Simon Rösel

25. September 2020

Die Transferstrategie im letzten Sommer war eindeutig. Es sollten erfahrene Spieler her. Dazu sollten sie kräftig und kampfstark sein, um Spiele die auf der Kippe stehen zu Gunsten des HSV zu wenden. Die ablösefreien Verpflichtungen von Simon Terodde, Klaus Gjasula und Toni Leistner waren das Ergebnis dieser Strategie. Zusammen kommen sie auf 381 Spiele in der 2. Bundesliga. Sie sind alle mindestens 1,90m groß und Klaus Gjasula trägt obendrein noch einen Helm, der ihn wie einen Krieger aus dem antiken Sparta aussehen lässt. Sie lassen sich nichts gefallen. Nach der internen Analyse haben anscheinend genau solche Typen im letzten Aufstiegsrennen gefehlt. Schließlich hat der HSV, vor allem nach dem Restart, mehrere Spiele in der Verlängerung … aber das wissen wir ja alle.

Was sollen die Typen leisten?

Mit den drei neuen Typen soll genau das nicht mehr passieren. Gjasula ist durch seinen Gelbe-Karten-Rekord in der Bundesliga als harter Zweikämpfer berühmt und berüchtigt geworden. Terodde hat als eiskalter, bulliger Strafraumstürmer schon Stuttgart und Köln zurück in die Bundesliga geschossen. Und Toni Leistner hat letzte Saison in Köln mehrfach gezeigt, dass er auch auf Bundesliganiveau verteidigen kann. Vielleicht hat man sich in der Scouting-Abteilung auch diese Vorlage von ihm im Trikot der Queens Park Rangers rumgeschickt:

Trotz aller Bescheidenheit, die vor der Saison ausgerufen wurde, war vor allem die Verpflichtung von Simon Terodde ein klares Signal, dass zumindest intern der Aufstieg wieder das Saisonziel ist. Und die neuen Spieler werden sichergestellt haben, dass es in ihren Verträgen entsprechende Erfolgsklauseln gibt. Wodurch einerseits die Gehaltsobergrenze beim HSV eingehalten werden kann – und die Spieler im Erfolgsfalle trotzdem besser entlohnt werden, als irgendwo anders in der 2. Bundesliga. Wieso auch nicht. Ohne Köln und den VfB Stuttgart fehlt diese Saison ein Absteiger mit Erstliga reifem Kader. Stattdessen wird es ein Rennen zwischen zahlreichen Traditionsvereinen geben, die wieder hoch wollen, bevor sie das Schicksal von 1860 oder dem FCK erreilt: Ich denke an Hannover, Nürnberg und Düsseldorf. Dazu kommen manche Dauermitglieder der zweiten Liga, die das Potenzial haben oben anzugreifen: Bochum, Darmstadt und Heidenheim. Und dann gibt es ja auch jedes Jahr noch die Überraschungsmannschaften. Doch prompt als der HSV anfing sich die Aufstiegschancen aus- und schönzurechnen kam das Pokalspiel in Dresden.

Was nicht weiterhilft

Gegen Dresden hat keiner der drei Typen das gebracht, was die sportliche Leitung sich von ihm erhofft hat. Leistner hat die Flanke vor dem ersten Gegentor nicht verteidigt bekommen und machte vor allem Schlagzeilen mit dem gewonnenen Zweikampf auf der Dresdner Tribüne. Terodde saß angeschlagen auf der Bank und hat seine Chancen genauso wenig genutzt wie vorher Lukas Hinterseer. Gjasula hat im Mittelfeld Bälle hergeschenkt und fiel ansonsten vor allem durch übermotivierte Grätschen im Mittelfeld auf. Besonders Gjasula erinnerte mich an das letzte Mal, als der HSV einen so angepriesenen „Aggressive Leader“ verpflichtet hat. Und bei den Kommentaren hier hab ich ähnliches auch schon gelesen. Ich rede natürlich von: Valon Behrami. Der Schweizer war 2014 als Mittelfeldschlachtschiff gekommen, das Van der Vaart den Rücken freihalten sollte. Doch Behrami zeichnete sich vor allem durch viele kleine, große und mittelschwere Fouls aus. Dazu kam ein Streit mit Johan Djourou und eine unnötige Rote Karte im Saisonfinale. Kurz: Er war zwar agressiv, aber kein Leader. Auch ansonsten ist die angetragene Leaderrolle für Spieler in erster Linie eine Last – wenn sie ihr nicht gewachsen sind. Rick van Drongelen war in den letzten beiden Saisons zwar immer engagiert, aber konnte der Rolle als Abwehrchef und Vize-Kapitän nie gerecht werden. So hart muss man das leider sagen. Die Führungsrolle kam für ihn zu früh. Er hätte jemand neben sich gebraucht, an dem er sich aufrichten kann und der seinen – zweifellos vorhandenen – Einsatzwillen in die richtigen Bahnen lenkt.

