Marcus Scholz

19. Juni 2018

Prinzipien können helfen. Zum Beispiel, konsequent zu bleiben in Phasen, wo man wackelt. Allerdings verführt allzu prinzipielles Handeln auch schnell dazu, phlegmatisch zu werden. „Verbohrt“ nennt man das dann auch immer wieder. Jede/r von uns kennt diese Menschen, viele von uns sind vielleicht sogar selbst so. Allein der Blog hat in den letzten Jahren, mit Matz ab angefangen bis heute, einige dieser Menschen hervorgebracht. Ehemalige Blog-User, die ob ihres Verhaltens gesperrt wurden und seit Jahren Tag für Tag versuchen, hier wieder mitmachen zu dürfen. Mehrfach täglich sogar. Und weil sie eben nicht anders können, hören sie nicht auf. Aus Prinzip. Die wiederkehrenden Fragen, wie ich mit all dem umgehe, kann ich immer schlüssig beantworten: Ich ignoriere hier, was ich nicht verändern kann. Zumal dann, wenn es schon pathologische Auswüchse offenbart.

Deutlich mehr Hoffnung auf gesünderen Umgang liefert da der deutsche Fußball-Fan an sich. Hier ist es lange nicht pathologisch, eher etwas panisch angehaucht. Denn irgendwie ist man nie wirklich zufrieden, solange nicht der maximale Erfolg und Dominanz da ist. Zudem werden Niederlagen zu Katastrophen hochstilisiert. Oder eben „peinliche Blamagen“, wie das Mexiko-Spiel. Ein Großteil hat eben diese Angewohnheit, alles noch schlechter zu reden, als es tatsächlich ist. Vielleicht, um nicht enttäuscht zu werden, wenn es tatsächlich schiefgeht.

Oder doch aus Prinzip?

Sollte dem so sein, sollten wir das unbedingt ändern. Denn ich kann diese Untergangsstimmung nach dem 0:1 nicht verstehen. Wobei: Während ich im Blog gern schweige und mir meine Teil denke, will ich diesen Umgang mit der Nationalelf so nicht akzeptieren. Zumal es durchaus möglich ist, dass die DFB-Elf sowohl am Sonnabend gegen Schweden als auch am kommenden Mittwoch gegen Südkorea gewinnt und ins Achtelfinale einzieht.

Ich will auch daran glauben. Wie ich beim HSV bis zum Schluss an den Klassenerhalt wollte. Allerdings diesmal mit dem ganz wesentlichen Unterschied, dass hier auch die fußballerische Qualität vorhanden ist, um realistisch ans Achtelfinale glauben zu dürfen. Ich versuche ganz einfach, in Lösungen zu denken. Soll heißen: Ich verwende weniger Zeit darauf, mich über die Fehler zu ärgern, als die Verbesserungen/Lösungen dafür zu suchen. Und genau deshalb zähle ich mich auch nicht zu den oben genannten „verbohrt“ prinzipientreuen Menschen, sondern eher zum Kreis der Optimisten. Denn wie sagte mal ein schlauer Mensch zu mir: „Energie folgt immer der Aufmerksamkeit“. Und das stimmt. Deshalb ärgert mich diese teilweise schon künstliche Aufregung rund um die Nationalelf.

Wobei: Mit Ausnahmen. Christoph Kramer gefällt mir hierbei besonders gut. Er legt kurz und knapp offen, welche Fehlerursachen er entdeckt hat und bietet im gleichen Atemzug dazu eine Lösung an. Ich feiere das ZDF bis heute für diese Expertenwahl. Der junge Nationalspieler vermittelt das Gefühl, nah dran zu sein an seinen Teamkollegen. Er verschweigt nichts, übertreibt aber auch nicht, sondern wirkt klar. Ich hoffe, dass die Mannschaft so tickt wie Kramer und sich nicht von den vielen negativ und tendenziös berichtenden Kollegen beeinflussen lässt.

Was ich meine? Ein Beispiel: Heute gab es eine mannschaftsinterne Sitzung, wie Manuel Neuer erklärte, in der es offen und ehrlich zur Sache ging. Es gelte jetzt, wieder zu machen, und weniger zu reden. Noch weniger wolle man nach schlechten Vorzeichen suchen, wie es Boris Büchler gerade im ZDF machte. Der geschätzte TV-Kollege fasste die komplette Neuer-Pressekonferenz doch tatsächlich mit dem Schluss zusammen, dass die Nationalmannschaft das nächste Spiel offenbar mit der Selbstgefälligkeit eines Weltmeisters angehe. Und das nur, weil Neuer nach gefühlt 1000 ehrlichen Kritiken an sich und seinen Kollegen zuzüglich der dazugehörigen Versprechen auf Besserungen sowie Schilderungen von reinigenden Aussprachen einmal sagte: „Das wird schon.“ Bitter. Und bezeichnend.

