Marcus Scholz

13. November 2020

Es gibt fast immer Kausalitäten, wenn hochrangige HSV-Verantwortliche plötzlich und unvermittelt Interna raushauen. Und ohne mir oder meinen Kollegen hier zu nahe treten zu wollen, aber: Selten sind es die investigativen Fragen allein. Zumeist steckt ein Bedürfnis dahinter – wie im SportBild-Interview am Mittwoch, in dem Marcell Jansen bereits mächtig Vorarbeit für den heute veröffentlichten Geschäftsbericht leistete. Seinen Aussagen nach könnte der HSV  in der Corona-Krise auch eine komplette Saison ohne Zuschauer im Stadion überstehen. Der Vorstand um Finanzchef Frank Wettstein habe die Lage früh erkannt und gute Maßnahmen getroffen, lobte der 35 Jahre alte ehemalige Fußballprofi und fügte an: „Unter normalen Umständen, das heißt ohne die Pandemie, hätten wir für das abgelaufene Geschäftsjahr eine schwarze Null geschrieben.“ Der Zweitliga-Tabellenführer werde inzwischen auch anders wahrgenommen. „Dass er sich verändert hat, seriös arbeitet, nicht über seine Verhältnisse lebt“, so Jansen optimistisch. Für mich etwas zu optimistisch, denn die nackten Zahlen sind noch lange nicht die eines wirtschaftlich funktionierenden Klubs.

 

Wie heute veröffentlicht wurde, hat der HSV die abgelaufene Saison in der zweiten Bundesliga bereits zum zehnten Mal in Folge mit einem hohen wirtschaftlichen Fehlbetrag abgeschlossen. Die Jahresbilanz weist zum zehnten Mal in Folge ein Minus aus. Ohne die Corona-Krise und die Geisterspiele in der Zweiten Liga wäre der HSV mit einem ausgeglichenen Ergebnis aus der Saison gekommen, betonte auch HSV-Finanzvorstand Frank Wettstein. So aber beklagt die HSV AG ein Minus von 6,7 Millionen Euro. Hinzuzurechnen ist der geringsten Umsatz seit 15 Jahren. Die Gesamterlöse sanken um knapp 30 Millionen Euro wieder unter die 100-Millionen-Euro-Marke auf insgesamt 95,7 Millionen Euro. Und Wettstein fügte gleich hinzu, dass der Umsatz in der laufenden Saison durch die Corona-Pause noch einmal deutlich sinken werde.

Nicht ganz unzufrieden verkündete Wettstein heute, dass der HSV seine Verbindlichkeiten reduzieren konnte. Aktuell sind es rund 68 Millionen Euro (vor einem Jahr waren es im Vergleich noch 91 Millionen) und zum 30. Juni 2020 betrugen die Gesamt-Verbindlichkeiten laut Bilanz 74 Millionen Euro. Seither habe der Club aber weitere gut sechs Millionen abgebaut, sagte Wettstein dem NDR. Zuletzt hatte Jansen via „SportBild“ betont, dass der HSV wirtschaftlich ein weiteres Jahr in der Zweiten Liga schaffen würde. Besser machen würde das die Gesamtsituation sicher nicht. Dafür ist ein Aufstieg in die Erste Bundesliga notwendig – und das wissen alle. Ob für den HSV weitere Anteilsverkäufe in Frage kämen, um zahlungsfähig zu bleiben? „Der neue Vorstand macht gerade eine sensationelle Arbeit, um stabil durch die Krise zu kommen“, sagte Präsident Marcell Jansen der „SHZ“. Über Anteilsverkäufe werde indes nicht nachgedacht. Jansen darauf angesprochen: „Im Moment haben wir gute Chancen gemeinsam durch die Krise zu kommen und uns wie geplant weiter zu entwickeln.“

Jansen gibt sich optimistisch - hilft Kühne ab 2021?

