Marcus Scholz

22. März 2019

 

Als gegen 13 Uhr die Meldung via HSV-Website verkündete wurde, war Lewis Holtby nach der Vormittagseinheit schon in der Kabine verschwunden. Sauer, weil das Training nicht so verlaufen war, wie er es sich vorgestellt hatte. Bei Schussübungen zweier Mannschaften hatte Trainer Hannes Wolf den Einsatz mit Extraläufen für die Verlierer versehen - und Holtbys Team unterlag. Aber diese Erklärung dürfte nur die halbe Wahrheit sein. Denn keine 30 Minuten später wurde vom HSV veröffentlicht, was Holtby längst wusste: Der im Sommer beim HSV auslaufende Vertrag mit dem Vize-Kapitän wird nicht verlängert. Das Aus für den Mittelfeldspieler, der im Sommer sein fünfjährigesHSV-Jubiläum gefeiert hätte. In der Pressemitteilung heißt es:

 

HSV UND LEWIS HOLTBY TRENNEN SICH NACH DIESER SAISON

SPORTVORSTAND RALF BECKER INFORMIERT DEN MITTELFELDSPIELER ÜBER DIE ZUKUNFTSPLANUNGEN - ABSCHIED VON DEN ROTHOSEN NACH FÜNF JAHREN.

Der HSV nutzt die Länderspielphase zur Vorbereitung auf den Zweitligaendspurt. Parallel treibt Ralf Becker die Zukunftsplanungen voran. Der Sportvorstand führt derzeit viele Sondierungsgespräche und plant in enger Abstimmung mit Trainer Hannes Wolf den Kader für die Zukunft. In diesem Kontext haben die beiden Verantwortlichen am gestrigen Donnerstagabend (21. März) mit Lewis Holtby gesprochen und dem Mittelfeldspieler mitgeteilt, dass der HSV kein neues Vertragsangebot unterbreiten werde. Den Verantwortlichen war es wichtig, dem verdienten HSV-Spieler die Entscheidung fair und frühzeitig zu kommunizieren. Im Ergebnis werden Holtby und der HSV ab dem kommenden Sommer getrennte Wege gehen.

„Lewis hat unsere Entscheidung sehr professionell aufgenommen. Er wird sich weiterhin maximal in unsere gemeinsamen Aufgaben knien und seinen Beitrag dazu leisten, mit dem HSV den größtmöglichen sportlichen Erfolg zu erreichen“, sagt Becker.

Holtby, der 2014 zunächst als Leihspieler von Tottenham Hotspur zum HSV gewechselt war, ehe er 2015 fest verpflichtet wurde, steht noch bis zum 30. Juni 2019 unter Vertrag.

 

Wie erwartet verbreitete sich die Nachricht in den sozialen Netzwerken rasend schnell. Und ebenso erwartet war für mich, dass viele so genannte Fans sofort schadenfroh reagieren. Vom „Mitläufer“ war die Rede. Oder vom „Dauerläufer ohne Wirkung“, um nur mal die despektierlichen Kommentare ohne direkte Beleidigungen herauszunehmen. Ganz nebenbei wurde inhaltlich schlich diskutiert, ob der HSV hier richtig handelt oder nicht. Dabei ist die Antwort ganz einfach: Wenn der HSV für Holtby Position eine bessere Lösung hat, dann ist die Entscheidung richtig. Wenn nicht, macht der HSV einen großen Fehler. Und ja! Mir ist klar, dass wir die Antwort darauf erst in der neuen Saison sehen werden, wenn der Ersatz da ist. Was mich aber wundert ist der Zeitpunkt der Verlautbarung. Zumal der Sportvorstand Ralf Becker, der die Entscheidung verkündet hat, im selben Moment in einem Interview auf der Vereinshomepage sagt:

„Es geht jetzt gleich zur Sache: Wir haben in der Liga noch acht Endspiele und wahnsinnig intensive Wochen vor uns. Wir biegen auf die Zielgerade ein und haben bei einem 400-Meter-Lauf die letzten 80 Meter vor uns. Wir müssen jetzt in der Englischen Woche direkt voll da sein. Es ist etwas schade, dass aktuell so viele Spieler bei der Nationalmannschaft sind und erst am Dienstag und Mittwoch nach Hamburg zurückkehren, aber unsere totale Fokussierung gilt dem Spiel in Bochum.“

Weshalb man sich trotzdem in diese Phase eine solche Personalentscheidung legt - keine Ahnung. Zumal der HSV nach dem längerfristigen Ausfall von Aaron Hunt bei aller Qualität mit Sicherheit einen rundum funktionierenden Holtby sehr gut gebrauchen könnte.

Es war in den letzten Tagen - die Mopo hatte es heute auch geschrieben - schon auf Holtbys Instagram-Account zu verfolgen, dass der Mittelfeldspieler schlecht drauf war. Rechnet man heute die Reaktion im Training dazu muss man kein Prophet sein, um zu erkennen, dass diese Trennung nicht als Erleichterung für beide Seiten zu werten ist. Der Umstand, dass man Holtby nicht mal ein Angebot zur Verlängerung unterbreitet hat dürfte für Holtby selbst nur schwer zu akzeptieren sein. Auch deshalb befürchte ich im Gegensatz zum Sportvorstand sehr wohl, dass diese Entscheidung negative Auswirkungen auf dessen Leistungen haben könnte. Um nicht zu sagen: dass sie es haben wird. Und das in einer Phase, in der sich alles entscheidet. Holtby selbst wollte sich zu dem Thema heute nicht äußern, was den Verdacht, dass hier nur eine Seite glücklich ist mit der Entscheidung, noch zusätzlich nährt.

