Marcus Scholz

21. August 2019

Sie werden sich vorher schon intensiv ausgetauscht haben, auch wenn sie das niemandem erzählen durften, dürfen und auch nicht erzählen werden. Aber seit heute steht fest, dass HSV-Sportvorstand Jonas Boldt seine Scoutingabteilung umbesetzt. Anstelle des bisherigen Kaderplaners und Chefscouts Johannes Spors, der einvernehmlich mit dem HSV seinen laufenden Vertrag aufgelöst hat, wird Boldts Vertrauensmann und inzwischen Ex-Bayer-Chefscout Claus Costa die Rolle des ersten Mannes der HSV-Scoutingabteilung übernehmen. Offiziell hat Michael Mutzel zuletzt die Gespräche mit Costa geführt - aber klar ist auch, dass es der Wunsch von Boldt war, wieder mit seinem Leiter der Scoutingabteilung aus Leverkusener Tage zusammenzuarbeiten. Die Pressemitteilung im Wortlaut:

CLAUS COSTA IST NEUER SCOUTING-LEITER DES HSV

DER HAMBURGER SV VERPFLICHTET MIT DEM 35-JÄHRIGEN EINEN NEUEN VERANTWORTLICHEN FÜR DEN SCOUTING-BEREICH. DER BISHERIGE SCOUTING-LEITER UND KADERPLANER JOHANNES SPORS VERLÄSST DEN HSV. 

Der HSV und sein bisheriger Kaderplaner und Leiter der Scouting-Abteilung, Johannes Spors, haben die Zusammenarbeit einvernehmlich beendet. Ursächlich für diese Entscheidung waren unterschiedliche Auffassung über die zukünftige, inhaltliche Ausrichtung der sportlichen Strategie. Spors hatte seinen Posten am 1. Februar 2018 angetreten, nachdem er zuvor bereits in ähnlicher Funktion für RB Leipzig und die TSG 1899 Hoffenheim tätig gewesen war. „Auch wenn ich mit dem HSV keinen Konsens für eine weitere Zusammenarbeit finden konnte, werde ich die vergangenen 19 Monate positiv in Erinnerung behalten und freue mich nach dem Ende der Transferperiode auf eine neue Herausforderung“, so Spors, „ich wünsche dem Club für die Zukunft alles Gute und hoffe, dass der HSV die gesteckten Ziele erreicht.“ Der HSV bedankt sich bei Spors für die gute Zusammenarbeit und wünscht bei den kommenden Herausforderungen viel Erfolg.

Nachfolger wird Claus Costa, der Sportvorstand Jonas Boldt von Bayer Leverkusen zum HSV nachfolgt. Beim Bundesliga-Viertplatzierten der vergangenen Saison war Costa bereits als Leiter der Scouting-Abteilung tätig gewesen, nachdem er zuvor seine Fußballkarriere (u.a. VfL Bochum, Fortuna Düsseldorf, VfL Osnabrück, 55 Zweitligaspiele, 92 Partien in der 3. Liga) beim heutigen Drittligisten Viktoria Köln beendet hatte und dort zum Co-Trainer berufen worden war. HSV-Sportdirektor Michael Mutzel und Claus Costa besaßen vom ersten Gespräch an klare und identische Vorstellungen von der zukünftigen Vorgehensweise und freuen sich auf die Zusammenarbeit beim HSV. „Mit Claus Costa gewinnen wir einen absoluten Experten im Bereich Scouting. Er verfügt über ein hervorragendes nationales und internationales Netzwerk und passt perfekt in unser Team. Ich freue mich sehr, dass wir ihn für uns gewinnen konnten“, sagt HSV-Sportdirektor Mutzel, und der neue Scouting-Leiter Costa ergänzt: „Nach den guten Gesprächen mit Jonas Boldt und Michael Mutzel war für mich schnell klar, dass meine berufliche Zukunft beim HSV liegt. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit dem Scouting-Team und versuche meinen Teil dazu beizutragen, dass der Verein seine sportlichen Ziele erreicht.“

Damit geht der grundsätzliche Umbau des HSV-Apparates in Gänze weiter. Mit Trainer Dieter Hecking, Sportvorstand Boldt und Chefscout Costa sind drei der vier wichtigsten sportlichen Positionen im Klub neu besetzt. Die vierte Position, Sportdirektor Michael Mutzel, ist zwar noch auf Boldts Vorgänger Ralf Becker zurückzuführen - aber auch erst seit April beim HSV. Ergo: Alles neu. Und wenn es nach Hecking und Boldt geht, soll dieser Erneuerungsprozess auch in der Mannschaft nach bereits elf Zugängen weiter fortgeführt werden.

