Marcus Scholz

8. Juni 2018

„Wenn es einen talentierten Jungen gibt, der sich danach verzehrt beim HSV zu spielen und gefühlt sogar noch dafür bezahlen würde, dann MUSS der HSV ihn einfach mitnehmen und es probieren“, hat mir ein psychologisch sehr gebildeter Herr, der in der Öffentlichkeit nicht genannt werden mag, einmal gesagt. Gemeint waren damit Transfers von Spielern wie beispielsweise Martin Harnik, Max Kruse und anderen, die als HSV-Fans den Weg zum HSV nie fanden. Und das auch, weil der HSV in der Vergangenheit immer das Ferne dem Naheliegenden vorgezogen hat. Siehe eben auch jene beiden Beispiele, die ihren Weg in der Bundesliga sowie in der Nationalmannschaft gingen – obwohl sie hier durchfielen. „Allein die Identifikation mit dem Klub setzt Kräfte frei, die andere nicht haben und sorgt für einen hohen Motivationsgrad“, so mein Bekannter, der angesichts der aktuellen Entwicklung beim HSV seine helle Freude hätte.

Und das nicht, weil Harnik oder Kruse in Hamburg gelandet sind. Nein, die beiden werden in Bremen noch mindestens ein Jahr für Furore sorgen, sofern sie gesund bleiben. Davon bin ich überzeugt. Nein, vielmehr geht auch der HSV endlich den Weg über regionale Talente, über Identifikation. Zum Teil durch den Abstieg und die finanziellen Zwänge dazu gedrängt. Zum anderen Teil aber auch, weil Becker Spieler mit hoher Identifikation langfristig binden möchte. Josha Vagnoman hatte Dienstag seinen vertrag unterschrieben. Und heute kam Tom Mickel, der seinen Vertrag vorzeitig bis 2021 verlängerte, dazu.

Der 29-jährige Keeper ist mit einer zwei Jahre währenden Unterbrechung bei der SpVgg Greuther Fürth (2013 bis 2015) seit 2009 beim HSV. Und hier seither als Ersatzkeeper immer einer der fleißigsten Spieler im Kader. In der letzten Saison hatten wir des Öfteren das Thema Torhüter. Und immer wieder habe ich geschrieben, dass allein den Trainingsleistungen entsprechend Tom Mickel immer wieder am auffälligsten ist. Im positiven Sinne. Trotz der erst zwei Bundesligaeinsätze hat Mickel nie gestänkert sondern sich immer in den Dienst der Mannschaft gestellt. „Tom bringt eine extrem hohe Identifikation mit dem HSV mit. Sportlich wie auch charakterlich ist er eine sehr wichtige Personalie für unsere Mannschaft. Wir freuen uns deshalb sehr, dass wir den Vertrag verlängern konnten“, sagt HSV-Sportvorstand Ralf Becker, dessen Arbeit mir immer sympathischer wird.

Denn endlich habe ich das Gefühl, dass hier ein Sportchef agiert, der nicht immer in teuren Preisen und fernen Klubs nach dem Heilsbringer sucht. Stattdessen hat Becker erkannt, dass auch das HSV-Umfeld sehr wohl bereit ist für „kleine“ Lösungen, die auf Sicht große Lösungen werden können. Auch bei Mickel sieht Becker meiner Meinung nach zurecht, dass der 29-Jährige absolutes Bundesligaformat hat.

Toptalent Pollersbeck als Nummer eins, den seit Jahren bekennenden HSVer Mickel als Nummer zwei, und als Nummer drei mit Morten Behrens, der gestern bis 2020 unterschrieb, ein Talent aus den eigenen Reihen. Damit hat man einen Keeper mit dem Potenzial Spitzenklasse als eins, einen erfahrenen, außergewöhnlich soliden Keeper als Nummer zwei und einen aufstrebenden, lernwilligen Torwart an drei. Genau so stelle ich mir perspektivische Planung mit der Lösung für den Moment vor! Chapeau!