Einer der Gründe, weshalb Jansen so optimistisch ist, soll auch das bald wieder aufgenommene Gespräch mit Klaus Michael Kühne sein. Im Januar sollen wieder Gespräche geführt werden, so Jansen. Dabei sollen naturgemäß die Finanzen eine gewichtige Rolle spielen. Unter anderem soll noch einmal über den Verkauf des Stadionnamens verhandelt werden. Vier Millionen Euro hatte Kühne bis Sommer 2020 jährlich bezahlt. Geld, das diese Saison fehlt. Und vor allem Geld, das der HSV gerade in Hinblick auf weitere Verstärkungen gut gebrauchen kann.  Denn die Gefahr, dass die zweite Reihe in der entscheidenden Phase gebraucht wird und dann schwächelt, ist angesichts der Leistung von gestern gegen Viborg FF groß.

Aber, und diese Diskussion würde es natürlich auch wieder geben, sollte Kühne im kommenden Jahr wieder Millionen in den HSV pumpen: Was bekommt Kühne im Gegenzug? Anteile werden noch ausgeschlossen – aber eben auch nur „noch“. Denn in jedem Statement zu dieser Frage betonen alle Verantwortlichen, dass man es zwar nicht wolle. Es sei sogar die letzte Instanz – aber eben auch ein Szenario, das man aus professionellen Gründen nie ausschließen dürfe. Und wer den Anfang dieses Blogs noch erinnert, der weiß: Nichts beim HSV ist ohne Kausalität. Auch die bevorstehenden Gespräche im Januar nicht.

Als ich vor ein paar Monaten geschrieben hatte, dass Kühnes Wohlwollen dem HSV gegenüber auch mit der Besetzung des dritten Vorstandspostens zusammenhängen soll, bekam ich verneinende Anrufe der im Blog beschriebenen Personen. Ich hatte damals gehört, dass Jansen seinen Aufsichtsratskollegen und Kühne-Abgesandten Markus Frömming gern als neuen Vorstand Marketing sehen würde. Der Geschäftsführender Gesellschafter der Firma „BRANDS ALIVE GmbH - Agentur für Markeninszenierung“ würde vom Profil her auch passen. Und neben den Finanzen ist mit Boldt auch der Sport im Vorstand vorhanden – das Marketing indes fehlt auf Vorstandsebene und wird bislang von Sportfive und der Marketingabteilung unter Direktor Henning Bindzus hierarchisch unterhalb des Vorstandes abgebildet.

Wird das Marketing 2021 neu ausgerichtet?

Kommt nun also doch Frömming? Eher nein. Zumindest, wenn alles tatsächlich so kommt, wie man es mir damals klar und deutlich ankündigte, wird das nicht passieren. Aber auch hier gilt wie überall: Warten wir es ab. Zumindest soll Anfang des Jahres auch über die Neuausrichtung des HSV gesprochen werden. Zuletzt wurde dieser Weg endlich wieder deutlich enger an die Hamburger Wirtschaft geknüpft. Für mich ein alternativloser Weg, der in den sportlich erfolgreichen Zeiten dieses Jahrtausends  fahrlässig verlassen und seither vernachlässigt worden war. Erst heute kam das nächste Projekt unter dem Hashtag „#HSVer für Hamburg“ heraus. Dabei haben Fans und Verein in Kooperation eine Art Soli-T-Shirt entwickelt, dessen Reinerlös (nach Abzug der Produktionskosten) den in finanzielle Schräglage gekommenen Unternehmen zugute kommen soll.  Eine starke Aktion, die ich gern unterstütze und zu der ich Euch sehr gern ermutige!

Und zum Schluss noch ein Jahresabschluss der anderen Art: Denn den liefern am  21. Dezember (Anpfiff 20.30 Uhr) der HSV und der Karlsruher SC als Gastgeber des letzten Zweitligaspiels in 2020. Im Anschluss daran bekommen die Spieler über die Weihnachtsfeiertage kurz frei – ehe es nahezu ohne Pause weitergeht. Denn schon am 3. Januar (Sonntag, 13.30 Uhr) kommt Regensburg in den Volkspark, ehe am 9. Januar die Partie in Nürnberg (Sa., 13 Uhr) auf dem Plan steht. Für mich ist für heute aber erst einmal Schluss. Ich melde mich dann morgen wieder bei Euch! Und ich kann Euch für Sonntag schon einen wirklich sehr interessanten Beitrag von unserem Blogfreund und Psychologen Dr. Olaf Ringelband ankündigen. Schöne Aussichten, wie ich finde. Nein, sogar sehr schöne…!

Bis morgen!

Scholle

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