß bei der zweiten Mannschaft, in der es weiter rumort. Auch hier steht der Trainer, Steffen Weiss, seit einiger Zeit unter besonderer Beobachtung. Und Vagnoman auf der linken Seite in der Viererkette, die er auch gegen die rechte eintauschen kann. Wenn man jedoch ehrlich ist, dann muss man erkennen, dass der HSV auf der rechten Verteidigerseite weiterhin ein Problem hat. Und es ist schade bis fahrlässig, dass der HSV seinem weiterhin schwächelnden Rechtsverteidiger Sakai keine ernsthafte Konkurrenz macht. Zum Beispiel mit Vagnoman.

Man wolle mutiger und innovativer sein, sagte Sportvorstand Ralf Becker heute in der MOPO im Interview und schloss mit diesem Satz an die Aussagen seiner gefühlt 290 Vorgänger der letzten Jahre nahtlos an. Alle erzählten sie dasselbe - nur umsetzen konnte es bislang keiner. Auch jetzt nicht? Oder ist der Weg mit Wolf genauso mutig, da dieser kaum Veränderungen gegenüber seinem Vorgänger vornimmt? Das muss jeder für sich selbst entscheiden. Fakt ist, dass der HSV angesichts seiner finanziellen Situation innovativer werden MUSS, wenn er Erfolg haben will, ohne sich weiter in die Abhängigkeit großer Geldgeber zu bewegen.

Auch hier gestaltet sich die Situation beim 1. FC Köln anders. Mit dem identisch erwarteten Umsatz von rund 100 Millionen Euro rechnet man bei dem Titelfavoriten mit einer schwarzen Null im aktuellen Geschäftsjahr, während diese Zahl beim HSV ein Minus von mehr als 20 Millionen Euro reißen würde. Und Schuld daran sind nicht die Kaderkosten von 28,5 Millionen Euro (Köln hat 24 Mio). Vielmehr reduzieren sich diese Kaderkosten beim HSV sogar noch einmal um 40 Prozent der Gehälter von Jairo, Jung und Papadopulos, die schon seit mehr als sechs Wochen (ab der siebten Woche zahlt die BG) ausfallen. Insofern sind selbst die Kaderkosten inzwischen sehr nah beieinander. Es ist und bleibt die Altlast der letzten Vorstände, die den HSV in eine Schuldenfalle geritten haben, weil sie dachten, man würde von Klaus Michael Kühne schon das Geld bekommen, was man braucht, um trotzdem erfolgreich sein zu können. Aber das Thema hatten wir hier auch schon 100000-mal… Ich habe das Interview mit Becker heute sehr gern gelesen. Ebenso das mit Huub Stevens in der BILD. Und das, obwohl der Niederländer, der sowohl den HSV als auch den 1. FC Köln trainiert hat, den 1. FC Köln vorn sieht. Die Rheinländer seien reifer, sagt Stevens, der den Tabellenführer auch als ersten Titelanwärter sieht. Warum, wollten meine Kollegen wissen. Und Stevens antwortete, weil bei den Kölnern im Verein mehr Ruhe herrsche als in Hamburg. Ein Umstand, den er selbst in seiner Zeit als HSV-Trainer live miterlebt hat. Auch er hat erlebt, wie sich der HSV intern selbst schwächte, weil alle mitreden wollten und ihre Kompetenzbereiche überschritten. Und Stevens vermutet offenbar, dass seine jungen Nachfolger wie zuletzt Titz und jetzt auch Wolf (noch) nicht die Courage haben dürften, so selbstbewusst zu reagieren wie er damals, als er einfach vor dem Training seine Sachen packte und nach Hause fuhr, nachdem ihm Entscheidungsträger erzählen wollten, was er im Spiel am Abend davor alles falsch gemacht hatte. Erst das gemeinsame Einwirken des Sportchefs und des Pressesprechers brachten Stevens dazu, doch wieder zum Stadion zurückzufahren und das Training zu leiten.

Aber ich glaube, Stevens irrt sich ausnahmsweise. Denn die jungen HSV-Trainer sind deutlich robuster, als er denkt. Wir hatten heute die Gelegenheit, Hannes Wolf mal abseits des Platzes ein wenig kennenzulernen. Wir haben knapp eine Stunde mit ihm zusammengesessen und ihn fragen dürfen, was wir fragen wollten - ohne dass diese Aussagen zitiert werden. Es war ein sehr nettes, kurzweiliges Hintergrundgespräch. Und ohne Geheimnisse daraus zu verraten, kann ich zumindest festhalten, dass der HSV mit Wolf einen jungen, aber auch sehr selbstbewussten Trainer geholt hat. Wolf ist extrem klar strukturiert und hat einen Plan, den er vehement durchzieht. Er weiß genau, dass der Trainerjob in Hamburg kurzweiliger ist als anderswo - aber es stört ihn nicht sonderlich. Weil er zum Sportvorstand ein langes, gutes Vertrauensverhältnis hat. Vor allem aber, weil er von sich und seiner Idee absolut überzeugt ist.

Bleibt zu hoffen, dass Wolf auch für das große Spiel gegen den 1. FC Köln am Montag die richtige Idee haben wird. Morgen und Sonntag kann er diese noch einstudieren. Und das zunächst weiter ohne Hee-Chan Hwang, der heute eine intensivere Laufeinheit absolvierte und morgen das erste Mal wieder mit dem Ball trainieren kann. Sollte alles nach Plan verlaufen, könnte der Südkoreaner am Sonntag  voll ins Mannschaftstraining einsteigen und am Montag wieder im Kader stehen.

In diesem Sinne, bis morgen! Scholle

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