Marcus Scholz

23. November 2018

 

Kalt ist es. Aber dafür geht es auf dem Trainingsplatz des HSV hoch her. Der Kampf um die Plätze im Trainingskader wurde unlängst durch die Ankündigung des Trainers, selbigen zusammenkürzen zu wollen, befeuert. Zudem kehren mit Hee-chan Hwang und den Nationalspielern etliche Spieler zurück, die den Anspruch erheben, am Montag gegen Union Berlin in der Startelf zu stehen. Und sollte mich nicht alles täuschen, dann plant Wolf auch taktisch etwas Neues. Zumindest deutete heute im Training einiges daraufhin, dass er Hee-chan Hwang ohne feste Position im Angriff neben/hinter/an der Seite von Pierre Michel Lasogga spielen lassen will, während Douglas Santos auf der linken Seite mehr Freiraum für seine Ausflüge in die Offensive bekommen soll. Als Absicherung muss hierbei immer ein Spieler aus dem Zentrum kommen. Im Training heute waren das Holtby, Janjicic oder der Belgier Orel Mangala, womit ich beim Thema des Tages bin.

Mangala hat sich in den letzten Wochen im Mittelfeld unentbehrlich gemacht - soll aber Stand heute im Sommer zwingend zum VfB Stuttgart zurückkehren, wie die Kollegen von der Mopo vom Stuttgarter Sportchef Michael Reschke erfahren haben. Der hatte gesagt, dass die Tür zu Verhandlungen nicht mal einen Millimeter geöffnet werde. Eher das Gegenteil sei der Fall. Kettenrasseln nennen die Experten sowas zu einem so frühen Zeitpunkt. Ich allerdings behaupte, dass Reschke einer der schlechtesten Sportchefs Deutschlands wäre, wenn er so einen Spieler nicht schnellstmöglich wieder im eigenen Team sehen würde. Zumal die Wahrscheinlichkeit, dass der klamme HSV die Schwaben mit Geld überzeugen kann, bekanntlich gen Null tendiert. Es ist schlichtweg kein Geld da.

„Es gibt in der Zweiten wie auch in der Ersten Liga auch Mannschaften, die Spiele ohne Orel Mangala gewinnen“, wurde mir heute entgegnet, als ich behauptete, dass Mangala eine der ganz entscheidenden Personalien aktuell sei. Und natürlich stimmt das. Beides sogar. Allerdings haben die jeweiligen Mannschaften in Person ihres jeweiligen Sportchefs auf der Position ihrerseits gute Leute geholt - und das müsste der HSV im Sommer dann erneut schaffen. Man müsste im Zentrum wieder bei Null beginnen. Und damit kommen wir zu einem Problem, dass der Uni-Professor Freidank gestern schon angesprochen hatte: Es wird sich schnell herumgesprochen haben, dass der HSV finanziell nicht mehr das ElDorado der vergangenen Jahre ist. Es kann nicht mehr mit Millionen geaast werden, wie es zu Zeiten Dietmar Beiersdorfers mit Hilfe der Kühne-Millionen nur allzu freizügig gemacht wurde. Logische Folge: Der HSV ist nicht mehr so attraktiv für die Berater, die sich hier bei Transfers die Taschen vollmachen konnten.

Auch deshalb wird es entscheidend sein, den eigenen Nachwuchs maximal zu stärken. Die Tatsache, dass noch immer kein Ersatz für Bernhard Peters gefunden werden konnte, zeugt davon, dass sich die aktuelle Führung auf diesem Gebiet noch sehr schwer tut. Die oberen Nachwuchsteams kommen noch nicht in Fahrt. Die U21 schwächelt seit Wochen, während die U19 inzwischen fünf Punkte Rückstand auf den (zugegebenermaßen diese Saison extrem starken!) Tabellenführer FC St. Pauli hat. Im Bundesligakader hat Fiete Arp nach seinem fulminanten Start in der vergangenen Saison zuletzt zwar aufsteigende Form gezeigt - wirklich überzeugt hat er aber noch nicht. Ebenso wenig wie Tatsuya Ito, der unter Hannes Wolf sogar nur noch auf der Bank Platz nimmt. Mit Josha Vagnoman ist noch ein Talent dabei, das ich persönlich schon weiter sehe als die Trainer. Aber solange der U19-Nationalspieler nicht zum Einsatz kommt, werden wir es auch in Zukunft nicht wirklich wissen, inwieweit der Youngster schon eine Verstärkung für die Profis ist. Viel mehr Talente mit Startelfpotenzial sind dann auch wieder nicht da.

Angesichts des erwarteten Rekordminus’  aus der aktuellen Saison. dem dann neunten Minus in Folge, ist finanziell auf längere Sicht keine Besserung zu erwarten. Zumindest nicht, solange der Vorstand nicht einen potenten Strategischen Partner an Land ziehen kann. Und obwohl ich das bei Bernd Hoffmann nicht ausschließen möchte, ist es doch eher unwahrscheinlich. Und das bedeutet, dass der HSV in der kommenden Saison natürliche Probleme bekommen wird, Top-Spieler für egal welche Liga zu bekommen. Aus der eigenen Jugend sind momentan keine Toptalent zu erwarten. Zudem muss man die Leihspieler Hee-chan Hwang und Orel Mangala noch abziehen. Ebenso wie die Spieler mit großen, zum Saisonende auslaufenden Verträgen: Lewis Holtby und Pierre Michel Lasogga.

