Marcus Scholz

30. August 2019

Es wird. Langsam. Aber es läuft endlich in die richtige Richtung. Emotional auf der einen Seite: Aus Hannover hat sich der Dachverband der 96-Fans zu einem Appell an die eigenen Fans entschlossen und zu einem fairen Umgang Bakery Jatta gegenüber aufgerufen. Stuttgarts Trainer Walter lederte heute auf der Pressekonferenz des VfB (im unten eingestellten Video ab Minute 15:40 zu hören) vor der Partie gegen Bochum gegen alle Klubs, die Widerspruch eingelegt haben. Aber auch faktisch scheint sich Jatta - so paradox das in einem Rechtsstaat auch klingt - endlich entlasten zu können. Das Bezirksamt HH-Mitte hat inzwischen die Geburtsurkunde von Bakery Jatta aus Gambia bestätigt vorliegen.

Viel mehr geht nicht, was selbst die Kollegen der BILD-Gruppe anerkennen mussten. Selbst sie sprachen heute davon, dass der Fall bei einer vorliegenden Geburtsurkunde als geschlossen gelten müsse. Allerdings nicht, ohne im Zusatz noch einmal darauf hinzuweisen, dass die Umstände und gesammelten Indizien trotz alledem zweifelhaft seien…

Ich kann mir nicht mal im Ansatz vorstellen, wie sich Jatta selbst gefühlt hat und aktuell fühlen muss. Ich bin mir sicher, dass er sich über die vielen Beistandsbekundungen sehr gefreut hat - aber er wird auch gelitten haben und sicher noch immer leiden. denn er wird immer mit dem Zweifel belegt bleiben, den unbewiesene Berichte bei dem einen oder anderen Leser ausgelöst haben. Diese Zweifel im selben Atemzug noch einmal zu nennen, wo man gerade so tut, als würde man die deutlich Faktenlage gegen ihre eigene  Berichterstattung und für den Menschen Bakery Jatta anerkennen - das ist schon echt - schäbig.

Parallel zu diesem Ärger freue ich mich darüber, dass es weitere Beweise gibt, die die Causa Jatta zu einem Abschluss bringen können. Auch, wenn ich noch immer zu 100 Prozent davon überzeugt bin, dass diese ganze Berichterstattung überhaupt nichts mit dem Sport zu tun hat, so hoffe ich, dass der Sportsgeist jetzt seine ganze Kraft entwickelt und demonstriert, dass es solches Unrecht nicht noch mal geben darf. Es darf einfach nicht sein, dass eine Welle losgetreten wird, wie sie hier vom VfL Bochum, dem Karlsruher SC und allen voran vom 1. FC Nürnberg losgetreten wurde. Es darf nicht sein, dass Vereine anfangen, politische Hintergründe ihrer Gegner zu recherchieren und dabei billigend in Kauf nehmen, eine Existenz zu zerstören. Wo bitte sind im Fußball alle diejenigen, die sich beim Freitod Robert Enkes empörten und von mehr Menschlichkeit im kalt gewordenen Fußball-Business sprachen?

Weg. Sie ducken sich einfach weg. Als hätte es Enke nie gegeben, wurde Jatta trotz fehlender Beweise angeklagt und medial gejagt. Und das alles wurde dramatischerweise sogar von der obersten aller Fußball-Instanzen angefeuert: Vom DFB. Der DFB-Kontrollausschussvorsitzende Anton Nachreiner hat es nicht geschafft, Politik und Sport zu trennen.

Gier besiegt Moral: Nürnberg legt trotzdem Protest ein

Nein, alles das darf nicht vergessen werden, egal wie sehr wir uns darüber freuen, wenn die Berichte über Jatta im Zuge der neuen Beweislage enden möge. Wir dürfen nicht einfach vergessen, wie leicht es war, einen  Menschen hier der Öffentlichkeit zum Fraß vorzuwerfen.  Allein auf Indizien basierend. Wir müssen anerkennen, dass es auch bei uns einfach zu leicht ist, sich hinter formaljuristischen Winkelzügen zu verstecken, nur um die eigenen, niederen Beweggründe zum eigenen Vorteil zu nutzen. Und dafür nehme ich gern folgende Aussage, die heute vom 1. FC Nürnberg als Erklärung für ihren erneuerten Einspruch gegen die Spielwertung verbreitet wurde:

Der 1. FC Nürnberg hat heute seine Begründung für den Einspruch gegen die Wertung des Meisterschaftsspiels des Club gegen den Hamburger Sportverein am 5. August 2019 beim Sportgericht des Deutschen Fußballbundes eingereicht. Die Verantwortlichen des 1. FC Nürnberg haben damit auf die durch die öffentliche Berichterstattung bekannt gewordenen Sachverhalte reagiert und werden dadurch ihrer Verpflichtung gerecht, die sportlichen, rechtlichen und wirtschaftlichen Interessen des Vereins zu wahren.

