Marcus Scholz

18. Dezember 2017

Heute ist der erste richtige Urlaubstag. Also für die HSV-Profis. Jeder einzelne von ihnen hat ein individuelles Trainingsprogramm mitbekommen, dazu die Uhr, die alle Aktivitäten aufzeichnet und sie so nachvollziehen lässt. „Überwachter Urlaub“ sozusagen, wobei das Trainerteam noch warten muss. Trainer Gisdol beschäftigt sich zusammen mit seinem Assistenten sowie dem Sportchef Jens Todt noch mit dem Kader sowie der Planungen für die kurze Pause. Denn schon am Neujahrstag geht es ins Trainingslager nach Jerez. Der erste Rückrundenspieltag ist in 26 Tagen am 13. Januar in Augsburg. Das Gute daran: In den zwei Wochen bis zum Trainingsauftakt können die Spieler gar nicht so viel Fitness abbauen, dass die Grundlagenarbeit zu viel Zeit in Anspruch nimmt. Dementsprechend wohl gesteuert ist das jeweilige Trainingspensum der Spieler in der Pause. Immerhin soll im Trainingslager in Jerez schnellstmöglich das Hauptaugenmerk auf taktische Trainingsarbeitet gelenkt werden können. Stand jetzt und dabei soll es auch bleiben: Mit Markus Gisdol.

Und ich schreibe das nur, weil hier leider noch immer viele denken, ein Trainerwechsel sei das ultimative Heilmittel. Auch ich hatte hier in den letzten Tagen vorrangig Themen, die in ihrer Intonation den Tabellenstand wiederspiegelten. Und das nicht, weil ich verärgert, enttäuscht oder gar frustriert war, wie einige meinten. Nein, bei allem, was ich derzeit mitbekomme, wiederholen sich hier schlichtweg Fehler. Und frei nach meinem Geschichtslehrer Herrn Pischke, halte ich es auch beim HSV: „Du darfst jeden Fehler machen. Einmal. Denn einmal ist kein Mal – zweimal dafür immer...“

Gerade deshalb habe ich auch ehrlich gesagt kein Verständnis, dass beim HSV der Trainer diskutiert wird (was absolut vertretbar ist), nicht aber das Konstrukt um ihn herum. Denn das ist das letztlich alles überbordende Übel. Oder glaubt hier wirklich jemand, der HSV hätte in den letzten zehn, 15 Jahren immer nur Gurken zum Trainer gemacht? Nein, es ist einfach zwingend notwendig, das gesamte HSV-Gebilde zu hinterfragen. Denn hier krankt es. Und solange hier nicht entscheidend korrigiert wird,  werden sich die Fehler wiederholen. Und wir werden wieder und wieder in der Situation sein, den Trainerrauswurf als Lösung zu erachten, ohne damit die Ursache des anhaltenden Misserfolges auch nur im Entferntesten zu beheben.

Und deshalb halte ich personelle Konsequenzen für in sich beurteilt für vertretbar – damit das bitte keiner falsch versteht. Aber kausal betrachtet halte ich einzelne Maßnahmen für Perlen vor die Säue. Sie werden kurzfristig helfen, aber allesamt nicht nachhaltig wirken können. Der Spiegel hat mit Hilfe von „Football Leaks“ in den letzten Monaten viele pikante Details vom HSV veröffentlicht. Zahlungen, Gehaltszahlen, zuletzt auch noch irrwitzige Sparmethoden, die aufzeigen, dass beim HSV der Hebel bis heute nicht da angesetzt wurde, wo er angesetzt werden muss: Bei den Millionenzahlungen in Vorstand und Profimannschaft. Heftklammern, Blumen, Jubiläumszahlungen – der Rotstift wurde kreativ angesetzt – und verfehlte das Ziel ebenso deutlich wie der HSV die Champions League.