Ergo: Ralf Beckers Aufgabe wird nicht leichter. Im Gegenteil. Er hat im Vergleich zu seinen Vorgängern das wahrscheinlichste schwierigste Mandat übernommen. Er muss ohne Geld den Kader verstärken - und dabei auch noch sparen. Sollte der HSV wie erwartet aufsteigen, verkompliziert sich diese Aufgabe noch, da die Steigerung der sportlichen Ansprüche an die Neuzugänge nicht der finanziellen Einnahmesteigerung entsprechen.

Man muss es tatsächlich so sagen, wie es Professor Freidank gestern sagte: Dieser HSV ist systematisch zerlegt worden. Aus einer Mischung von Selbstüberschätzung und Gleichgültigkeit der Zukunft gegenüber (man ist dann ja eh nicht mehr im Amt) wurde die finanzielle Basis nachhaltig zerstört. Ihr wollt Namen dazu? Kein Problem, die Auswahl ist riesig: Beiersdorfer „schaffte“ 2016/2017 allein 38 Millionen Euro Transferminus, Jarchow, Bruchhagen schauten nur zu, während Kühne mit Struth zusammen sowie Gernandt und alle anderen Aufsichtsräte, Vorstände und Sportchefs zusammen es vorher geschafft hatten, das Minus kontinuierlich auszubauen. Sie gaben zudem schon Vorschüsse auf künftige Einnahmen freihändig aus.

Aber okay, das wissen wir inzwischen durch die neuerlich negative Bilanz nur zu genau. Umso schöner sind die positiven Ablenkungen durch lange vermisste Erfolgserlebnisse auf dem Platz. Inklusive Pokal zuletzt viermal am Stück - da kann man schon mal kurz verdrängen, was im Hintergrund lauert. Auch Montag soll es so weitergehen, wenn mit Union Berlin die letzte ungeschlagene Mannschaft der Zweiten Liga (in der Bundesliga ist nur noch der BVB ungeschlagen) zu Gast ist. Die Mannschaft mit der besten Abwehr veranlasst den zuletzt eher etwas konservativ agierenden Hannes Wolf zu ersten Experimenten. Zumindest heute im Training, wo er wie oben beschrieben sehr offensiv agieren ließ. Lasogga ganz vorn, Hwang als freier Mann um ihn herum, Narey rechts offensiv und Douglas Santos als offensiver linker Außenverteidiger sollen für Offensivschwung sorgen, während Aaron Hunt im zentralen Mittelfeld die Fäden zieht.

So sieht der Gegner das Spiel am Montag:

Der Regisseur war heute nach überstandenem Infekt wieder dabei, beendete das Training aber nach den taktischen Spielen vorzeitig - wie vorher abgesprochen. Dass Fiete Arp für Hwang aus der Startelf rotiert ist so wahrscheinlich wie der Umstand, dass David Bates weiterhin auf der Bank sitzt und darauf warten muss, eine neue Chance in der Innenverteidigung zu bekommen. deshalb sah es in der Startelf heute noch so aus: Pollersbeck – Sakai, Lacroix, van Drongelen, Santos – Janjicic - Narey, Mangala, Holtby - Hwang, Lasogga. Bleibt nur noch offen, wo Aaron Hunt eingebaut wird, wer für ihn raus muss. Und natürlich die Frage, ob der Trainer taktisch wirklich das erste Mal umbaut.

In diesem Sinne, morgen wird um 11 Uhr am Volksparkstadion trainiert. es ist die letzte öffentliche Einheit vor dem Spitzenspiel am Montag, für das bislang „erst“ 43.000 Tickets abgesetzt wurden. 5200 davon gingen allein schon nach Berlin. Insofern an alle diejenigen, die noch keine Tickets haben: Hin da! Und bevor ich diesen Blog beschließe noch ein kleiner Hinweis: Da der HSV erst am Montag spielt, wird es diesmal erst am Dienstag den nächsten Rautenperle-Talk geben. Unser Gast diesmal wird der stellvertretende Mannschaftskapitän Lewis Holtby sein, der dann hoffentlich gesund und mit einem Heimsieg im Rücken bei uns auf dem Sofa Platz nehmen wird.

 

Bis morgen!

Scholle

FAQs

 
 

Über uns

Die Rautenperle - das ist ein Team aus jungen Medienschaffenden und Sportjournalisten mit großer Affinität zum HSV. Wir sind 24/7 bei den Rothosen am Ball und produzieren frischen Content für Rautenliebhaber.

Unser Ziel ist es, moderne, unabhängige Berichterstattung und attraktiven, journalistischen Content für junge und jung gebliebene HSV-Anhänger zu bieten. Wichtig ist uns dabei, eine neue Art des Sportjournalismus zu präsentieren: dynamisch, zeitgemäß, zielgruppengerecht. Weg von verstaubten Zeitungsspalten und immergleichen Phrasen.

Die Rautenperle ist aber nicht nur ein Ort, um sich zu informieren, sondern soll auch immer ein Ort des Austausches und des Miteinanders sein. Wir wollen eurer Leidenschaft einen Platz im Netz bieten: zum Diskutieren, zum Mitfiebern, zum Mitmachen.