Marcus Scholz

16. April 2018

Das Wichtigste am heutigen Tage aus HSV-Sicht kommt erst noch, wenn Freiburg gegen Mainz angepfiffen wird. Gewinnen die Mainzer sind es acht Punkte Rückstand für den HSV, dem nur noch vier Spieltage bleiben, um doch noch das Wunder zu schaffen und den Relegationsplatz zu erreichen. Wie unwahrscheinlich das auch sein mag, faktisch möglich ist es noch. Und deshalb verbietet es sich für jeden HSV-Verantwortlichen, den Abstieg schon heute zu verkünden bzw. schon zu kapitulieren. Auch wir hier im Blog sollten das nicht tun. Allerdings, und damit komme ich zu dem entscheidenden Aber: Weder die HSV-Verantwortlichen noch wir sollten so realitätsfremd sein, uns nicht schon auf eben jenen Moment vorzubereiten. Wir mental, während die HSV-Verantwortlichen auch personell und strukturell alles vorbereiten müssen, um nicht erst im letzten Moment reagieren zu können. Ich glaube, so „einfach“ ist die Situation beschrieben.

Die Hoffnung ist dabei niemanden zu nehmen. Egal wie realitätsfremd es mir auch vorkommen mag, es steht mir nicht zu, an Fakten vorbei zu diskutieren. Noch weniger würde ich mir erlauben, irgendwen für seine unerschütterliche Hoffnung zu verurteilen. Fan zu sein bedeutet eigentlich eher in der Ausnahme, rational zu sein. Fan sein bedeutet, träumen zu dürfen von Dingen, die sich vielleicht nie erfüllen. Auch deshalb schreibe ich es immer wieder: Der Glaube ist bei mir durch die teilweise fahrlässig gemachten Fehler verloren gegangen, aber eine Resthoffnung bleibt. Mir ind sicher auch sonst noch einigen von uns.

Zu jenen zählte bei der Inthronisierung Bernd Hollerbachs auch Felix Magath noch. Gestern jedoch sendete der NDR einen hoch interessanten Bericht mit ehemaligen und aktuellen Verantwortlichen über die Situation des HSV. Und eben jener Magath wählte mehr als deutliche Worte der Kritik für die HSV-Führung der letzten 20 Jahre. „Seit 20 Jahren sind es nur die Trainer, die jedes Jahr drei, viermal gewechselt werden, wenn es geht. Wo das hinführt, sieht man jetzt beim HSV. Es wird überhaupt nicht darüber gesprochen, dass ständig Geld verschleudert wird für eigenes Unvermögen. Die Verantwortung dafür trägt niemand.“ Im Gegenteil: Die Verantwortlichen des Niederganges haben beim HSV nicht nur viel Geld damit verdient sondern wurden am Ende nicht selten auch noch dafür abgefunden, gehen zu müssen. Oder in ihrem Fall: Gehen zu dürfen.

Magath hat tatsächlich sehr viele sehr wahre Dinge angesprochen. Er sprach unter anderem von Selbsterfüllung und Amtsmissbrauch beim HSV. Die hier Verantwortlichen hätten in den letzten Jahren nicht für den HSV gelebt, sondern der HSV sei für ihre Selbsterfüllung missbraucht worden. Und diesen Vorwurf kann man tatsächlich auf allen Ebenen machen. In dem Aufsichtsrat, auf Vorstandsebene und sogar im sportlichen Bereich bei dem einen oder anderen Trainer.

Wie überall gibt es natürlich auch hier mit Ausnahmen – und deshalb muss ich Magath zumindest in einem Punkt widersprechen. Denn ich sehe die Liaison von Trainer Christian Titz und dem HSV als Win-Win-Situation. Denn natürlich möchte Titz seine Stelle als Cheftrainer des HSV dafür nutzen, sich bundesweit einen guten Namen zu machen. Und das ist auch gut so. Denn so ist zumindest die Motivation garantiert, hier auch mit der Mannschaft etwas reißen zu wollen. Denn eines ist klar: Titz hat diesen großen Namen noch nicht. Er ist kein Bert van Marwijk, dem gefühlt alles scheißegal war, weil er sein Netzwerk über viele Jahre zuvor aufgebaut hatte und unabhängig vom damaligen Ausgang beim HSV weiterhin einen guten Namen haben würde. Es ist der kleine Makel in der dringend notwendigen Rede Magaths.

