Marcus Scholz

19. März 2018

Die Länderspielpause wird lang – aber der HSV kann sie sehr gut gebrauchen. Oder besser gesagt: Der neue Trainer Christian Titz kann sie sehr gut gebrauchen, um sein neues Spielsystem mit seinem neuen Kader einzustudieren. Wer am Ende noch alles zu diesem Kaderdazugehört ist derzeit noch offen. Klar, Kyriakos Papadopoulos wird sich nach seinem unnötigen Vorstoß nach dem Spiel den Verantwortlichen stellen müssen. Und das zurecht. Es kann nicht angehen, dass sich ein Spieler, der in 26 Spielen zuvor - zumal als Führungsspieler – gerade einmal 18 Punkte einfährt, über andere Dinge äußert als darüber, was er besser machen kann/muss. Zumal das allein schon ein ebenso interessantes wie erschöpfendes Thema sein könnte. Und nachdem Papadopoulos jetzt schon sagte, dass die Zweite Liga für ihn eher nicht in Frage kommt, hat der neue Trainer tatsächlich alle Freiheiten bei seiner Strafbemessung. Bis hin zum Ausschluss aus dem Kader.

Und das zählt für einen anderen noch deutlich mehr: Walace. Der Brasilianer hatte sich schon in der Winterpause einmal verweigert unter Trainer Markus Gisdol. Damals wollte er seinen Wechsel erpressen und ließ sich von der vertrauensvoll-sanften Art des an sich fürs Gegenteil bekannten Gisodol-Nachfolgers Bernd Hollerbach doch noch mal umstimmen. Innerhalb der Mannschaft führte das Ganze jedoch zu viel Misstrauen. Viele Spieler wollten sich seither nicht mehr auf den Brasilianer verlassen. Und das dürfte jetzt endgültig auch der letzte Teamkollege so sehen. Denn während auch hier viele der Meinung waren, Titz bräuchte im Abstiegskampf die Routine und Qualität eines Walace, sage ich: Walace muss gehen. Er schadet der Mannschaft mit seinem Verhalten massiv.

Und damit meine ich nicht allein die die Tatsache, dass er einfach nicht zum Spiel seiner Kollegen ins Stadion kam. Auch nicht, dass er mit provozierenden Selfies während des Spiels noch mal demonstrierte, wie scheißegal ihm seine Degradierung und demnach auch die Mannschaft ist. Nein, vielmehr hat der Trainer meinen Informationen zufolge tatsächlich unter der Woche alles probiert, um Walace davon zu überzeigen, dass er eine große Stütze für den HSV unter Titz werden könne – allerdings auf einer anderen Position. Denn Titz plante, was ich hier im Blog auch schon mal angedacht und als richtig gute Idee empfunden habe: Er wollte Walace als Innenverteidiger spielen lassen.

Der kopfballstarke, technisch versierte Brasilianer bringt alles mit, um das fußballerische Defizit der Innenverteidigung auszugleichen. Zumindest wäre es den Versuch wert. Und deshalb nahm sich Titz vergangene Woche auch Walace ins Vier-Augengespräch und erzählte ihm von seiner Idee. Walaces Reaktion? Er lehnte ab. Als sei er entscheidend, sagte er, er werde keine andere Position spielen. Auch alle weiteren Überzeugungsversuche seitens des Trainers und letztlich sogar des gesamten Trainerstabs lehnte er konsequent ab – und wurde gestrichen. Wie wenig er gelernt hat, das bewies er dann mit seinem unentschuldigten Fernbleiben am Sonnabend noch einmal überdeutlich. Von daher kann es eigentlich bei ihm wie wahrscheinlich auch Papadopoulos nur noch eine Lösung geben: Aussortieren. Allerdings verbrennt sich der HSV damit selbst jeden Weiterverkaufswert der Spieler, was im Übrigen auch auf Mergim Mavraj zutrifft.

Denn der Albaner, der in der Kabine ebenso wie Papadopoulo, Diekmeier und Hahn als einer der Wortführer galt, ist schwer beleidigt. Mal wieder. Schon unter Gisdol hatte sich Mavraj nicht mehr wohlgefühlt und in der Hinrunde bereits seine Berater darum gebeten, sich für ihn nach Wechselmöglichkeiten zu erkundigen. Ein Umstand, der der Vereinsführung bekannt war, letztlich aber nicht zum Wechsel führte. Und nachdem die Trainerwechsel auch nicht dazu führten, dass Mavraj unumstrittener Stammspieler ist, scheint das Kapitel HSV für ihn – ebenso wie für den HSV - endgültig abgehakt, was wohl auch für Dennis Diekmeier gilt. Allerdings aus komplett anderen Gründen.

