Marcus Scholz

3. September 2020

Ich habe ihn bisher viel gelobt. Und ich glaube auch heute noch, dass Seifert im Sinne seines Jobs sehr viel richtig macht. Auch heute. „Die Organisation und Durchführung dieser Spielzeit wird um ein Vielfaches komplizierter als die Beendigung der letzten Spielzeit“, betonte Christan Seifert da am Nachmittag. Der Geschäftsführer der Deutschen Fußball Liga sprach nach der virtuellen Mitgliederversammlung der 36 Erst- und Zweitligisten in Frankfurt mit Nachdruck und gab sich fast schon staatsmännisch auf der Pressekonferenz. „Man muss kein Philosoph und kein Prophet sein, um die Aussage zu treffen, dass dies die anspruchsvollste und schwierigste Spielzeit des professionellen Fußballs in Deutschland wird.“

Das Thema „Zuschauer in den Stadien“ hatte nicht zuletzt durch den Vorstoß des Bundeslandes Sachsen, das ihren Teams die teilweise Rückkehr der Zuschauer in die Stadien genehmigt hatte, wieder neuen Schwung bekommen. Zudem steht die erste DFB-Pokalrunde in acht Tagen bereits an.  Auch deshalb hatte Seifert die Vereinsvertreter bei der knapp dreistündigen Videokonferenz zuvor auf die weiterhin großen Herausforderungen in der Corona-Krise eingeschworen. „Die wirtschaftlich ganz harten Monate kommen erst noch“, warnte er, die DFL und ihre Clubs würden ein „Höchstmaß an Energie“ benötigen, um die kommende Saison zu bewältigen. Es bedürfe bei der Planung „Besonnenheit und Mut".

DFL wertet Fans im Stadion als gutes Zeichen

Größere Angstfreiheit in der Corona-Pandemie forderte Seifert auch von den Entscheidern in der Frage der Teilzulassung von Zuschauern ein. Die Frage, ob dies bei steigenden Corona-Infektionszahlen das richtige Zeichen wäre, sei zwar „absolut berechtigt und die muss auch gestellt werden“, sagte Seifert. Die Rückkehr von Fans könne aber auch „ein ganz wichtiges und sehr positives Zeichen sein. Ein Zeichen, dass sich tausende Menschen sehr wohl an Hygieneregeln halten wollen und halten können.“ Jeder sieht es eben so, wie es für seine Situation am besten ist.

Und während RB Leipzig zum Saisonstart gegen den FSV Mainz 05 vor 8500 Fans spielen darf und Hertha BSC gegen die TSG 1899 Hoffenheim die in Berlin erlaubten 5000 Besucher ins Olympiastadion lassen will, dürfte Rekordmeister FC Bayern München sein Auftaktspiel gegen Schalke 04 zum derzeitigen Stand nur vor 400 Zuschauern bestreiten. Der HSV und der FC St. Pauli haben noch gar keine Zuschauer genehmigt bekommen. Dennoch bleibt Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher ruhig. Ganz im Gegensatz zu Bayerns Ministerpräsident Markus Söder.

 

 

Der äußerte - wie zuvor schon Bundesgesundheitsminister Jens Spahn - deutlich Vorbehalte gegen eine Teilzulassung von Zuschauern zum Bundesligastart. „Jetzt wieder Fußballspiele mit Fans zu erlauben, während gleichzeitig die Infektionszahlen steigen, wäre ein schlechtes Signal“, so der CSU-Chef. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer bestärkte seine Vereine in seinem Bundesland heuet dagegen, weiter verantwortungsvoll und koordiniert an der Rückkehr von Zuschauern bei Großveranstaltungen zu arbeiten. Und allein in dieser Spanne zeigt sich schon die Ungleichbehandlung der Thematik in den Ländern. Herrscht so auch eine Wettbewerbsverzerrung vor? Söder sieht es so. „Ein Verein mit Fans, die anderen ohne - das kann weder im Sinn der Liga noch des Sports sein.“ Ähnliche Töne kamen aus dem Fanlager.

Das Thema "Zuschauer n den Stadien" nervt

Trotz des noch mindestens bis Ende Oktober geltenden Verbots für Sport-Großveranstaltungen warb Seifert dagegen erneut dafür, möglichst bald wieder die Arenen für eine größere Zahl von Fans zu öffnen. „Natürlich darf man nicht leichtsinnig werden, aber die Angst vor dem, was passieren könnte, darf uns nicht lähmen. Und man sollte sie auch nicht schüren“, betonte der 51-Jährige. Mit den vielen Unsicherheiten in der Corona-Pandemie müsse man „offensiv und bedacht umgehen“. Was auch immer das heißen mag.

Ich muss ehrlich gestehen, dass mir die Thematik Zuschauer in den Stadien längst viel zu hoch gehängt wird. Natürlich ist es schöner mit Fans und ordentlich Stimmung in den Arenen. Aber haben wir aktuell die Zeit für Wünsche? Reicht es nicht, dass man der Bundesliga schon eine Sonderrolle eingeräumt hat und sie hat spielen lassen bzw. sie spielen lässt? Und ja, auch ich halte es im Sinne der Demokratie für gerecht, wenn alle Bundesligisten gleichbehandelt würden. Absolut! Andererseits ist es aber eben auch Teil des Wettbewerbes, dass die einen ein großes und die anderen en kleines Stadion haben – und auch da beschwert sich doch niemand, dass bei den anderen die Stimmung besser ist. Oder?