Personalkarussell nimmt Fahrt auf - Ito für 1,5 Millionen nach Belgien

Zwei oder drei weitere Zugänge sollen nach Möglichkeit noch die Mannschaft verstärken. Sollte man Sofortverstärkungen finden - und auch nur dann, wie Hecking betonte - würde man noch mal handeln.  „Dann werde ich auf der Matte stehen. Ich werde da keine Ruhe geben“, hatte Hecking seinem Vorstand „angedroht“. Und es klang, als wüsste er zu diesem Zeitpunkt schon mehr. Zumindest aber scheint es tatsächlich noch mal Bewegung im HSV-Kader zu geben. Auf der einen Seite fallen nach Neuzugang Timo Letschert auch der brasilianische Innenverteidiger Ewerton (Teilanriss Syndesmoseband) und seit gestern auch Christoph Moritz mit einem Schlüsselbeinbruch länger aus. Angesichts des bevorstehenden Abganges von Tatsuya Ito, der bestenfalls sogar noch 1,5 Millionen Euro in die Kassen spülen könnte, kommt es auf Seiten der Abgänge zu weiterer Bewegung. Rechnet die bisherigen Transfereinnahmen von 25,5 Millionen Euro (ohne Ito und eine etwaige Zahlung von vier Millionen Euro vom FC Santos für Cleber Reis) gegen die bisherigen 12 Millionen Euro Ausgaben, dann ist finanziell sogar noch ein kleiner Puffer vorhanden.

 

Sollten sich dazu noch Einsparungen bei Gehältern oder gar Ablösezahlungen für beispielsweise Julian Pollersbeck ergeben, der sich gerade einem der bekanntesten Spielervermittler angeschlossen hat, wären weitere Verstärkungen wirtschaftlich gut darstellbar - sportlich sowieso. Behaupte ich. Auch Ihr habt hier im Blog schon viel diskutiert. Stellvertretend für viele Meinungen zitiere ich Euren Perlenbeitrag von „Sennsation“:

Hecking hätte gern drei echte Verstärkungen. Nur: kann man wirklich frei auf die gewünschten Positionen eingehen oder muss man auf aktuelle Schicksale reagieren? Brauchen wir einen Jatta-Ersatz? Müssen wir (auch wenn wir bei den letzten beiden Verpflichtungen schon gekichert haben) noch einen Innenverteidiger holen, da die beiden Neuzugänge mit einer huntesken Verletzungsanfälligkeit geschlagen sind? Und: wenn wir frei entscheiden könnten: welche drei Positionen sollten denn verstärkt werden? Eure Meinungen bitte!

Außenspieler? Hecking will da im Gegensatz zu vielen Kittel sehen und auch Jatta scheint bei ihm gesetzt. Sofern er nach Ablauf der Transferperiode noch spielberechtigt ist. Amaechi wurde geholt und gepriesen, aber es reicht Hecking anscheinend nicht. Ich würd den ja mögen. Jairo, Narey, hmm, na ja, weißned, also ein "vielleicht".

Innenverteidiger? Klar, momentan sehr dünn. Aber vielleicht erholt sich ja einer der beiden Verletzten noch eines Tages einigermaßen. Und dann? Sind es zu viele. Da müssen wir jetzt durch.

Sechser? Achter? Haben wir. Danke.

Außenverteidiger? Das wäre definitiv eine der drei Positionen. Die Jungs machen die Sache gut. Aber offensiv noch nicht überragend. Und wenn sich einer verletzt oder gar beide: dann brennt die Hütte dermaßen, dass sie auch von der Jugendfeuerwehr Vagnoman nicht gelöscht werden kann.

Tor? Hmm. Da wird es wohl so einfach keine Verstärkung geben. Und da Mickel auch noch da ist, brauchen wir uns keine Sorgen machen, falls sich Heuer Fernandes doch als zu klein gedachte Lösung rausstellt. Mickel regelt das über den Willen.

Stürmer? Es gibt sicher bessere Stürmer als Hinterseer. Aber warum hol ich ihn dann, wenn ich ihm jetzt einen vor die Nase setzen will? Und Wintzheimer ist sowieso der torgefährlichere in meinen Augen.

