Marcus Scholz

25. November 2017

Ich hatte es gestern angedeutet, dieser Blog heute ist ein Stück weit reicher als sonst. Und dafür geht mein Dank nach Hoffenheim zu meinem ebenso sympathischen wie spontanen Kollegen Alexander Gusovios, der für die Fans der TSG den „Hoffenheimblog“  betreibt und mir bzw. natürlich uns allen einen schönen Gastbeitrag geschrieben hat, den ich hier in diesen Blog mittig integriert habe. Ich hatte dieses Prozedere schon unter anderer Flagge angeschoben. Und ich werde versuchen, dies auch als Rautenperle hier zu installieren, weil ich glaube, dass dieses Sicht von außen auf den HSV sehr interessante Thesen mit sich bringen kann. Es fördert das Verständnis – und es macht uns allemal nicht dümmer. Im Gegenteil.

 

Gastbeitrag von Alexander Gusovios (www.Hoffenheimblog.de)

Die Farbe blau

Hoffenheim und Hamburg? Viel weiter auseinander geht’s ja nicht! Denkt man, aber in Wahrheit verbindet den HSV und die TSG eine ganze Menge. Angefangen mit Markus Gisdol und Bernhard Peters, die von Hoffenheim nach Hamburg wechselten, weiter mit Eurer TSG-Legende Salihovic und unserem Mittelfeldmotor Demirbay, der vom HSV verschmäht wurde, bis hin zur geteilten blauen Trikotfarbe!

Außerdem ist Euer Käpt’n Schwandt ein langjähriger, guter Freund von mir, der mit Fußball zwar nicht so viel am Hut hat, aber sich doch um den HSV sorgt. Ich habe mich sehr gefreut, dass er vorgestern mal wieder öffentlich aufgetreten ist.

Dass es beim HSV seit ein paar Jahren nicht so gut läuft, finde ich aber nicht nur wegen dem Käpt‘n schade. Man muss nicht gleich an die seligen Zeiten von Magath, Hrubesch und Kaltz und schon gar nicht daran denken, dass den ewigen Bayern und den momentan schwächelnden Dortmundern ein bisschen Konkurrenz aus der Hansestadt guttun würde – der HSV sollte sowieso eine kräftigere Farbe in der Bundesliga sein. Was nicht heißt, dass ich am Sonntag beide Daumen für die Heimmannschaft drücke.

Es ist klar, dass uns am Sonntag im Volksparkstadion ein schweres Spiel erwartet. Nach dem Aus in der Euro-League sind Kopf und Beine schwer – und der HSV ist ein äußerst unangenehmer Gegner, der konditionell alles abverlangt und es versteht, Chaos in den gegnerischen Reihen anzurichten. In welcher Formation wir auflaufen, ist unklar: vielleicht wieder mit Wagner in der Spitze, aber sonst nicht großartig anders als zuletzt.

Ob das Spiel fußballerisch ein Genuss wird? Wahrscheinlich nicht! Eher ein Kampfspiel mit Kilometer-Rekorden, intensiven Zweikämpfen und hoffentlich nicht zuviel Hektik... Kann sein, dass ein Remis am Ende dabei herausschaut, das keinem richtig wehtut und keinem richtig nutzt. Wenn’s anders kommt und Hoffenheim gewinnt, freue ich mich natürlich und drücke dem HSV ab Montag fest die Daumen!

Ebenfalls zum allerersten Mal in dieser Saison hat der HSV am Sonntag ein Heimspiel. Und der liegt dem HSV mehr als den Gästen: An Sonntagen holte der HSV durchschnittlich 1,5 Punkte pro Spiel (berechnet auf Basis der Drei-Punkte-Regel), die Gäste aus Hoffenheim kommen dagegen auf einen sonntäglichen Punkteschnitt von nur 1,1. Zudem gewannen die Hoffenheimer nur eines der letzten 6 Bundesliga-Spiele: Das war am 11. Spieltag ein 3:0 beim sieglosen Schlusslicht in Köln. Aus diesen 6 Spielen holte die TSG nur 6 Punkte – der HSV sogar nur vier. Aus dieser Warte also alles andere als ein Spitzenspiel. Aber eben ein ganz wichtiges, insbesondere für den HSV, der ob der heutigen Ergebnisse (Freiburg gewinnt 2:1 gegen Mainz) wieder auf den 16. Platz zurückfiel – andererseits mit einem Sieg aber schon den Anschluss ans Mittelfeld herstellen kann.