Nein, für mich liegt es tatsächlich ausschließlich an den Klubs selbst, ihre vor dem Restart kniend und fast peinlich stark betonte Solidarität untereinander endlich auch einmal echt zu leben und sich selbst auf diese Gleichbehandlung einzulassen – unabhängig von den unterschiedlichen Beschlüssen der Landesregierungen. Aber ich weiß eben auch: Genau DAS wird es eben nie geben. Der Profifußball ist und bleibt ein Geschäft, in dem es nie mehr als Interessengemeinschaften geben wird. Auf gar keinen Fall aber werden die einen zugunsten der anderen verzichten, um mehr Gerechtigkeit herzustellen. Leider.

Solidarität zugunsten anderer? Nicht im Fußball...

Wobei die DFL eh keine Wettbewerbsverzerrung sieht. „Grundsätzlich begrüßen wir, dass es bundeseinheitliche Regelungen geben soll“, sagte Seifert, um erst einmal vernünftig zu klingen und dann nachzuschieben: „Aber ich würde das scharfe Schwert der Wettbewerbsverzerrung stecken lassen. Das hat heute auch keiner gezogen.“ Man müsse sich in kleinen Schritten in die Zukunft vortasten. „Erst wenn irgendwann mal ein Verein vor 50.000 Fans spielt und ein anderer mit null, wird es relevant für den Wettbewerb“, betonte der DFL-Boss.

Um die Fan-Rückkehr in die Stadien zu beschleunigen, werden sich die DFL und der Deutsche Fußball-Bund mit einem siebenstelligen Betrag an mehreren Studien zur Coronavirus-Pandemie beteiligen und diese wissenschaftlich begleiten. Stark. „Die Studien beginnen so schnell wie möglich“, sagte Seifert. „Wir gehen davon aus, dass wir nach dem Start des Spielbetriebs so schnell als möglich die ersten Ergebnisse vorlegen können.“

Um bis dahin so gut es geht gewappnet zu sein, wurde übrigens das optimierte medizinisch-hygienische Arbeitsschutz-Konzept der „Task Force Sportmedizin/Sonderspielbetrieb“ von den Vereinen gut zwei Wochen vor dem Bundesligastart einstimmig verabschiedet. Klingt exklusiv, oder? Zudem dürfen die Teams in der Bundesliga und der 2. Liga auch in der kommenden Saison in allen Spielen fünf statt drei Auswechslungen vornehmen. Damit soll das Verletzungsrisiko für die Spieler minimiert werden. Auch die kurzfristige Verlegung von Partien in andere Orte ist weiter möglich, um Spielausfälle zu vermeiden. Darüber hinaus will die DFL eine eigene Struktur für Corona-Tests schaffen, „denn die Lebensader der Bundesliga sind die Spiele“, philosophierte Seifert hochtrabend. „Ein Ausfall von Spielen wäre organisatorisch-logistisch ein großes Problem.“ Klar – finanziell.

Corona als Alibi für eigene Misswirtschaft

Und nur darum geht es. Um es mal auf den Punkt zu bringen. Denn der Fußball beschäftigt sich auf Führungsebene nur noch damit, den größtmöglichen finanziellen Schaden abzuwenden. Fans sind dabei ein Thema – aber eben auch nur, weil sie das Geld bringen. Würde man die nächsten Jahre ohne Fans mehr Geld verdienen können – die DFL und Seifert würden einen Weg finden, das zu protegieren und parallel zu betonen, wie wichtig die Fans doch eigentlich sind.

Ich weiß, dass viele von Euch anders denken, aber ich kann diese Diskussion nicht mehr hören. Ich sehe im Zuge der Pandemie viele Freunde ihre jahrzehntelang solide aufgebaute Existenzgrundlage verlieren, während schlecht wirtschaftende Klubs ihre miesen Zahlen der Corona-Pause zuzuschreiben versuchen und für eine Rückkehr zur Normalität gegen jeden Vernunft handeln würden – wenn sie es denn dürften. Ich sehe zudem einen für mich nicht mehr nachvollziehbar unterschiedlichen Umgang der Länder mit dem Thema Covid-19. Und ich höre DFL-Manager reden, als würden sie Wahlkampf für den Bundestag betreiben. Schwallende, hochtrabende Worte mit einem ganz simplen Ziel. In diesem Fall ist es nicht der Sitz m Bundestag – sondern der schnöde Mammon. Wobei da soft das Gleiche ist, zugegeben...

Wirklich so ernst nehmen, wie einige von Euch es vielleicht von mir erwarten, weil ich mit Fußball mein Geld verdiene, kann ich das alles aber nicht mehr. Oder anders formuliert: Es gibt schon genug andere, die das Thema Fußball in dieser Zeit viel zu ernst – vor allem aber viel zu wichtig nehmen. Mir wäre dieses Jammern derer, die hier Ungleichbehandlung wittern, peinlich. Fast so, als würde ich mich auf der Palliativstation bei den dortigen Patienten darüber auslassen, wie schlecht es mir doch ginge, weil ich gerade eine Wurzelbehandlung hatte...

Morgen geht es wieder um Fußball. Versprochen.

Tja, wie komme ich von hier jetzt zum HSV von heute im Training? Gar nicht. Daher belasse ich es auch dabei, alles in Kürze zu nennen. Simon Terodde fehlte heute, Jan Gyamerah trainierte individuell, Ewerton, Jung und Hunt sind voll wieder dabei. Und das Wetter war/ist schei.... Aber egal, ich melde mich morgen früh wieder be Euch. Dann auch wieder besser gelaunt mit dem MorningCall und werde Euch am Nachmittag dann berichten, wie es für den HSV am Sonnabend n den letzten Test gegen Hertha BSC geht.

Bis dahin!

Scholle

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