10er? Definitiv. Hunt ist als Teilzeitkraft nicht ernsthaft in einem geregelten Spielbetrieb einzuplanen. Und da Kittel selbst dann nicht auf der 10 spielt, wenn Hunt verletzt ist, brauchen wir hier dringend Ersatz. Und da sollte meiner Meinung nach auch das gesamte Geld investiert werden. Das muss ein Mann von Format sein. Allein schon aus dem Grund, dass man mal wieder ein Trikot kaufen kann mit einem Namen hintendrauf, den man nicht googlen muss oder für den des Trägers hält…

Ein Kommentar, in dem sehr viel Wahres steckt, wie ich finde. Auch ich sehe auf der Außenverteidigerposition eine offene Stelle. Jan Gyamerah rechts und Tim Leibold links sind derzeit gesetzt - und beide machen ihren Job gut. So gut, dass ich glaube, dass sie dem Ziel Wiederaufstieg definitiv gewachsen sind. Was aber, wenn einer der beiden ausfällt? Rechts wäre Khaled Narey eine Alternative. „Aber das wäre ein Zugeständnis“, hatte Hecking zuletzt gesagt, als wir ihn auf eben diese Möglichkeit, den Offensivspieler zurückzuziehen, angesprochen hatten. Bleibt noch Josha Vagnoman, dessen Talent in Relation zu seinem beim HSV erreichten mich killt. Ich kann es bis heute nicht erklären, weshalb ein physisch und technisch so starker Spieler wie der gerade mit der silbernen Fritz-Walter-Medaill ausgezeichnete U-Nationalspieler es noch nicht bis in die Stammelf geschafft hat. Und ich sage das alles, obwohl Vagnoman gerade einmal 18 Jahre alt ist.

Vagnoman kann zum sehr guten Backup werden - wenn er sich steigert

Oder besser gesagt: Es schmerzt mich, zu sehen, wie der Junge sein Talent durch fehlende Mentalität verspielt. Und damit meine ich nicht, dass er Flausen im Kopf hat, zu viel feiert oder sonstiges. Nein: Er ist schlichtweg zu lethargisch, zu ruhig. Anstatt in den Einheiten eher mal zu überpacen, ist er zu zurückhaltend - gewesen. Denn seit seinen letzten guten Auftritten bei der U21 kommt er. Ganz langsam - aber stetig. Dennoch, als Sicherheit für den Ausfall der Stammkräfte reicht er allein nicht. Von daher bleibe ich dabei, dass der HSV auf der Außenverteidigerposition noch Bedarf hat. Auf beiden Seiten. Wobei ich zum zweiten Rechtsverteidiger tendieren würde. Und damit einhergehend käme der Name Michael Lang wieder ins Spiel. Ein Schweizer Rechtsverteidiger, der in Gladbach derzeit unzufrieden ist und den Hecking nicht nur gut kennt, sondern auch sehr schätzt.

Zudem fehlt dem HSV eine Zehn, schreiben viele. Und das obwohl diese Position im System von Hecking gar nicht so zwingend ist. Bislang spielt Hecking mit einen Spiel gestaltenden Fein auf der Sechs und zwei offensiveren Mittelfeldspielern (zuletzt Jeremy Dudziak und der langsam in Fahrt kommende David Kinsombi) davor. Einen echten Zehner in diesem System gibt es gar nicht. Stattdessen teilen sich Dudziak, Kinsombi das Kreative mit den beiden Außenstürmern Khaled Narey/Bakery Jatta und dem Mann, den viele als direkten Nachfolger Aaron Hunt erachten: Sonny Kittel. Und schon allein, um Kittel im Zentrum zu sehen, hoffe ich darauf, dass…

…Jairo Samperio weiter so große Fortschritte wie zuletzt macht

…Bakery Jatta sich von dem Trubel um seine Person nicht unterkriegen lässt und Narey seine Form findet

…Xavier Amaechi in den nächsten Wochen das zeigt, Wass sich viele von ihm erwarten.

Sollten alle diese Punkte zutreffen (aber tatsächlich auch nur dann), ist der HSV über die Außenbahn gut aufgestellt. Und dennoch hatte Hecking zuletzt insbesondere das Fehlen von einem schnellen Außenstürmer mit einem guten Eins-gegen-Eins moniert.

Zurecht?

