Marcus Scholz

18. September 2018

Das erste Mal jubeln durften die Fans der SG Dynamo Dresden schon vor dem Spiel. Sponsoren hatten es ermöglicht, dass die Fans aus zwei Varianten den neuen und alten Namen des Stadions bestimmen durften: Rudolf Harbig Stadion. Viel mehr zu bejubeln gab es dann allerdings auch nicht, denn die Dresdner verloren am Ende gegen den HSV trotz einer Mehrzahl an Torchancen und großem Kampf mit 1:0. Neuzugang Hee-chan Hwang traf nach seiner Einwechslung mit einem genialen Schlenzer vor 30.723 Zuschauern im ausverkauften Stadion und besorgte dem HSV damit die Tabellenführung. "Mein Tor wollte ich genau so machen. Zuhause in Südkorea habe ich diesen Ball oft mit einem Techniktrainer geübt. Ich bin froh, dass es geklappt hat", so Hwang nach dem Spiel und nunmehr fünf Spieltagen und 12 Punkten in Folge.

Und das trotz einiger Schwierigkeiten. „Es war ein glücklicher Sieg. Wir haben nach 10, 15 Minuten den Faden verloren und diesen auch später nicht gefunden. Wir haben die Dresdner eingeladen zu Kontern und dadurch Probleme gehabt. Wir hätten uns nicht beschweren dürfen, wenn wir hier unentschieden gespielt oder gar verloren hätten“, analysierte Christoph Moritz recht treffend nach dem Spiel. Dass er dabei war, überraschte nicht. Oder besser gesagt: Nicht mehr, da Trainer Christian Titz genau so im Abschlusstraining aufgestellt hatte. Mit David Bates für Leo Lacroix. Zudem mit Moritz, der für Matti Steinmann ins Team rückte und als dritten Neuen gegenüber der Heidenheim-Startelf mit Youngster Joscha Vagnoman, der seine Startelfpremiere auf Bundesligaebene gab.

Und das war zu sehen. Der gerade erst 17 Jahre junge Linksfuß wurde nach durchwachsenen 45 Minuten gegen den Südkoreaner Hee-chan Hwang ausgewechselt und konnte sich heute (noch) nicht empfehlen. Und  das in einem Spiel, das begann, wie wahrscheinlich nahezu alle Spiele in dieser Zweitligasaison beginnen werden: Dresden stand tief hinten drin, machte das Zentrum sowie mit einer Fünferkette defensiv zu. Dennoch waren es zu Beginn die Sachsen, die zumindest im Ansatz Torgefahr entwickelten, während dem HSV nichts einfiel. Im Mittelfeldzentrum tummelten sich Janjicic, Moritz und Hunt - aber keiner der drei hatte eine Idee, wie man die Dresdner Defensivblock überwinden konnte. Und so verlor sich der HSV im Passspiel, hatte bis zur 25 Minute zwar starke 72 Prozent Ballbesitz - aber eben auch null Torschüsse.

Auf der anderen Seite war es bis hierhin allerdings auch nicht allzu gefährlich, obgleich David Bates sich alle Mühe gab. Der Schotte, dem das Passspiel sichtlich schwerfällt, war eine erkennbare Schwachstelle. Mit Fehlpässen ebenso wie in der 10. Minute im Zweikampf. Bundesligauntauglich ließ er sich mit einem simplen Wackler auf Höhe der Mittellinie ebenso ausspielen wie eine Minute später, als zuerst Vagnoman vorn pennte und Bates hinten im Sechzehner quasi ohne Gegenwehr Koné ziehen ließ. Zum Glück konnte Pollersbek parieren. Und wieder nur eine Minute später lud Bates die Dresdner erneut per Fehlpass zum Konter ein - bügelte es aber in letzter Sekunde selbst wieder aus.

Ansonsten war es wie in bislang allen Spielen - Kiel mal ausgenommen: Der HSV im Ballbesitz, ohne große Torszenen (Santos’ direkt getretene Ecke in der 34. Minute war noch die gefährlichste Szene). Pierre Michel Lasogga hing vorn völlig in der Luft und bestätigte für mich, weshalb er der Angreifer ist, der in den letzten 20 Minuten seine Szenen hat. Eben dann, wenn der Gegner ein wenig müde gespielt wurde. Denn bis auf einen Kopfball sah der Torjäger des HSV in den ersten 45 Minuten gegen seinen Sonderbewacher Hartmann keinen Stich. Was mich wunderte: Nach fünf Minuten hatte es der HSV einmal mit einem langen Ball hinter die Dresdner Abwehr versucht und sofort eine Lücke gerissen - dennoch nutzte man dieses Stilmittel nicht weiter.

Okay, bevor es in die Halbzeit ging, trafen die Dresdner noch - allerdings aus einer (knappen aber korrekt gesehenen) Abseitsposition heraus - mehr gab es in der ersten Halbzeit nicht. Und deshalb wechselte Titz Hwang für Vagnoman ein. Der Südkoreaner sollte als Pendant zu Narey mit seinen Dribblings auch 1:1-Situationen provozieren und nutzen. Zudem wechselte Titz nach 56 Minuten Orel Mangala für den diesmal wirkungslosen Aaron Hunt ein. Die Leihgabe vom VfB Stuttgart spielte somit nach der Sechs in den ersten Spielen, der Acht zuletzt sowie am Spielende gegen Heidenheim auf der Innenverteidigerposition schon die vierte Opposition binnen fünf Zweitligaspielen.