Denn der Rechtsverteidiger, dessen Frau ich am Sonnabend offenbar fälschlich unterstellt habe, die HSV-Verantwortlichen für die Nichtberücksichtigung ihres Mannes verantwortlich gemacht zu haben, hatte bereits ein Vertragsangebot des HSV abgelehnt. Grund dafür waren die unterschiedlichen Vorstellungen in Sachen Laufzeit. Jetzt kommen noch unterschiedliche Vorstellungen in Sachen Fußball hinzu. Denn für das auf sauberem Pass- und Kombinationsspiel basierenden Titz-System ist Diekmeier wohl eher nicht die Optimalbesetzung.

„Ich will gar nicht auf interne Gespräche eingehen“, so Diekmeier, „aber alles, was am Ende dem HSV die Klasse erhält, ist für mich okay. Es gibt auch keine Probleme, auch wenn ich natürlich sehr gern aktiv helfen möchte. Es zählt der Klassenerhalt – ansonsten gar nichts.“ Ähnlich sauber verhalten sich Andre Hahn und Sven Schipplock, die ebenfalls am Wochenende nicht berücksichtigt worden sind. Beide Offensivspieler zählen charakterlich Spielern, die alles der Mannschaft unterordnen und einen offen-ehrlichen Austausch intern suchen und halten. Eben so, wie es sein muss.

Dass auch Letztgenanntes am Ende zu einer Trennung führen sollte, wenn es sportlich nicht passt – logisch. Und Titz wird das auch so durchziehen, wenn man ihn denn lässt. Im Sportclub gestern sagte Aufsichtsratsboss Bernd Hoffmann, dass man aktuell erst einmal bis Saisonende plane. Ein klares Statement für Titz konnte ihm auch Moderator Martin Roschitz nicht entlocken. Wobei, warum auch? Nach einem Spiel darf man sicher eine ganze Menge loben, aber ansonsten passt die Hoffmann’sche Antwort schon sehr gut: „Wir suchen die beste Lösung – nicht die schnellste.“ Dass es am Ende eine Mischung aus beidem sein muss – logisch. Aber das weiß Hoffmann aus eigener Erfahrung nur zu gut.

Und auf selbige muss der HSV, bei dem mit Frank Wettstein nur noch ein Vorstand verblieben ist, setzen. Auch in Sachen Lizenz, die ob der finanziell schwierigen HSV-Lage alles andere als selbstverständlich ist. „Jeder Bundesligist, der in die Zweite Liga möglicherweise absteigt, hat es nicht ganz einfach, seine Liquidität für die nächste Saison sicherzustellen und auch darzustellen im Verhältnis zur Deutschen Fußball Liga. Diese Herausforderung nehmen wir an und diese Hausaufgaben werden wir auch erledigen", so Hoffmann. Der HSV setzt im Falle des Abstiegs auf Transfererlöse durch Spielerverkäufe. Die mögliche Aussicht auf Millionen-Einnahmen kann der Club im aktuellen Lizenzierungsverfahren aber nicht geltend machen.

Die DFL berücksichtigt bei der Lizenzierung allerdings nur die Transfers, die nachweisbar fix sind. Für alles andere müsste der HSV einen Bürgen finden – und scheint den in Klaus Michael Kühne weiter dabei zu haben. „Es ist wichtig, ihn mit im Boot zu haben. Deswegen pflege ich mit Herrn Kühne einen ständigen und ausgesprochen guten Austausch", sagte Hoffmann und ließ keinen Zweifel daran aufkommen, dass er auf den Milliardär setzt. „Ich habe immer gesagt, dass Herr Kühne ein ausgesprochen wichtiger Partner des HSV ist und er wird es auch in den nächsten Jahren sein."

Kühne selbst ließ am Montag am Rande der Eröffnung seines 100-Millionen Euro teuren Hotels „The Fontenay“ an der Alster offen, ob er noch mal in die Kasse greifen und den HSV finanziell unterstützen werde. Aber er deutete an, dass ihm er Austausch mit dem aktuell mächtigsten HSV-Offiziellen Bernd Hoffmann gefallen habe: „Hoffnung und Hoffmann - das passt zusammen, also warten wir einmal ab, wie sich die Dinge weiter entwickeln.“

Es war auch ein guter, weil klar fokussierter Auftritt – zunächst vom HSV auf dem Platz in den ersten 45 Minuten gegen Hertha und gestern auch der von Hoffmann im Sportclub. Man scheint intern endlich klar zu sein, dass es nur noch eine sehr geringe Chance auf den Klassenerhalt gibt und die Planungen für die Zweite Liga voll in Angriff genommen werden müssen. Und dementsprechend klar ist auch, dass momentan alles erlaubt ist, was dem HSV aus seinem alten Trott herausholt. Titz hat hierhingehend mit seinen Umbaumaßnahmen gegen Hertha einen guten Start hingelegt. Und ich hoffe, er macht so weiter. Zumal in den nächsten Tagen sicher noch einige Personalentscheidungen anstehen...

 

In diesem Sinne, bis morgen. Da wird um 10 und um 15 Uhr trainiert.

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