Ich weiß es nicht. Aber ich würde es von der Qualität des potenziell Neuen abhängig machen. Denn eines ist auch klar: Kittel, der heute Nachmittag im Training pausierte und individuell trainierte, von außen ins Zentrum zu ziehen wäre nicht die schlechteste Variante. Das würde ich sehr gern sehen. Mein Wunsch war und ist, ihn langsam in diese Position herein zu entwickeln. Leider scheint es bei Hunt, der morgen nach zweiwöchiger Verletzungspause wieder ins Training einsteigen soll, einfach nicht besser zu werden. Man darf und muss bei dem Kapitän leider davon ausgehen, dass sich sein Gesundheitszustand gegenüber den mageren Vorjahren auch nicht mehr großartig bessern wird. Fazit: Offensiv besteht über außen durchaus Bedarf.

Offensiv besteht noch Bedarf - über Außen wie im Zentrum

Ebenso im Sturmzentrum. Bislang spielt Hecking mit Lukas Hinterseer als einzige echte Spitze. Und der Österreicher trofft seit dem Pokalspiel auch wieder, traf seitdem zweimal. Aber: Sollte der Angreifer ausfallen, fehlt dem HSV Substanz aus der zweiten Reihe. Manuel Wintzheimer ist hier sicher noch vor dem sehr bemühten aber ebenso glücklosen Bobby Wood anzusiedeln. Und allein das zeigt mir, dass es hier noch dringend Bedarf gibt, wenn man wirklich nach dem höchstmöglichen Ziel strebt.

In der Innenverteidigung und beim Torwart stimme ich „Sennsation“ übrigens zu 100 Prozent zu. Auch im Falle eines Abganges von Pollersbeck, denn dann hätte der HSV mit Mickel noch immer einen extrem zuverlässigen Ersatz und mit den U21-Torhütern Joshua Wehking und vor allem Kevin Harr (beide 19) hochinteressante Nachwuchskräfte im Angebot. Bei den Innenverteidigern stehen mit van Drongelen, Jung, Papadopoulos und dem zuletzt immer besser werdenden Jonas David vier gesunde Spieler zur Wahl, während mit Letschert und Ewerton zwei Spieler im Laufe der Hinrunde noch zurückkommen (sollen), die beide die Qualität hätten, zum Stammpersonal zu zählen. Wobei, das sei an dieser Stelle ganz deutlich gesagt: Aktuell macht Rick van Drongelen einen derart souveränen, und konstant starken Eindruck, dass die Rolle des Abwehrchefs vergeben sein dürfte.

Wer braucht noch Druck, wer nicht? Hecking muss abwägen

Fazit: Ein Rechtsverteidiger, ein offensiver Außenbahnspieler mit 1:1-Qualität und Tempo sowie ein Stürmer mit mindestens Hinterseer-Format machen Sinn. Und ich bin mir fast sicher, dass das beim HSV alle so sehen. Vielleicht ja auch schon der Neue aus Leverkusen. Oder besser noch: Vielleicht hat Costa ja gleich die eine oder andere Lösung im Gepäck. Warten wir es ab. Leistungstechnisch zuträglich dürfte diese Diskussion allemal sein. Denn solange sich keiner zu sicher sein kann, wird Gas gegeben. Auf allen Positionen. Die vielleicht schwierigste Aufgabe für den HSV-Trainer dürfte indes sein, hier deutlich abwzuägen, welchen seiner Spieler er mit Vertrauen stärker macht und wer diesen Konkurrenzdruck braucht, um so noch stärker zu werden.

Morgen wird unter Ausschluss der Öffentlichkeit trainiert, während es heute zwei Einheiten gab, bei denen das Spiel mit Ball im Mittelpunkt stand. Am Nachmittag wurde das muntere Treiben von einem Turnier (drei Mannschaften á sieben Spieler plus Keeper auf verkürztem Feld) abgerundet, das heiß umkämpft in einem Elfmeterschießen seine Sieger ermitteln musste und den Trainer sowie seine Assistenten erkennbar zufrieden stimmte.

In diesem Sinne, bis morgen!

Scholle

 

P.S.: Nachdem HSV-Boss Bernd Hoffmann den Posten des Stellvertretenden Sprechers in der DFL ebenso wie den des Zweitligavertreters verpasst hatte, wurde er heute in den Aufsichtsrat der DFL gewählt. Herzlichen Glückwunsch!

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