Marcus Scholz

22. Januar 2020

Veränderungen herbeizuführen belebt auf jeden Fall erst einmal. Und ganz offensichtlich hat Dieter Hecking in diesem Bereich Bedarf entdeckt. Schon nach dem Testspiel in Basel hatte der HSV-Trainer ganz offen davon gesprochen, in der Rückrunde spielerisch einen anderen Plan verfolgen zu wollen. „Wir wollen die Abläufe etwas verändern, was den Trainingsaufbau betrifft. Nach der intensiven, hohen Belastung mit viel Umfang wollen wir etwas kürzer werden. Wir wollen ein wenig Richtung Sprint kommen.“ Auch deshalb war die heutige Vormittagseinheit schon nach 20 Minuten auf dem Platz für die gesunden Feldspieler beendet, während die Rekonvaleszenten Jan Gyamerah und Martin Harnik gerade auf den Platz kamen und individuelles Lauftraining absolvierten.

Wichtiger oder besser gesagt: interessanter als diese Stellschrauben im Tagesablauf der Profis ist allerdings die taktische Veränderung, die Dieter Hecking nach dem 2:0-Sieg in der Schweiz angekündigt hatte.  „Wir werden den Gegnern viel mehr den Ball lassen, weil es nur wenige Mannschaften in der Zweiten Liga gibt, die mit dem Ball etwas anfangen können. Und warum sollen wir immer die wilden spielen. die vorne draufgehen und dann selbst unter Druck geraten, weil ein Konter reicht? Ich denke schon, dass unser Plan für die Rückrunde ein anderer wird als der für die Hinrunde.“ So hatte es Hecking formuliert – und er wirkte belustigt ob der Reaktionen von außen. „Super, wie Ihr darauf angesprungen seid“, so Hecking lachend.

Macht Hecking eine Rolle rückwärts?

Nein. Es war eher eine erklärende Einordnung. „Im gegnerischen Ballbesitz kann man es anders angehen“, so Hecking, „ich glaube, dass wir uns Räume erarbeiten müssen. Nicht, indem wir uns komplett zurückziehen. Im Gegenteil: Wir wollen den Ball immer haben. Aber es kann schon mal von Vorteil sein, wenn wir nicht immer gleich ganz vorn draufgehen, uns bei einem Flachabstoß mal tiefer stellen.“ Also so, wie wir hier im Blog vermutet hatten. Es geht nur darum, nicht immer hoch und offensiv Pressing spielen zu lassen, sondern dem Gegner den Raum bis zum Mittelfeld nicht mit so vielen Spieler zuzustellen, dass man mit leichten langen Bällen ausgehebelt bzw. ausgekontert wird. Hecking: „Dadurch gewinnst Du bei Ballgewinn mehr Raum hinter der Viererkette. Es ist alles möglich.“

Vor allem aber müssen alle mitmachen. Auf dem Platz  - und auch auf den Rängen. Ob er sich mit der Ansage auch die Toleranz der eigenen Anhänger einholen wollte, habe ich ihn heute gefragt. Und Hecking verneinte, sagte aber auch: „Wenn es erfolgreich ist, wird keiner mosern. Es wird immer gefordert, dass wir unser Spiel mal ein bisschen anpassen müssen. Dann stößt man so einen Gedanken an, und es heißt, das geht ja gar nicht. Wir müssen immer mit dem beschäftigen, was wir vorfinden. Gegen Darmstadt und Sandhausen haben wir es schon zum Teil gespielt und es war zum Teil schon deutlich besser. Wer uns genau beobachtet hat, der hat das mitbekommen.“

Hecking will taktisch variabler werden

Habe ich tatsächlich nicht. Zumindest nicht dauerhaft. Aber ich finde den Gedanken absolut nachvollziehbar. Wir den meisten ist auch mir aufgefallen, dass der HSV sich schwerer tat, je tiefer der Gegner stand und je schneller er umschaltete. Weil vorn die Ideen fehlten und man hinten tempomäßig zu anfällig ist. „Das sind die Dinge, die wir zum Ende der Hinrunde analysiert haben“, erklärte Hecking uns heute, „am Ende liegt es, das habe ich immer gesagt, eben immer an uns, wie wir es lösen. Wir müssen immer wieder gucken und vom Gegner abhängig machen, wie unser jeweiliger Matchplan aussieht.“

Zumindest aber wissen jetzt auch die Gegner, was der HSV vorhat. Oder positiv formuliert: Sie gehen nicht mehr zu 100 Prozent davon aus, dass der HSV immer offensiv presst. Ob Hecking auf dem Platz auch einen Waffenstillstand erwartet? „Quatsch“, so der HSV-Coach, der betont: „Ich weiß ja, dass wir sehr wahrscheinlich auf Mannschaften treffen werden, die selber Mittelfeldpressing spielen werden.“ Dennoch will sich Hecking alles offen halten, den Gegner mit variablerem Spiel überraschen. „Vielleicht schaffen wir es ja auch, den Gegner durch guten Ballbesitz noch tiefer hinten reinzudrücken. Das hat auch mit dem eigenen Ballbesitz nichts zu tun. Es geht darum, was wir bei gegnerischem Ballbesitz machen. Wo positionierst du dich, wo kannst du pressen. Es kann auch sein, dass wir sehr, sehr hoch anlaufen.“ Ergo: Alles kann – nichts muss.