Und wenn wir schon bei falschen Wahrnehmungen sind, noch ein Wort zum zuletzt diskutierten Zuschauerschwund. 451.910 Zuschauer in den Hinrundenheimspielen - das macht einen Zuschauerschnitt von 50.212 Besucher in den bisherigen neun Heimspielen. Wobei man bedenken muss, dass mit Bayern, Leipzig und Dortmund schon drei Topteams zu Gast waren, klar. Aber was hat das zu sagen? Offen sind noch Heimspiele gegen Köln, Hannover, Leverkusen, Mainz, Hertha, Schalke, Freiburg und Gladbach. Und alle können noch hohe Brisanz beinhalten und dementsprechend für vollere Ränge sorgen. Und nehmen wir mal Leverkusen außen vor: Die restlichen Gegner bringen allesamt mehr Fans mit als beispielsweise Hoffenheim und Leipzig, die schon hier waren.

Wobei ich eigentlich gar nicht sicher bin, was besser wäre. Natürlich freue ich mich, wenn im Stadion gute Stimmung ist und Hamburg für den HSV auf den Beinen ist. Aber auch nur, weil ich eine Dauerakkreditierung habe. Denn anders wären regelmäßige Stadionbesuche gar nicht zu finanzieren. Schon gar nicht mit Frau und Kind(ern). Und der HSV wird nicht müde, ligaweit Preise aus dem gehobenen, ersten Segment zu verlangen. Obwohl man der Spitze sportlich uneinholbar weit hinterherhinkt. Es ist leider genau die Arroganz, die diesen HSV schon seit Jahren auch auf anderen Ebenen lähmt. Sie stand dem Klub sogar in der erfolgreicheren Zeit im Weg. „Solange die Leute es zahlen, gibt uns das Recht“, heißt und hieß es in diesem Zusammenhang immer. Und bislang ging es ja auch gut.

Vielleicht geht es auch diese Saison wieder gut. Aber sobald sich irgendwann eine Lethargie breit macht und es nicht mehr heißt „Wenn Du zum HSV willst, musst Du Dich früh um Tickets kümmern“, dann kann die Stimmung schnell umschlagen und genau diese Arroganz, diese Distanz zwischen den HSV-Verantwortlichen und ihren treuen Anhängern, die in der Marketingabteilung „Kunden“ genannt werden, für Verdruss sorgen. Und das sollte der HSV tunlichst vermeiden. Ich habe jedenfalls keine Lust mehr auf diese "SG-Wattenscheid-12000-Zuschauer-Stimmung" von damals im alten Volksparkstadion. Mir gefällt es, dass die Ränge explodieren, wenn die Mannschaft auf dem Platz die Unterstützung braucht. Mehr noch, ich behaupte, die Fans haben in den letzten Jahren einen außergewöhnlich maßgeblichen Anteil am Klassenerhalt gehabt. Und es wird Zeit, das von Vereinsseite (besseregsagt: Von HSV-AG-Seite) zurückzuzahlen. So – oder so...

In diesem Sinne, bis morgen. Das alles musste gesagt bzw. geschrieben werden, wie ich finde. Und ich hoffe, dass ich morgen wieder mit einem (hoffentlich deutlich) sportlicher angehauchten Blog kommen kann.

Wobei, bevor ich den Blog beschließe, noch ein Hinweis: Für Mittwoch 11 – 14 Uhr plane ich an dieser Stelle eine altbewährte Frage-/Antwort-Runde. Ihr haut wie sonst auch alles raus, was Ihr wissen wollt, und ich versuche nach bestem Bemühen, alle Fragen umgehend zu beantworten. Das macht es mir leichter, Euch gerecht zu werden. Zuletzt kamen Kommentare wie „Er antwortet offenbar ausgewählt“ und dergleichen, was tatsächlich falsch ist. Ich möchte jedem gerecht werden, ich schaffe es aber manchmal einfach nicht. Deshalb mache ich es jetzt einmal so kompakt. Das ist deutlich leichter als wenn ich jeden Tag in den Blog schaue und alle Fragen nach und nach einzeln über den Tag/die Tage verteilt beantworte.

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