Menschlich ist es nachvollziehbar, da sich Magath in den letzten Jahren immer wieder in führender Position angeboten hatte. Bis heute ohne Erfolg. Und mit Bernd Hoffmann ist aktuell derjenige der stärkste Mann im Klub, der Magath ganz sicher nicht in eine führende Position bzw. in überhaupt irgendeine Position holen wird. Auch deshalb sagte Magath, dass seine Hoffnungslosigkeit aus dem Umstand entstanden sei, dass man aus den Fehlern der Vergangenheit nicht gelernt habe und insbesondere. Magath nannte Hoffmann sogar als Beleg dafür: „Wir haben dieses Jahr wieder lernen dürfen, dass sich nichts geändert hat und jemand über den Umweg 'Präsident des HSV' wieder an verantwortlicher Stelle in den Verein kommt.“ Harter Tobak von Magath, der mit dem HSV abgeschlossen zu haben scheint. Zumindest mit dem, wie er sich aktuell darstellt.

Und so gut es ist, dass sich jemand wie Magath hinstellt und noch mal deutlich macht, woran der HSV seit Jahren krankt, was auch hier fehlt ist der Blick nach vorn. Es wird alles rückwirkend kritisiert – und das zurecht. Aber es wird leider kein konkreter Lösungsansatz geboten. Es wird nur danach gerufen: „Es ist immer schlecht für einen Verein, wenn er von einer Person abhängig ist. Ob Investor, Sponsor, Präsident, Manager oder Spieler. Wichtiger wäre, dass man einen Verein hat, der stark ist. Der weiß, was er will und der das, was er will, auch tatsächlich durchzieht.“

Wer aber soll diese starke Person bzw. welche starken Personen könnten das sein? Oder besser gefragt: Wer würde sich das in diesem Umfeld antun?

Ein Günter Netzer könnte das. Vielleicht. Inhaltlich sogar höchstwahrscheinlich. Der einstige Weltklassespieler und Manager wäre eine Respektsperson für alle Parteien, die es in und um den HSV herum weiterhin gibt. Aber Netzer wird sich das in diesem Leben nicht mehr antun, wie er mehrfach klargestellt hat. Gleiches gilt für einen Oliver Bierhoff, den einige gern auf dem Vorstandsposten sehen würden. Oder ein Außenstehender komplett ohne Stallgeruch? Tatsächlich würde ich diese Variante wählen. Zumal man auf dem Posten des Vorstandsvorsitzenden keinen Fußballfachmann sondern einen Wirtschaftsfachmann braucht, der den Konzern HSV führen kann. So, wie es damals das Duo Hoffmann/Beiersdorfer war. Zumindest bis zum Streit, der wie von Magath völlig korrekt kritisiert wurde, aus Eitelkeiten entstand und letztlich nur dem HSV schadete.

Diese Unvoreingenommenheit könnte den neuen starken Mann beim HSV zu eben jenen werden lassen. Denn so oft man in den letzten Jahren auch „Stallgeruch“ bei Personalentscheidungen als Kriterium anlegte, so oft scheiterten diese Personen auch. Nahezu ausnahmslos. Dass das auch die Person Felix Magath ausschließen würde, logisch. Und das schreibe ich nicht, weil ich Magath nicht schätze oder es ihm nicht zutrauen würde. Im Gegenteil: Wie ihm würde ich es auch vielen anderen Ehemaligen grundsätzlich zutrauen. Das Problem bei diesem HSV ist aber, dass sich Magath sofort einer Opposition ausgesetzt sähe, die gegen ihn arbeiten würde.

Warum das so ist? Magath hat es selbst erklärt: Weil es zu viele „wichtige“ Menschen gibt, die für das Scheitern ihrer Konkurrenten sogar das Scheitern des gesamten HSV in Kauf nehmen. Oder kurz formuliert: Weil dieser HSV in Gänze eine Sammelstelle von Wichtigtuern ist. Und so richtig Magaths, Hyieronymus’ und auch Hoffmanns Statements in dem NDR-Bericht auch waren, sie ändern nichts. Denn was hier alles falsch läuft, wissen eigentlich alle. Und das Richtige zu sagen ist an sich ganz einfach – das Richtige zu machen indes scheint nicht möglich. Es sei denn, die HSV-Führung Wettstein/Hoffmann schafft es tatsächlich, auf Führungsebene unvorbelastete und vor allen unabhängige Personen zu finden, die auch dem Namen „Neuaufbau“ gerecht werden.

Denn wohin uns diese Vetternwirtschaft sowie das Zuschustern von Ämtern und Geldern gebracht hat, ist an der Tabelle und am Kontostand deutlich abzulesen. Leider. Wobei ich mich gern an meine eigenen Worte halten möchte und hier noch nichts abschreibe, ehe es nicht Fakt ist. In diesem Sinne, hoffen wir, dass Mainz heute Abend nicht gewinnt und weiter gehofft werden darf.

 

Bis morgen, da wird um 10 und um 15 Uhr öffentlich trainiert.

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