„Wir werden gegen die TSG bis zur letzten Sekunde keine Ruhe haben“, hatte Trainer Gisdol angekündigt und ahnte dabei vielleicht noch nicht einmal, wie Recht er damit hatte. Denn Hoffenheim traf sieben Mal in der Schlussviertelstunde – das ist Ligaspitze. Aber wenn wir schon dabei sind, gegen Hoffenheim muss man wirklich den Abpfiff abwarten, ehe man einmal durchatmen kann. Denn Hoffenheim ist auch in einem zweiten Wert Ligaspitze: Bei Treffern in der Nachspielzeit. Nicht der FC Bayern also gewinnt am häufigsten in der Nachspielzeit, sondern die TSG, die viermal in dieser Saison in der Nachspielzeit traf und sich so sechs Punkte insgesamt sicherte. Und: Fast die Hälfte der späten Tore (3 von 7) ging auf das Konto von Mark Uth, den einst Markus Gisdol entdeckte und zum Profi ausbildete. Zum Vergleich: Der HSV traf zweimal in der Schlussviertelstunde und zusätzlich zweimal in der Nachspielzeit (12.-beste Wert).

Aber Markus Gisdol, für den die Partie gegen seinen Exklub sicher kein normales ist – er rettete den Klub 2013 aus schier aussichtloser Position vor dem Abstieg und ist immer noch gemeinsam mit Ralf Rangnick Bundesliga-Rekordtrainer der Kraichgauer (85 Partien) – hatte es gestern bereits erwähnt: Dieser HSV ist zuhause nicht leicht zu bespielen für die Gegner. Denn eines kann diese Mannschaft tatsächlich: kämpfen. Und darauf wird es morgen ankommen gegen Hoffenheimer, die unter der Woche international spielen mussten und so Kräfte gelassen haben.

TSG-Trainer Julian Nagelsmann, den der HSV via Bernhard Peters vor zwei Jahren gern als Trainer zum HSV (damals allerdings für die damalige U23), wird sicherlich rotieren – mit einer Ausnahme, wie ich behaupte: Denn Kerem Demirbay wird sich den Auftritt beim HSV sicher nicht nehmen lassen wollen. Der Mann, den der HSV einst wegschockte, weil Trainer Bruno Labbadia nicht mit ihm konnte und der in Hoffenheim ein Topspieler geworden ist. Der 24-Jährige, der mittlerweile Nationalspieler ist, ist genau der Spieler-Typ, der dem HSV in den letzten Monaten fehlte: Ballsicher und kreativ, ein Akteur, der Chancen kreiert. Bis auf morgen, wie ich hoffe...

Heute im Abschlusstraining, das ich gefilmt habe aber hier ob der miesen Lichtverhältnisse gar nicht erst reinstellen will, fehlte einer der Vorkämpfer, Andre Hahn, noch immer grippebedingt. Zudem musste Lewis Holtby, der zuletzt schon keine Rolle mehr gespielt hat unter Gisdol, das Training vorzeitig mit Oberschenkelproblemen abbrechen. Ergo: Er wird wieder nicht im Kader sein, während Julian Pollersbeck wieder unter die ersten 18 rutschte und Tom Mickel so wieder auf die Tribüne muss. Ebenso fehlen werden die Langzeitverletzten Bjarne Thoelke und Nicolai Müller, der angeschlagene Albin Ekdal sowie der zur U21 geschickte Bakery Jatta, der morgen (14 Uhr) eigentlich beim 1. FC Germania Egestorf-Langreder antreten sollte - allerdings wurde das Spiel heute Abend abgesagt.