Ich hatte vor der WM tatsächlich kein besonders gutes Gefühl. Ich kam irgendwie nicht in Stimmung wie vor den letzten Weltmeisterschaften und war auch lange nicht so euphorisch, was die Form der DFB-Elf betraf, wofür ich mir ordentlich Kritik meiner konsequent optimistischen Frau gefallen lassen musste. Und jetzt, wo mich das erste Spiel eher bestätigt denn widerlegt, schwenke ich plötzlich um. Und ich mache das voller Überzeugung. Warum? Ganz einfach: Ich glaube daran, dass dieses Mexiko-Spiel die Mannschaft wachrütteln wird und sie durch die Miesmacherei aus dem Umfeld noch enger zusammenwachsen kann.

Zudem gab es intern ein paar positive Entwicklungen, wie sie Neuer heute ansprach und der Trainer hat einfach unfassbar viele gute Möglichkeiten hat, die Startelf so zu verändern, dass sie von Beginn an die zuletzt vermissten Eigenschaften auf den Platz bringt und fußballerisch wieder Weltklassefußball zeigen kann. Und das alles, ohne dabei den einen oder anderen arrivierten Spieler vor den Kopf zu stoßen.

Apropos arriviert: Wieder in Hamburg angekommen ist HSV-Sportvorstand Ralf Becker. Und das mit erfreulichen Ergebnissen aus Brasilien, denn während für Walace Interessenten da sind, wird Douglas Santos trotz seiner Wechselgedanken die kommende Saison beim HSV in der Zweiten Liga spielen. Angesichts eines bis 2021 laufenden Vertrages eigentlich nichts besonderes – aber in diesen Zeiten, wo Verträge oft nicht mehr das wert sind, was das Papier gekostet hat, worauf dieser Vertrag geschrieben steht, eben schon.

Und ich freue mich sehr darüber. Denn ich glaube insbesondere bei Santos daran, dass er sich in den kommendem Monaten und Jahren als Linksverteidiger noch weiter verbessern wird. Und sollte nicht doch noch vor Saisonbeginn ein unablehnbares Angebot für den Brasilianer kommen, wird es in den nächsten Jahren kommen. Davon bin ich angesichts der letzten Entwicklung Santos’, den Trainer Christian Titz partout nicht ziehen lassen will, überzeugt. Und im Fall Santos freue ich mich sogar mal über diese Entscheidung aus Prinzip, während ich hoffe, dass man alle vorgefertigten Meinungen für die Rückkehr von Alen Halilovic über Bord wirft und bei Null beginnt. Beide Seiten wohlgemerkt.

Denn während der HSV keinen Hehl daraus gemacht hatte, den Kroaten gern abzugeben, sofern sich ein Abnehmer findet. Und der kleine Kroate hatte seinerseits keine Anzeichen gemacht, gern nach Hamburg zurückzukehren, nachdem seine erste Zeit hiernach sechs Monaten und ebenso vielen Ligaspielen schneller endete, als es geplant war. Damals übrigens unter Trainer Labbadia mit vier Einsätzen, während Markus Gisdol den kleinen Dribbelkünstler nur zweimal kurz spielen ließ, ehe er ihn aussortierte.

Aber bevor jetzt hier wieder auf Gisdol eingedroschen wird: Halilovic ist ein schwerer Typ. Undiszipliniert nannte ihn Gisdols Assistenztrainer mal und umschrieb damit, dass Halilovic sich nicht an Regeln halten wollte, die für alle galten. Das Handy in der Kabine ist hierbei nur eines von mehreren Beispielen. Aber zum Glück ist Titz ein Trainer der allen Spielern ihre Chance gibt und unbefangen an Leute herantritt. Und vor allem ist er einer, der durch seine individuellen Förderungen oft noch etwas aus den Spielern herauskitzelt, sie besser machte. Warum also nicht auch aus Halilovic...?

In diesem Sinne, bis morgen.

Scholle

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