 

Es gibt verschiedene Führungsstile

Im Spiel gegen Düsseldorf hat nun Moritz Heyer direkt eine hervorragende Figur als Abwehrchef gemacht. Vor allem hat er dem talentierten Stephan Ambrosius genügend Sicherheit gegeben. Aber auch Gjasula ist im Laufe des Spiels immer ruhiger geworden. Einige agressive und einige wichtige Fouls waren zwar dabei, aber mit der Zeit hat man ihn immer weniger wahrgenommen – was für einen Sechser oft eine gute Feststellung ist. Sowieso macht mir bei Gjasula vor allem sein bisheriger Werdegang Hoffnung. Er ist ein Spieler, der über seine ganze Karriere hinweg mit seinen Aufgaben und den Ligen in denen er gespielt, gewachsen ist. Er hat sich von unten nach oben gearbeitet und ist kein ehemaliger Topspieler, der nun auf dem Weg nach unten noch in Hamburg Station macht und einen zu gut dotierten Vertrag als Führungsspieler mitnimmt (Ja, ich denke an dich, Juan Pablo Sorin). Sein Selbstbewusstsein ist groß genug, um auch die Aufgabe in Hamburg annehmen zu können. Vor allem sollte er er einen Spieler wie Onana davor bewahren, das mit ihm das gleiche passiert wie mit Adrian Fein in der letzten Saison. Je mehr Lasten im Aufbauspiel auf Feins Schultern ruhten, desto verkrampfter wurde er. Vielleicht war es auch vom Trainerteam zu viel verlangt, dass ein 21-jähriger Leihspieler die meiste Verantwortung im Aufbau trägt. Wenn ein Spieler wie Onana in die Rolle hineinwächst und wie gegen Düsseldorf eine wesentliche Rolle im Aufbau spielt ist das toll. Es sollte aber einen Plan geben, der dann greift, wenn die jungen Spieler Leistungsschwankungen unterliegen. Denn das werden sie.

Wer ist da wenn’s eng wird?

So wie auch das ganze Team seine Leistungsschwankungen haben wird. Passenderweise haben wir in den ersten zwei Spielen direkt gesehen, in welche Richtungen die Reise gehen kann. Ein engagierter Underdog aus Dresden schaffte es den Druck aufzubauen, an dem der HSV zerbricht. Ein Mitfavorit auf den Aufstieg aus Düsseldorf bringt dagegen erst gegen Ende des Spiels einige wenige Torchancen zustande. Ehrlich gesagt gefiel mir das noch mehr als die beiden Tore, die genau zur richtigen Zeit fielen. Ich hätte es der Mannschaft vor allem gegönnt zu Null zu spielen. Denn das hätten sie sich mit der Leistung verdient gehabt. Aber die Spiele gegen etwa gleichstarke Gegner waren in der zweiten Liga noch nie das Problem des HSV. Die Probleme zeigten sich gegen die Mannschaften aus kleinen süddeutschen Städten, die niemand kennen würde, wenn sie nicht eine Fußballmannschaft in der zweiten Bundesliga hätten. In den Spielen gegen Klubs wie Heidenheim oder Sandhausen müssen Spieler wie Gjasula, Leistner oder Terodde zeigen wofür sie geholt wurden. Sie sollen auf dem Platz den Kampf annehmen, die anderen Spieler anführen und der Mannschaft auch in schwierigen Situationen Sicherheit verleihen. Denn diese Mannschaften haben einem arroganten und gleichzeitig verunsicherten HSV in den letzten beiden Jahren immer wieder wehgetan. In einfach Spielen kann jeder ein Führungsspieler sein. Aber in den Spielen wo es eng wird, zeigt sich die wahre Führungsqualität. Vor allem Simon Terodde wird hier wichtig werden, denn er ist es auch gewohnt, als Mittelstürmer eines Favoriten gegen kleine Klubs trotzdem die entscheidenden Treffer zu machen. Er wurde geholt, weil er genau diese Qualität gezeigt hat, die dem HSV bisher gefehlt hat. Im Laufe der Saison werden wir sehen, ob er sie auch in Hamburg einbringen kann. Aber auch Gjasula und Leistner müssen ihre Eignung dafür noch unter Beweis stellen – und zeigen, dass der HSV auf die richtigen Typen gesetzt hat.

FAQs

 
 

Über uns

Die Rautenperle - das ist ein Team aus jungen Medienschaffenden und Sportjournalisten mit großer Affinität zum HSV. Wir sind 24/7 bei den Rothosen am Ball und produzieren frischen Content für Rautenliebhaber.

Unser Ziel ist es, moderne, unabhängige Berichterstattung und attraktiven, journalistischen Content für junge und jung gebliebene HSV-Anhänger zu bieten. Wichtig ist uns dabei, eine neue Art des Sportjournalismus zu präsentieren: dynamisch, zeitgemäß, zielgruppengerecht. Weg von verstaubten Zeitungsspalten und immergleichen Phrasen.

Die Rautenperle ist aber nicht nur ein Ort, um sich zu informieren, sondern soll auch immer ein Ort des Austausches und des Miteinanders sein. Wir wollen eurer Leidenschaft einen Platz im Netz bieten: zum Diskutieren, zum Mitfiebern, zum Mitmachen.