Und wie gestern geschrieben ist nach dem heutigen Abschlusstraining gar nicht mal so unwahrscheinlich, dass Gisdol mit dem nach seinen Einwechslungen zuletzt starken Luca Waldschmidt beginnt. Die Frage ist nur, ob er dafür auf Youngster Tatsuya Ito verzichtet und Aaron Hunt auf die Außenbahn stellt, ob Ito bleibt und Hunt rausfliegt, oder ob Waldschmidt erneut von der Bank kommt. Mein Tipp ist, dass Gisdol nichts ändert: Mathenia – Diekmeier, Papadopoulos, Mavraj, Santos – Sakai, Jung – Ito, Hunt, Kostic – Arp. Wobei ich mir jetzt noch wünschen würde, dass van Drongelen noch Mavraj ersetzt – aber das scheint eher unwahrscheinlich.

Egal wie, es wird ein spannendes Spiel, in dem definitiv was zu holen ist. Und ich freue mich darauf ebenso wie auf die Zusammenfassungen heute Abend vom Spiel in Dortmund. Zusammen mit meinen Kollegen Kraft (BILD) und Braasch (Mopo) haben wir die Sky-Konferenz parallel zum verspätete begonnenen Training (16.40 statt 16 Uhr) via Ipad gesehen. Und wer von Euch ebenso dieses Derby gesehen hat, der wird wissen, was ich meine. Bitter für BVB-Trainer Bosz, der wohl gehen muss, wie gemunkelt wird – aber ein Genuss für jeden neutralen Zuschauer.

 

Bis morgen!

 

Scholle

 

Hier mein „Gegenwerk“...:

 

Moin, moin, liebe Anhänger der TSG!

International Fußball spielen – das gab es in Hamburg auch mal. Und es waren wirklich schöne Reisen mit oft erfolgreichen Spielen für den HSV. Orte wie Braga, die man sich sicher nicht als Urlaubsziele wählt, standen dabei immer wieder auf dem Plan. Man hat einfach was von der Welt kennengelernt – und guten Fußball gespielt. Insofern kann ich mir vorstellen, dass es Euch Hoffenheimern auch sehr viel Spaß macht - trotz der aus meiner Sicht extrem unnötigen Niederlage in Braga. Denn festzuhalten bleibt, dass Ihr derzeit den Weg geht, auf dem wir uns in Hamburg vor knapp zehn Jahren sicher wähnten. Zu sicher. Denn der Absturz war brutal. Noch brutaler als das wirklich unnötige Aus Eurer TSG in der Gruppenphase.

 

Ich weiß sehr wohl, dass ich in Hamburg und wahrscheinlich auch bundesweit eher ins Abseits gestellt werde, wenn ich Sympathien für Klubs wie Leipzig oder auch Hoffenheim bekunde. Aber ich kann nicht anders. So unterschiedlich diese beiden auch sind, werden sie immer wieder gleichermaßen als Retortenklubs abqualifiziert – dabei überholen sie gerade den größten Teil des deutschen Spitzenfußballs im Eiltempo. Warum? Weil einfach gut gearbeitet wird. Mit einer Menge Geld sicherlich – aber soll ich mich als Hamburger tatsächlich gerade darüber echauffieren...? Eher nicht.

 

Denn gerade wir in Hamburg wissen, dass viel Geld nicht automatisch auch viel Erfolg  nach sich zieht. Sehr wohl aber gute Arbeit – und die leistet ein Julian Nagelsmann ganz offensichtlich in Hoffenheim mit seinem Funktionsteam zusammen, während Euer Ex-Trainer bei uns versucht, die Mängel möglichst erfolgreich zu verwalten. Zuletzt haben wir hier die letzte Patrone gezündet und auf zwei Youngster gesetzt – die zum Glück voll eingeschlagen sind. So, wie man es hier auch einem Kerem Demirbay zugetraut hatte. Also, alle außer Trainer Bruno Labbadia, der ihn gegen den Willen aller im Vorstand partout loswerden wollte, der ihn auchloswurde – und der dann kurz danach selbst gehen musste. Ein bezeichnender Akt für die Misswirtschaft hier seit Jahren...

 

Und deshalb stehen wir auch da, wo wir stehen. Zurecht sage ich, während viele von Euch sicher sagen, wir gehören sogar noch weiter runter und hätten längst den Gang in die Zweite Liga gehen sollen. Und es mag sein, dass es vielen hier guttun würde, die Demut an den Tag zu legen, die ein derartiger Misserfolg mit sich brächte. Denn eines ist klar: Der HSV wähnt sich in Gänze noch immer größer, als er ist. Hier lebt man von einer Tradition, die mit der Realität nichts mehr zu tun hat. Und ein gutes Indiz für diese Fehleinschätzung seid Ihr Hoffenheimer. Ihr, die ihr international vertreten seid, während wir hier Jahr für Jahr gegen den Abstieg kämpfen. Trotz ähnlicher wirtschaftlicher Voraussetzungen mit den potenten Geldgebern im Rücken...