Für den zugrundeliegenden Sachverhalt gibt es im deutschen Profifußball keinen vergleichbaren Fall oder allgemein anwendbare Handlungsmuster. Es geht dem 1. FC Nürnberg allein um die sportjuristische Klärung des Sachverhaltes. Die Entscheidung darüber obliegt nun dem zuständigen Sportgericht des DFB.

Diese sportjuristische Klärung steht den Werten des 1. FC Nürnberg nicht entgegen. Der Club steht weiterhin für außerordentliches Engagement gegen Fremdenfeindlichkeit und tritt entschlossen für Integration und interkulturelle Verständigung ein. Wir werden uns auch künftig für diese Werte stark machen und uns gegen populistische oder parteipolitische Vereinnahmung vehement zur Wehr setzen.

  

Noch Fragen? „Der Club steht weiterhin für außerordentliches Engagement gegen Fremdenfeindlichkeit…“ Im Ernst? Bislang war ein ehemaligen BILD-Reporter der Pressesprecher, was in diesem Fall ebenso ein Geschmäcke hat wie der Umstand, dass im Aufsichtsrat ein verantwortlicher seine Einnahmen zu einem wesentlichen Teil auch aus Aufträgen des Axel-Springer-Verlages und hier im Speziellen durch die BILD-Gruppe generiert. Aber inzwischen scheint es fast so, als hätten die Nürnberger plötzlich denselben Pressesprecher wie Donald Trump. Nein, Herr Aufsichtsrat Stefan Müller, Herr Sportvorstand Robert Palikuca und Co. - schämen sie sich! Sie demonstrieren, dass die Gier auch im deutschen Fußball jeglichen Fairplay-Gedanken vernichtet. Sie präsentieren sich als wankelmütige Funktionäre und zeigen das hässlichste Gesicht, dass der Fußball zeigen kann.

Ich kann nur hoffen, dass die Fußballfans auf immer friedliche Art aber mit wirklich aller gebotenen Deutlichkeit diesen Rückgratlosen Funktionären demonstrieren, dass das bei uns eben nicht funktioniert. Und ich hoffe, dass Jatta immer als mahnendes Beispiel dafür stehen wird, was hier nie wieder passieren darf. Denn selbst wenn sich irgendwann doch herausstellen sollte, dass Jatta in Wirklichkeit Daffeh, Müller, Meier oder Nachreiner heißt -  dieses Thema hat im Fußball nichts verloren.   Der Fußball sollte verbinden und integrieren - nicht politisch anklagen. Das gehört auf eine andere Ebene. Und deshalb wird es dringend Zeit, dass der DFB hier auch klare Grenzen zieht.

Der DFB hat den Schaden nicht verhindert, sondern ermöglicht

Denn eines ist klar: Den Schaden, den der DFB vorgab, mit seinen zugelassenen Einsprüchen abwenden zu wollen, hat er genau damit inzwischen angerichtet. Anstatt die behördlich eh schon eingeleiteten Untersuchungen abzuwarten und den Vereinen zu signalisieren, dass erst nach  etwaigen Beweisen Einspruch eingelegt werden kann, hat der DFB seine Vereinsfunktionäre und deren Gier vor eine unmoralische Wahl gestellt - und diese damit bloßgestellt. Und während St. Paulis Göttlich, Stuttgarts Walter, Osnabrücks Thioune und viele andere bewiesen haben, dass Profit und Punktgewinne eben nicht über die Menschlichkeit gestellt werden müssen, haben sich Nürnbergs Müller, Palikuca und Co. öffentlich brutal geoutet.   

Und Dass sich Jatta dabei mental stark präsentiert, ist nichts, was wir voraussetzen dürfen. Das ist außergewöhnlich. Und Glück für alle, die noch etwas Gewissen haben. Aber:  Wenn nur einer daran irgendwann einmal zerbricht, werden die oberen Herren des DFB sich ebenso wie alle Fans, Politiker, Zeitungen und sonstigen Berichterstatter in den Forderungen nach Menschlichkeit überbieten. Aber dann wird es zu spät sein. Weil sie aus Fehlern nicht gelernt haben.