Den Hut ziehe ich aber auch immer wieder vor Tom Mickel, der die letzten Jahre geduldig auf seine Chancen gewartet und für den HSV auch Engagements mit mehr Aussicht auf Einsätze ausgelassen hat. In der Mannschaf gilt Mickel als vorbildlicher Sportsmann, der auch in schlechteren Phasen immer wieder versucht hat, die Mannschaft zusammenzuhalten.

Und das offenbar mit Erfolg: „In den Tagen nach dem Abstieg haben wir uns als Mannschaft noch einmal getroffen. Das war eine freiwillige Veranstaltung und trotzdem sind fast alle gekommen und wir hatten nahezu geschlossen das Gefühl, dass wir das reparieren müssen, was hier passiert ist. Insofern stimmt es schon, es herrscht tatsächlich ein sehr großer Zusammenhalt“, erklärt  Mickel heute im Interview auf hsv.de und ergänzt seine persönlichen Beweggründe, beim HSV zu verlängern: „Ich bin ja nicht nur Spieler des Vereins, sondern ich liebe diesen Verein. Ich spiele so lange hier, meine beiden Kinder sind in Hamburg geboren und wachsen mit dem HSV auf, beide haben etliche HSV-Trikots zu Hause – für mich und meine Familie hat der HSV einfach eine riesengroße Bedeutung. Ich kann mir keinen Ort und keinen Verein vorstellen, wo ich lieber wäre als hier. Deshalb werde ich immer alles für den HSV geben.“

Und ganz ehrlich: Wenigen glaube ich das so wie ihm. Volker Schmidt hatte dieses HSV-Gen in sich, Collin Benjamin war ein HSVer durch und durch. Ebenso wie einige nie Geholte. Auffällig dabei: Irgendwie hatten immer diejenigen den höchsten Grad an Identifikation, die sportlich eher kritisch gesehen wurden. Wie (von mir weniger) Fiete Arp und auch Dennis Diekmeier, der von vielen kritisch beurteilt wurde, der aber außerhalb des Platzes bis heute die Identifikation mit dem HSV in Reinkultur lebt. Umso schöner zu sehen, dass mit Mickel ein Profi bleibt, dem man es abnehmen darf, wenn er beim Jubeln die Raute auf dem Trikot küsst...

Eigentlich wollte ich heute nach der Frag- und Antwort-Runde ausschließlich die interne Analyse mit dem Rautenperlen-Team vorantreiben. Aber als die Mickel-Meldung kam, war mir klar, dass das kommentiert gehört. Ebenso wie es für mich zum guten Ton gehört, dem HSV, Tom sowie vor allem auch der HSV-verrückten Großmutter Karin ganz herzlich zum neuen Vertrag zu gratulieren!

In diesem Sinne, bis morgen! Dann auch mit Reaktionen zur Pokalauslosung. Die ARD überträgt im „Sportschau Club“ (ab 22.15 Uhr) nach der WM-Generalprobe live. Als Ziehungsleiter ist DFB-Präsident Reinhard Grindel eingeteilt, die Lose zieht die Moderatorin und Schauspielerin Palina Rojinski.

 

Bis später,

Scholle

FAQs

 
 

Über uns

Die Rautenperle - das ist ein Team aus jungen Medienschaffenden und Sportjournalisten mit großer Affinität zum HSV. Wir sind 24/7 bei den Rothosen am Ball und produzieren frischen Content für Rautenliebhaber.

Unser Ziel ist es, moderne, unabhängige Berichterstattung und attraktiven, journalistischen Content für junge und jung gebliebene HSV-Anhänger zu bieten. Wichtig ist uns dabei, eine neue Art des Sportjournalismus zu präsentieren: dynamisch, zeitgemäß, zielgruppengerecht. Weg von verstaubten Zeitungsspalten und immergleichen Phrasen.

Die Rautenperle ist aber nicht nur ein Ort, um sich zu informieren, sondern soll auch immer ein Ort des Austausches und des Miteinanders sein. Wir wollen eurer Leidenschaft einen Platz im Netz bieten: zum Diskutieren, zum Mitfiebern, zum Mitmachen.