 

Wobei, so fair muss man sein: Die aktuelle Mannschaft hat in sich wenig von dieser Arroganz. Im Gegenteil: Sie hat sympathische Typen, die vielleicht teure Autos fahren, die aber auf dem Boden geblieben sind  und sich nicht für Überflieger halten, die nur einem Missverständnis geschuldet und maximal übergangsweise unten in der Tabelle hausieren. Mathenia, Diekmeier, Papadopoulos, Mavrai, Sakai, Gideon Jung, und Andre Hahn sind echte Teamplayer und demonstrieren das auch außerhalb des Platzes. Sven Schipplock hätte ich natürlich genauso wie Sejad Salihovic dazuzählen müssen – aber die beiden sind sportlich leider nicht mehr erste – Schipplock nicht einmal mehr zweite – Wahl. Diese beiden stehen eher für das, was den HSV neben seiner falschen Arroganz ausgezeichnet hat: Fehlinvestitionen. Und davon hatten wir in den letzten Jahren mehr als genug – was Euch freuen dürfte. Denn wir können nicht nur schlecht einkaufen, sondern sogar noch schlechter verkaufen. Wer zu uns kommt, wird schlechter, wer geht – der wird besser. Siehe Kerem Demirbay...

 

Insofern, die Gemeinsamkeiten, lieber Alex, die Du aufgezählt hast, sind tatsächlich die einzigen, die wir noch haben. Denn sportlich seid Ihr vor ein paar Jahren - stetig anhaltend – an uns vorbeigezogen. Mit einem Mäzen wie Dietmar Hopp im Rücken, der im Gegensatz zu Klaus Michael Kühne eine Philosophie verfolgt. Hopp hat neben viel Geld auch einen Plan, der auf mehr als zwei Monate im Voraus geplant ist.„Konstanz“ eben – also das, was in Hamburg von allen gefordert und von niemandem gelebt wird.Und ich halte es auch in Sachen Hopp/Kühne mal mit Stefan Reuter. Der Sportchef des FC Augsburg hat mir während einer Doppelpass-Sendung in der Pause einmal gesagt, was wahrscheinlich alle denken. Auch die, die mit niveaulosen Plakaten gegen Euren Mäzen/Investor demonstrieren: „In der ganzen Bundesliga würde nicht ein Verein Geldgeber dieser Art ablehnen. Im Gegenteil: Alle wollen sie. Die meisten suchen sie sogar...“

 

In diesem Sinne wünsche ich uns allen für morgen ein faires, schönes Fußballspiel. Auch Dir lieber Alex! Wobei ich bei aller Freundschaftlichkeit an dieser Stelle nicht verhehlen möchte, dass die Punkte natürlich hier bleiben müssen. Wir brauchen sie schlichtweg noch mehr als Ihr...

 

Bis dahin!

 

FAQs

 
 

Über uns

Die Rautenperle - das ist ein Team aus jungen Medienschaffenden und Sportjournalisten mit großer Affinität zum HSV. Wir sind 24/7 bei den Rothosen am Ball und produzieren frischen Content für Rautenliebhaber.

Unser Ziel ist es, moderne, unabhängige Berichterstattung und attraktiven, journalistischen Content für junge und jung gebliebene HSV-Anhänger zu bieten. Wichtig ist uns dabei, eine neue Art des Sportjournalismus zu präsentieren: dynamisch, zeitgemäß, zielgruppengerecht. Weg von verstaubten Zeitungsspalten und immergleichen Phrasen.

Die Rautenperle ist aber nicht nur ein Ort, um sich zu informieren, sondern soll auch immer ein Ort des Austausches und des Miteinanders sein. Wir wollen eurer Leidenschaft einen Platz im Netz bieten: zum Diskutieren, zum Mitfiebern, zum Mitmachen.