Hunt kehrt zurück – Schaub bricht Training ab

Auch Aaron Hunt kann wieder. Sagt Hecking. Der Kapitän war Mitte des Trainingslagers ins Mannschaftstraining eingestiegen und soll morgen an der Lohmühle sein Comeback feiern. Heute konnte er die komplette Trainingseinheit mitmachen und gab Grünes Licht. In dem Spiel beim Regionalligisten wird er 45 Minuten Spielen. So hatte es Hecking am Vormittag angekündigt. Am Nachmittag musste dann allerdings Hunts ärgster Konkurrent auf der Position hinter der Spitze frühzeitig das Training beenden. Auf di Frage warum, antwortete Louis Schaub: „Alles gut.“

Umso glücklicher ist Hecking, dass er im Mittelfeld mit Hunt („Das war in den letzten Tagen der Schritt nach vorn. Er wird voll trainieren, die Ampel steht da auf Grün.“) und auch David Kinsombi neue Alternativen ausgemacht hat: „Ich denke schon, dass er sich sehr viel vorgenommen hat“, lobte der Trainer den Ex-Holstein-Kapitän Kinsombi, von dem er sich in der Rückrunde entscheidende Impusle erhofft: „Er wirkt sehr viel frischer in seinen Aktionen. Natürlich tobt auf seiner Position sehr hoher Konkurrenzdruck, aber da ist er nicht weit weg.“ Was dem Mittelfeldspieler aktuell noch fehle? „Im Moment fehlt ihm gar nichts, er macht das richtig gut. Er ist wie vor der Winterpause besprochen sehr motiviert angekommen, bringt sich gut ein. Ich finde das im Moment alles sehr okay.“

 

Schwieriger gestaltet sich derzeit der Kampf um Angreifer Robert Bozenik, der weiterhin ganz oben auf der Wunschliste Dieter Heckings steht. Problem: Der Slowake ist weiterhin zu teuer und hat gerade seinen Berater gewechselt. Den Berater, der vor Weihnachten in Hamburg war und mit dem sich der HSV weitgehend auf einen Wechsel verständigen konnte. Ausgang offen...

Reise in die Vergangenheit – HSV droht Pyro-Ärger

Das gilt auch für die gerade letzte Woche reduzierte Pyro-Strafe. Der HSV hatte nach dem Erfolg vor dem DFB-Sportgericht noch die „Rekordreduzierung“ gefeiert. Zu früh, denn heute kam der Boomerang. „Unserer Meinung nach sind die ausgesprochenen Geldstrafen zu gering für die Vorkommnisse im Stadion. Deshalb haben wir fristgerecht Berufung beim DFB-Bundesgericht eingelegt und warten nun die schriftlichen Urteilsbegründungen des DFB-Sportgerichts ab“, kündigte Anton Nachreiner, der Vorsitzende des Kontrollausschusses, an.

Hintergrund: Das Sportgericht unter dem Vorsitzenden Richter Hans E. Lorenz hatte am Freitag Geldstrafen gegen den HSV von 187.000 auf 140.000 Euro und beim FC  St. Pauli von 120.000 auf 90 000 Euro abgemildert. Nachreiner hatte zuvor im Einzelrichterverfahren 200.000 Euro für den HSV und 120.000 Euro für St. Pauli gefordert und blieb dabei auch bei der mündlichen Verhandlung. Jetzt versucht er es wieder durchzusetzen.

In diesem Sinne, bis morgen. Da wird um 10 Uhr auf dem Trainingsplatz angeschwitzt und abends geht es dann auf der Lohmühle gegen den Regionalliga-Zweiten VfB Lübeck. Für Hecking, Bremser eine auch Cotrainer Tobias Schweinsteiger wird es eine Reise in die Vergangenheit. Denn während Schweinsteiger in Lübeck von 2004 bis 2006 spielte, war es Bremser, der Hecking 2001 als neuen Trainer nach Lübeck lotste. Seitdem sind die beiden quasi unzertrennlich. Auch morgen.

Also, Euch allen noch einen schönen Abend und bis morgen, wo ich mich selbstverständlich wieder um 7.30 Uhr mit dem MorningCall und am Abend dann mit den Impressionen aus Lübeck bei Euch melden werde. Bis dahin,

Scholle

 

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