Tobias Escher

4. Februar 2019

Eine frühe Rote Karte wirbelt den taktischen Plan des Hamburger SV durcheinander. Unser Taktikanalyst erklärt, wie Wolfs eigentlicher Plan aussah – und wieso dieser nach der frühen Rote Karte nicht mehr aufging.

„Ja, mach nur einen Plan, sei nur ein großes Licht! Und mach dann noch 'nen zweiten Plan. Geh‘n tun sie beide nicht.“ Das Zitat von Bertolt Brecht beschreibt die Misere, in der sich der HSV beim Spiel gegen Arminia Bielefeld befand. HSV-Coach Hannes Wolf hatte den Gegner intensiv beobachtet und einen detaillierten Matchplan entworfen. Nach der Roten Karte gegen Gotoku Sakai (12.) war der Plan jedoch zerstört – und damit auch das HSV-Spiel.

Raute gegen Bielefelds Aufbau

Trainer Wolf stellte seine Mannschaft im Vergleich zum Sandhausen-Spiel leicht um. Pierre-Michel Lassoga war angeschlagen, es rückte Josha Vagnoman in die Startelf. Er übernahm die Linksaußen-Position, wodurch wiederum Bakary Jatta ins Sturmzentrum rückte.

Doch auch abseits dieser Personalie gab es taktische Veränderungen. Wolf stellte seine Mannschaft um, damit diese auf Bielefelds Spielaufbau reagieren konnte. Die Bielefelder verteidigen unter Trainer Uwe Neuhaus zwar mit zwei Viererketten in einem 4-4-2, bei Ballbesitz bauen sie aber mit einer Dreierkette auf. Dazu lässt sich Sechser Manuel Prietl zwischen die Verteidiger fallen. (In der Fachsprache nennt man diese Rolle „abkippende Sechs“).

Um Zugriff auf die Dreierkette zu erhalten, agierten Holtby und Ito wesentlich höher als zuletzt. Ito bildete mit Jatta einen Doppelsturm, Holtby deckte dahinter Prietl. Der HSV verteidigte also in einem 4-3-1-2 und hatte somit eine Gleichzahl im Pressing gegen Bielefelds Dreierkette im Aufbau. In den Anfangsminuten zwangen sie Bielefeld zu vielen langen Bällen. Der Matchplan schien aufzugehen.

Taktische Aufstellung DSC-HSV

 

Ein Fehler ruiniert die Partie

Nach elf Minuten zeigte sich die negative Seite dieses offensiven Pressings: Der HSV störte mit sieben Spielern in der gegnerischen Hälfte, ließ sich aber überspielen. Am Ende dieser Fehlerkette wusste sich Sakai nur noch mit einer Notbremse zu helfen. Der HSV war fortan in Unterzahl.

Das hohe Pressing mussten die Hamburger in der Folge einstellen. Holtby agierte fortan in einer wesentlich zurückgezogeneren Rolle. Ito wiederum musste die linke Außenbahn besetzen, da Vagnoman den frei gewordenen Posten als Rechtsverteidiger übernahm. Der HSV verteidigte fortan in einem 4-4-1.

Nun schlug die Stunde der Bielefelder. Prietl konnte aus der Tiefe schalten und walten, schlug zusammen mit den Innenverteidigern viele lange Bälle nach vorne. Gerade nach Diagonalbällen auf den Flügel konnte der HSV keinen Zugriff erzeugen. Bielefeld nutzte das konsequent aus. Nach einem Freistoß (19.) und einer flachen Hereingabe (26.) gingen sie mit 2:0 in Führung.

Keine Automatismen in Unterzahl

Jetzt war die Aufgabe für die Hamburger noch undankbarer. Zu zehnt mussten sie gegen eine Bielefelder Elf anrennen, die im defensiven 4-4-2 kompakt verteidigte. Der HSV hingegen konnte nicht auf die gewohnten Ballbesitz-Mechanismen vertrauen. Zwar rückten die Außenverteidiger Douglas Santos und Vagnoman wie gewöhnlich ins Zentrum ein. Aufgrund der Unterzahl fehlte jedoch ein Spieler, der vorrücken konnte. Auch die Räume zwischen den gegnerischen Linien blieben gänzlich unbesetzt. Und vorne war Jatta nicht der richtige Spielertyp, um direkte Zuspiele aus der Abwehr halten oder verwerten zu können. Keine Power nach vorne: Der Nachmittag war früh beendet für den HSV.

Wolf versuchte in der zweiten Halbzeit noch einmal, seiner Mannschaft neue Impulse zu geben. Holtby rückte wieder weiter nach vorne, der HSV verteidigte mit einer Raute im 4-3-1-1. Tatsächlich gelang es ihnen im Spiel gegen den Ball, wieder mehr Druck auf Prietl herzustellen. Doch offensiv plagten sie noch immer die Probleme. Das Einrücken der Außenverteidiger funktioniert zu zehnt einfach nicht.

Großes Fragezeichen gegen Nürnberg

80 Minuten in Unterzahl zu spielen, ist taktisch eine absolute Ausnahmesituation. Der HSV kann nur eins tun: die Niederlage möglichst schnell abhaken. Am besten gelingt dies natürlich mit einem Sieg im nächsten Spiel. Am Dienstagabend (18:30 Uhr) wartet die Pokalpartie gegen Erstligist Nürnberg.

Der taktische Vorausblick auf die Partie fällt schwer. Zum Einen gehören Michael Köllners Nürnberger zu den taktisch flexibleren Teams der ersten Liga. Sie beherrschen sowohl ein 4-4-2 als auch ein 4-1-4-1, liefen auch bereits mit Fünferkette auf. Welche Variante Köllner bevorzugt, ist unklar.

Zum Anderen ist völlig offen, wie sich die Partie strategisch entwickelt. Nominell trifft Erstligist auf Zweitligist, die Initiative dürfte also bei Nürnberg liegen. Es trifft jedoch auch der Tabellenführer der zweiten auf den Vorletzten der ersten Liga – und hier liegt die Krux. Während die Hamburger diese Saison meist mehr Ballbesitz haben als der Gegner, ziehen sich die Nürnberger häufig weit zurück. Tatsächlich steht Köllners Elf für eine abwartende Haltung ohne viel Pressing. Gut möglich, dass der HSV im eigenen Stadion das Spiel wird machen müssen.

Zumindest tritt der HSV wieder im Elf gegen Elf an. Dann dürfte auch das gewohnte Einrücken der Außenverteidiger eine bessere Wirkung entfalten. Und wer weiß, eventuell denkt sich Wolf wieder einen besonderen Matchplan für die Partie aus. Vielleicht greift der Plan dieses Mal auch länger als knapp zwölf Minuten…

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