Warum ich Euch noch mal mit dieser Moralkeule komme? Weil ich mich selbst sonst schlecht fühlen würde. Jedesmal, wenn ich über dieses Thema schreibe, erwische ich mich dabei, dass ich Magenschmerzen bekomme. Es stört mich, dass ich trotz meiner klaren Meinung einer von allen war, die diesen Fehler zugelassen haben. Denn wir alle haben es nicht verhindert - und das darf uns nie wieder passieren. Sollte es doch noch mal möglich sein, sind wir mitschuldig. Wir alle, die es nicht verhindert haben. „Kann ich nicht, gibt es nicht“, hat mein Opa immer zu mir gesagt. Und diesmal hat er Recht. Ich darf mich nicht hinter irgendwelchen Umständen verstecken. Wenn ich meine, Unrecht zu erkennen, muss ich es benennen, laut werden und für das Recht einstehen. Klingt martialisch - ist aber nichts anderes als ein Mindestmaß an Menschlichkeit. Finde ich.

Hunt ist wieder fit - und Trainer Hecking lobt seinen Captain

Oha, jetzt die Überleitung zum Sport zu finden ist nicht leicht. Aber es muss. Ich nutze dafür das Video von der heutigen Pressekonferenz des HSV mit den Worten von Trainer Dieter Hecking:

Aaron Hunt wird also wieder im Kader sein. Ob in der Startelf oder erst von der Bank kommend ist noch offen. Und angesichts der lobenden Worte des Trainers will ich beim Kapitän auch gar nichts ausschließen. Anders als bei Berkay Özcan. Dass der Mittelfeldmann spielt, ist ausgeschlossen. Denn Özcan steht unmittelbar vor einem Wechsel in die Türkei. Drei türkische Klubs buhlen um die Gunst des Mittelfeldmannes, der beim HSV noch einen Vertrag bis 2023 hat. Und stimmen meine Informationen, dann scheint Basaksehir das Rennen zu machen. Ein Jahr auf Leihbasis soll Özcan zum Erdogan-Klub wechseln. Und das, obwohl mit Galatasaray und Besiktas noch zwei große Namen mit im Rennen sind.

Apropos großer Name: Den hat auch der AC Mailand, bei dem sich Lenny Borges heute - wie gestern hier exklusiv vermeldet - zu finalen Gesprächen befindet. Das Okay für seinen Wechsel hat der Außenverteidiger vom HSV erhalten, im Gespräch sind weiterhin 800.000 Euro Ablösesumme. Der U19-Spieler des HSV soll in Italien einen Zweijahresvertrag erhalten. Heute absolviert er den Medizincheck, im Anschluss soll er seinen vertrag unterschreiben.

Viele Gerüchte um Neuzugänge - Boldt blockt noch

Ob auf der anderen Seite noch ein Spieler zum HSV kommt? „Schau’n mer mal…“, so die gewohnt einsilbige Antwort von HSV-Sportvorstand Jonas Boldt, sobald es um Spielertransfers geht, die noch nicht abgewickelt sind. Aber auch ohne die Ansage von Boldt scheint der HSV im Hintergrund noch sehr aktiv zu sein. In den letzten Tagen kamen vermehrt Meldungen und Gerüchte auf, an wem der HSV alles interessiert sein soll. Aber, zugegeben: Wissen tue ich hier nichts Neues. Und deshalb lasse ich es auch, hier irgendwelche Namen zu schreiben…

Sicher sein könnt Ihr Euch indes, dass ich morgen an Dieser Stelle wieder vorrangig über Fußball berichten werde. Wie ab jetzt regelmäßig werde ich zusammen mit meinem künftigen Co-Piloten hier in der Rautenperle, Christian Hoch, wieder den HSV und den kommenden Gegner miteinander vergleichen. Zudem berichte ich Euch selbstverständlich vom Abschlusstraining (Sbd., 13.30 Uhr öffentlich).

Bis dahin!

Scholle    

 

P.S.: Der ehemalige HSV-Profi Emir Spahic hatte einen schweren Autounfall hatte. Von daher vom gesamten Rautenperle-Team: Alles Gute, Emir! Wir drücken alle Daumen, dass weder Dir noch irgendwem sonst Schlimmeres passiert ist!!

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