Aber trotzdem noch mal weg vom Zeitpunkt und hin zur Entscheidung aus rein sportlicher Sicht: In den letzten Spielen hatten im Mittelfeld andere die Nase vorn. Holtby ist hinter Mangala, Janjicic und Özcan die Nummer vier für drei Positionen - Aaron Hunt mal außen vor gelassen. Und das, obgleich Holtby in der letzten Fehlzeit von Hunt zu Jahresbeginn die Rolle im Zentrum stark gespielt hatte, was noch einmal verdeutlicht, dass der Linksfuß hier von jeher einen schweren Stand hat. dass man ihm auch jetzt, wo er auf knapp drei Millionen Euro für seine Vertragsverlängerung verzichtet hatte, das Preis-Leistungsverhältnis vorwirft, halte ich für falsch. Dass das in den Jahren zuvor  mit ihm als Topverdiener zweifelsfrei nicht stimmig war - akzeptiert. Aber in dieser Saison hat Holtby sportlich nicht enttäuscht.

Holtby hat sich auf wie neben dem Platz im Team eingebracht. In 24 von 26 Spielen (zweimal verletzt und zweimal eingewechselt, sonst Startelf) war er auf dem Platz. Er führte die Mannschaft sieben Spiele als Kapitän auf den Platz, traf selbst viermal, bereitete fünf Treffer vor und war so umgerechnet an jedem vierten Tor beteiligt. Alles Daten, die für eine gute Saison sprechen. Zumal er immer zu den drei laufstärksten Spielern auf dem Platz zählte. Aber: Holtby ist leicht loszuwerden, ohne einen großen Aufschrei damit zu erzeigen. Zumal Holtby hier in Hamburg durch die letzten Jahre bei vielen Anhängern und durch seine interne Renitenz bei der Titz-Entlassung beim aktuellen Vorstand (und einigen Pressekollegen) einen sehr schweren Stand hat.

Von daher ist die Frage, ob diese Entscheidung nur sportlich getroffen wurde, durchaus erlaubt. Aber diese Zweifel sind vom Vorstand leicht zu beantworten, indem man einen besseren Spieler findet. Denn diesem unromantischen Kriterium muss sich nunmal ein Fußballprofi stellen. Loyalität hin oder her - am Ende entscheidet die Qualität auf dem Platz über richtige und falsche Personalpolitik. Wo weiß man das besser als hier beim HSV…

Für eine gute Saison bzw. für eine noch bessere Pokalserie plant der HSV indes, nach dem Spiel gegen Bochum  ein Trainingslager zu beziehen. „Wir hätten nach dem Spiel in Bochum erst nach Hause fahren müssen, wären Samstagabend hier und am Sonntag bist du dann eh platt vom Spiel und vom Reisen. Und am Montag fährt du schon wieder los, da haben wir gesagt, wir können da bleiben. das ist ein guter, schöner Ort und du kannst da die Analyse machen, das Spielersatztraining und dich regenerieren. Die Bedeutung dieses Spiels ist ja eindeutig“, erklärte Hannes Wolf heute, und ergänzte: „Es war auch der Wunsch aus der Mannschaft, und das fand ich auch gut. Dass die Jungs sagen, wir müssen jetzt nicht hin und her fahren, sondern lass uns da bleiben, das spricht auch erstmal dafür, dass die Jungs gern zusammenbleiben und nicht die erstbeste Gelegenheit nutzen, um auseinander zu gehen.“

Von Bochum aus geht es also in das eine Autostunde von Pokalgegner Paderborn entfernt liegende Harsewinkel, wo der HSV schon mehrfach gastierte, als es in der Bundesliga in heiße Phasen ging. Becker dazu: „Wir wollen natürlich auch ins Halbfinale einziehen, wenn wir schon einmal im Viertelfinale stehen. Wir wollen eine perfekte Vorbereitung in den drei Tagen absolvieren und können vor Ort viel schneller in die Regenerationsphase gehen.“ Klingt logisch.

Apropos Regeneration:  Die hier gebliebenen HSV-Profis absolvierten heute ihre letzte Einheit bis kommenden Dienstag, wo Gideon Jung nach seinem Infekt wieder einsteigen soll. Fünf Tage am Stück zu trainieren vor einem Spiel seien aus sportphysiologischer Sicht ein Tag zu viel, so Wolf heute nach der Einheit, in der Kyriakos Papadopoulos erneut problemlos mitwirkte. Sollte er das schaffen, hatte Trainer Hannes Wolf vor einigen tagen gesagt, dann sei er eine ernste Alternative für das nächste Punktspiel in Bochum. „Ja, das stimmt“, so Wolf heute, „er hat die vier Einheiten hintereinander wegtrainiert, das war schon mal sehr gut. Ich hoffe, dass es so bleibt und wir ihn dann auch zurückbekommen.“ Ergo: Bleibt Papadopoulos gesund, wird er in Bochum wohl das erste Mal in dieser Saison dabei sein können.

In diesem Sinne, bis morgen.

Scholle

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