Marcus Scholz

26. April 2018

Das Interesse war riesig. Knapp 80 Vertreter sah sich Trainer Christian Titz heute bei der obligatorischen Pressekonferenz ausgesetzt – und die Fragen waren teilweise auch härter als sonst. Ehrlich und offen heraus gefragt - von Kindern am so genannten „Future day“, dem Tag, der auch „Girls and Boys day“ genannt wird. Mehr als 50 Kinder saßen heute in der Pressekonferenz vor dem Spiel am Sonnabend in Wolfsburg. Aber das Ergebnis seht und hört ihr ja selbst im Video. Für mich am wichtigsten war heute neben meinen beiden Begleitungen Laura und Sofie, dass die zuletzt angeschlagenen Spieler allesamt zurück sind. Julian Pollersbeck trainierte komplett mit, Kyriakos Papadopoulos stieg zum Abschlussspiel ein, während Aaron Hunt abgesprochen zu diesem Zeitpunkt ausstieg und sich behandeln ließ.

„Stand jetzt sind alle drei einsetzbar“, so Titz, der beim HSV das ausgemacht haben will, was es hier eigentlich nie gibt: wohltuende Ruhe. Ganz im Gegenteil zum Gegner, bei dem es seit Wochen unruhig ist. Auch heute wieder. Da wurde bekannt, dass der Sportliche Leiter Rebbe unmittelbar vor dem Aus steht und mit Horst Heldt schon der Nachfolger gefunden sei. Heute nun die Kehrtwende. „Nach einem intensiven, internen Austausch und Gesprächen zwischen Martin Kind und Verantwortlichen des VfL Wolfsburg ist die Entscheidung gefallen: Horst Heldt bleibt bei Hannover 96.“ Nach den Verhandlungen zwischen beiden Vereinen sei es zu keiner Einigung gekommen. Demnach hat Hannover jetzt einen quasi-Abgang als entscheidenden Mann im Sportlichen Bereich, während Wolfsburg mit einem bereits abgesägten Sportchef arbeitet. Solche Situationen vor wichtigen Spielen kennt man eigentlich eher vom HSV.

Inwieweit das Auswirkungen auf das Spiel seiner Mannschaft bei den Wölfen am Sonnabend hat? Titz hält sich hier sehr bedeckt. Auch, weil er weiß, dass in den letzten Saisonspielen fast immer die Tabellensituation alles überlagert. Gerade in direkten Nachbarschaftsduellen wie dem zwischen dem HSV und dem VfL, bei dem HSV-Retter Bruno Labbadia Schwerstarbeit zu verrichten hat. Dass die Niedersachsen durch die letzten Ergebnisse nicht vor Selbstvertrauen strotzen und das Fan-Umfeld nicht im Ansatz vergleichbar motivierend wirkt wie die HSV-Fans – es soll hier niemanden stören. „Aber wir werden nicht darauf setzen“, so Titz, der auch davor warnte, dass der VfL über individuelle Qualitäten verfügt, die immer wieder Spiele entscheiden können.

Titz blieb seinem Weg auch heute treu. Kein negatives Wort. Wie auf dem Platz gibt sich Titz auch drumherum ausschließlich offensiv und nach vorn orientiert. Seine persönliche Situation lässt er dabei komplett ausgeblendet. Und allen, die hier immer wieder von Titz-Gehype und Panikmache sprechen, sei gesagt: Wenn der HSV sein Glück nicht überstrapazieren will, sollte er langsam Nägel mit Köpfen machen. Zwei Monate ohne Sportchef bei nur noch drei ausstehenden Spielen ist auch nicht gehetzt, wie andere Beispiele verdeutlichen. In Köln beispielsweise ist man personell mit Vertragsverlängerungen von Leistungsträgern wie Hector und jetzt auch noch Horn (beide riskieren damit ihre Nationalelf-Karriere) selbst im nahezu sicheren Abstiegsfall schon weiter. Zudem hat man mit Markus Anfang einen neuen Trainer und auch sonst das komplette sportliche Umfeld geschaffen, um die Vorbereitungen auf den Abstieg mit Vollgas anzugehen.

Gut, hier in Hamburg hofft man natürlich noch, eben diesen Abstieg noch zu vermeiden. Und man hat in seinen Bemühungen um einen neuen Sportlichen Verantwortlichen auf Jonas Boldt gesetzt, der nun doch nicht kommen wird. Die offenbar angedachte Komplettpaket-Lösung von Vereinspräsident Bernd Hoffmann, der mit der Verpflichtung von Boldt auch den in China trainierenden Roger Schmidt als Trainer (zuzüglich Ex-HSV-Pressechef Jörn Wolf, der als Trainer-Manager mit in China ist) nach Hamburg lotsen wollte, ist somit nicht mehr möglich. Und ganz ehrlich: Den Gedanken, bei einem Abstieg lieber auf einen teuren Trainer wie Schmidt (dem ich damit nicht die zu seinem Gehalt adäquate Qualität absprechen will) anstelle des eingelebten und belebenden Trainers Titz zu setzen, hielte ich eh für absurd.

Denn: Auf der einen Seite trauen die Verantwortlichen Titz tatsächlich noch das Unmögliche (den Klassenerhalt) zu. Aber auf der anderen Seite soll auch nur das reichen, damit er bleiben kann? Weil die Erste Liga anspruchsvoller ist als die Zweite? Nein. Das wäre unlogisch. Das muss andere Gründe haben. Zumal ich weiß, dass der letzte, verbliebene Vorstand Frank Wettstein auf Titz setzen würde. Bernd Hoffmann indes setzt vor der Trainerentscheidung darauf, einen neuen Sportlichen Verantwortlichen gefunden zu haben. Und das ist an sich auch okay – dauert aber inzwischen zu lang. Die Frage, ob es vielleicht mit einem Sportchef eine Einigung gibt, die nur noch nicht verkündet werden darf gibt’s natürlich keine Antwort.

Antworten liefert dafür Bobby Wood auf dem Platz – sagt Titz. Heute im Abschlussspiel war der US-Amerikaner wieder im A-Team, wobei Hunt auch zur Behandlung in die Kabine ging. Dennoch redet Titz den seit Monaten torlosen Wood stark. Sogar stärker, als ich es tatsächlich erkannt zu haben vermag, aber was soll’s? Wenn es am Ende dazu führt, dass Wood, der zweifellos agiler, wenn auch meiner Meinung nach noch nicht torgefährlicher wirkt, wieder trifft – dann dürfte das uns allen nur Recht sein. Zumal Titz auch Fiete Arp wieder auf dem Schirm zu haben scheint. „Fiete wirkt etwas freier, lockerer nach den anstrengenden Wochen. Er ist auf einem sehr guten Weg und wird wieder seine Spiele machen.

Ansonsten war heute im Training nicht viel zu erkennen. In der Innenverteidigung vor Pollersbeck scheint Titz erneut auf Jung und Papadopoulos zu setzen, während Sakai rechts und Santos links verteidigen. Auf der Sechs wurde heute wieder hin und her gewechselt zwischen Steinmann und Ekdal, während Kostic rechts, Ito links sowie Waldschmidt und Holtby zentral hinter Wood spielten und ich mich jetzt wenigstens in den Ausläufern noch um den Geburtstag meines Zwerges kümmern werde. Mit einem guten Gefühl, was den HSV in Wolfsburg angeht übrigens...

In diesem Sinne, bis morgen!

Scholle

 

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