Der HSV versuchte viel - die erste große Chance hatte aber wieder Dresden. Und wieder der bis hierhin gefährlichste Mann auf dem Platz: Moussa Koné, dem es auch leicht gemacht wurde. Einen lang getretenen Freistoß konnte der Senegalese mit der Brust annehmen, legte ihn sich an van Drongelen vorbei, drückte den Niederländer einfach zur Seite und zog ab - zum Glück knapp links (aus seiner Sicht) vorbei. Aber auch der HSV kam jetzt zu seiner ersten echten Großchance. Und das bezeichnenderweise durch zwei Einwechselspieler: Mangala steckte auf Hwang durch, und der scheiterte an Dresdens Keeper Schubert. Noch. Denn sechs Minuten inklusive einer guten Chance für Dresden (Hartmann verzog per Volleyschuss) später traf Hwang in der 68. Minute mit seinem ersten Tor für den HSV zum 1:0.

Mangala hatte im Sechzehner der Dresdner stark nachgesetzt und nicht mehr als einen verunglückten (Hacken-)Befreiungsversuch zugelassen. Der Ball fiel Hwang vor die Füße und dieser schlenzte ihn traumhaft schön über Schubert hinweg ins lange Eck. Das 1:0 (68.).  Und dieses Tor veränderte das Spiel, denn Dresden musste jetzt kommen. Und sie kamen durch Duljevic (wieder nach einem schlichten langen Ball über die HSV-Abwehr hinweg) zur nächsten Großchance - aber Pollersbek hielt (73.).

Diese etwas offensivere Spielweise der Gastgeber eröffnete dem HSV auf der anderen Seite jetzt Räume, die vorher nicht da waren. Einen davon nutzte Narey zum Kontern, zog aus 18 Metern ab und traf nur den Pfosten (74.). Dresden kam immer mehr auf, während der HSV auf der anderen Seite versuchte, den Sack zu zumachen. Weshalb bei einer knappen 1:0-Führung zum x-ten Mal ein simpler, lang geschlagener Ball über die HSV-Abwehr hinweg zur nächsten guten Chance werden konnte, erschließt sich mir nicht. Zum Glück war wenigstens Pollersbek hinten wach und fischte Koné den Ball vom Fuß (78.). Stark auch, wie Bates in der 80. Minute mit einer Grätsche in höchster Not gegen Dumic klärte.

Dresden drückte den HSV jetzt in die eigene Hälfte und kam zu mehreren Standardsituationen, Dabei agierten sie mit hohen Bällen, aber der HSV konnte diese mit viel Mühe und dem eingewechselten 1,97-Meter-Hünen Leo Lacroix klären.

Am Ende blieb es beim 1:0-Sieg, auch weil der heute wirkungslose Lasogga in der Nachspielzeit noch einen Elfmeter (Aosman an Narey) vergab. Es war nicht das Spiel des bisherigen Toptorjägers - aber das dürfte ihm wie dem Rest der Mannschaft am Ende relativ egal sein, da man mit diesem Sieg den fünften Pflichtspielsieg in Folge einfahren und somit an die Tabellenspitze der Zweiten Liga klettern konnte. Nicht schön, immer wieder mit Wacklern - aber eben erfolgreich.

Ich hatte es ja schon nach den letzten Spielen gesagt: Wir werden uns in dieser Saison sehr, sehr oft selbst dazu disziplinieren müssen, geduldig in das zu vertrauen, was da auf dem Platz gezeigt wird. „Wir haben heute zu viele Torchancen zugelassen und hätten uns über einen Gegentreffer nicht beschweren können“, so Trainer Christian Titz nach dem Spiel, ehe er ankündigte, weiterhin zu rochieren: „So wird es weitergehen. Wir haben 17, 18 gleichwertige Spieler, die uns diese Möglichkeit eröffnen.“

In diesem Sinne, bis morgen. Genießt den Champions-League-Abend - als Tabellenführer. Ist doch auch mal was schönes…

Scholle

DAS SPIEL IM STENOGRAMM: 
SG Dynamo Dresden: Schubert - Wahlqvist (88. Röser), Dumic, Hartmann, Hamalainen, Heise - Benatelli (74. Berko), Nikolaou - Ebert (74. Aosman), Duljevic - Koné
HSV: Pollersbeck - Sakai, Bates, van Drongelen, Santos -  Janjicic (87. Lacroix) - Narey, Hunt (56. Mangala), Moritz, Vagnoman (46. Hwang) - Lasogga
Tore: 0:1 Hwang (68.)
Zuschauer: 30.723 
Schiedsrichter: Felix Zwayer (Berlin) 
Gelbe Karten: Wahlqvist (37.), Ebert (45.), Hartmann (70.) / Janjicic (55.), Bates (63.)

 

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