Tobias Escher

12. März 2019

Derbysieg! Es war ein überraschend einseitiges Spiel im Millerntor-Stadion. Dass der HSV die Partie derart dominieren konnte, lag auch am veränderten Spielsystem. Hannes Wolf stellte seine Mannschaft richtig ein.

Wenn HSV-Fans nach zwei Dritteln der Saison eins gelernt haben, ist es die Tatsache, dass die Zweite Liga alles andere als ein Spaziergang ist. Wer als Traditionsteam aus der Ersten Liga herunter stolpert, sieht sich plötzlich einem Haufen hart arbeitender, gut verteidigender Gegner gegenüber. Der Hamburger SV tat sich in dieser Saison entsprechend schwer, gegnerische Defensivreihen zu knacken. Siege mit mehr als einem Tor Unterschied waren eine Seltenheit.

Warum feierten die Hamburger ausgerechnet im Derby ihren ersten echten Kantersieg der Saison? Im Millerntor-Stadion trafen zwei Faktoren aufeinander: Der neu formierte HSV erwischte einen richtig guten Tag – und der Gegner einen richtig schwachen.

Umstellung des Positionsspiels

Hannes Wolf stellte seine Elf im Vergleich zu den vergangenen Spielen um. Im Mittelfeld setzt er auf eine Doppelsechs, bestehend aus Vasilije Janjicic und Orel Mangala. Vor ihnen agierte Aaron Hunt als Zehner. Die Grundformation war dementsprechend eine 4-2-3-1-Formation, wobei dies beim HSV nicht viel heißt. Sie formieren sich offensiv stets anders, als sie dies defensiv tun.

So setzte der Hamburger SV auch in dieser Partie auf eine fest definierte Raumaufteilung. Gotoku Sakai rückte als Rechtsverteidiger häufig ins halbrechte Mittelfeld neben die Doppelsechs. Vorne besetzte Rechtsaußen Khaled Narey die Breite. Auf links wiederum rückte der nominelle Außenstürmer Berkay Özcan in die Mitte, Linksverteidiger Douglas Santos besetzte die Breite. Offensiv agierte der HSV also mit einer Art 2-3-4-1 im Aufbau.

Solche eine feste Struktur, in der die Spieler klar definierte Räume besetzen, nennt man Positionsspiel. Unter Wolf hat der HSV ein Positionsspiel entwickelt, das stark auf Symmetrie aufbaut. Die positive Folge: Der HSV kann dank der gleichmäßig besetzten Zonen gut auf Ballverluste reagieren. Gerade im Zentrum haben sie immer eine Überzahl. Zuletzt war ihr Positionsspiel aber offensiv harmlos, da es recht durchschaubar war. Der Gegner weiß zu jeder Zeit, wo ein Hamburger auftauchen könnte.

Taktische Aufstellung FCSP-HSV

 

St. Pauli und die Lücken im Mittelfeld

Dadurch, dass sich in der neuen Variante mit Özcan und Hunt zwei Spieler im offensiven Mittelfeld anboten, besetzte der HSV den Zehnerraum wesentlich besser als zuletzt. Das war ein Manko im Offensivspiel. Gegen St. Pauli wurde dies zum entscheidenden Faktor. Die Paulianer verteidigten – wie so viele HSV-Gegner in dieser Saison – in einem 4-4-2-System. Sie wollten kompakt stehen, den Ball im Mittelfeld erobern und schnell kontern.

In der ersten Halbzeit gelang ihnen dies auch noch passabel. Nach einer turbulenten Anfangsphase, in der Pauli früh presste, entstand das gewohnte Bild von HSV-Spielen: Die Hamburger ließen den Ball in der ersten Linie laufen, der Gegner lauerte in der eigenen Hälfte.

Das 1:0 durch Pierre-Michel Lasogga nach einem Freistoß von Hunt zerstörte den Plan von Pauli-Coach Markus Kauczinski. Nach der Pause mussten seine Paulianer mehr für das Spiel tun. Kauczinsky entschied sich dafür, Christopher Buchtmann im Mittelfeld weiter vorrücken zu lassen. St. Pauli lief den HSV nun in einem aggressiven 4-1-3-2-System an.

Das System führte Pauli jedoch eher suboptimal aus. Offensiv schwächelte Pauli in der Raumbesetzung des Mittelfelds, sodass der HSV im eigenen 4-4-1-1 leicht die gegnerischen Angriffe verteidigen konnten. Defensiv wiederum taten sich Lücken auf neben dem einzigen Sechser Marvin Knoll. Nun fiel Hamburgs Überzahl im Zehnerraum ins Gewicht: Özcan und der nach der Einwechslung von Jatta einrückend agierende Santos hatten das Spiel in dieser Zone völlig im Griff.

Der HSV konnte sogar auf eine Facette des eigenen Spiels bauen, die bislang eher selten zu sehen war in dieser Saison: das Konterspiel. Mit den wuchtigen Sprints von Lasogga und den Dribblings der Außen hat der HSV hier veritable Waffen zur Verfügung. Pauli ließ mit der viel zu offensiven Ausrichtung diese Konter zu. Der HSV schraubte im Verlaufe der Partie das Ergebnis auf 4:0 hoch, ohne dass Kauczinski nennenswerte Änderungen an seinem System vornahm.

Fazit und Ausblick

Eine Mannschaft taktisch über eine ganze Saison zu begleiten, ist für mich eine interessante Erfahrung. Kaum ein Team setzt über eine gesamte Saison auf dieselbe Taktik; es gibt immer wieder kleinere und größere Abweichungen. So auch beim HSV. Nachdem das Rauten/4-3-3-Gemisch der vergangenen Woche zuletzt entschlüsselt schien, hat Wolf seine Taktik umgestellt, ohne dabei an der grundsätzlichen Spielweise zu rütteln. Gegen St. Pauli hatte Wolfs Team auch den Überraschungseffekt auf der eigenen Seite – der Gegner hatte offenbar mit dem 4-2-3-1-System nicht gerechnet.

Gegen Darmstadt dürfte dieser Überraschungseffekt verpufft sein. Die positiven Aspekte des Derbys könnte der HSV jedoch auch ins nächste Spiel mitnehmen. Am Samstag wartet mal wieder ein typisches Zweitliga-Team: Darmstadt stört den Gegner im Mittelfeld, möchte schnell kontern und Stürmer Serdar Dursun mit Hereingaben füttern. Gegen Darmstadts 4-4-2-System dürfte wichtig sein, erneut den Zehnerraum stark zu besetzen. Das ist in Wolfs aktueller Variante des Positionsspiels durchaus möglich.

So einfach wie gegen St. Pauli dürfte es im kommenden Heimspiel aber nicht werden. St. Pauli hätte nach der Pause Tür und Tor für den HSV nicht derart geöffnet, wäre es nicht ein Derby gewesen. Damit am Ende niemand sagt, in diesem taktischen Kontext käme die mentale Komponente zu kurz: Der 4:0-Sieg im wohl wichtigsten Spiel dieser Saison dürfte neue Kräfte freisetzen bei einer Hamburger Mannschaft, die in den vergangenen Wochen noch etwas verunsichert wirkte.

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