Marcus Scholz

10. Juli 2018

Regeneration stand nach der Vormittagseinheit für den Rest des Tages auf dem Programm. Einen ganzen Nachmittag lang dürfen sich die HSV-Profis heute ausruhen. Sagte und Trainer Christian Titz – und er flunkert dabei ein wenig. Denn zum einen gab es eine regenerative Einheit am Nachmittag am Hotel. Zum anderen haben die Spieler allesamt Aufgaben bekommen. In Fünfer- und Sechsergruppen sollen sie das aktuell einstudierte Spielsystem erklären und bei Standards ihre Ideen mit einfließen lassen. Und das vor versammelter Mannschaft inklusive Trainerteam und Sportvorstand. „Das Spiel gegen den Ball, mit dem Ball - die Spieler sollen alles erklären.

Und sie sollen dabei auch ihre eigenen Ideen mit einbringen. Ich mache das schon seit Jahren. Bei Standards ist es schon erstaunlich. Man glaubt gar nicht, wie viele gute Ideen die Spieler selbst haben. Und der Vorteil hierbei: Wenn sie selbst diese Ideen einbringen, wollen sie unbedingt, dass ihre Ideen auch auf dem Platz erfolgreich funktionieren.“ Liefe es optimal, könnten die ersten Varianten schon am morgigen Vormittag einstudiert und am Abend im Test gegen ZSKA Moskaus umgesetzt werden. „Das wäre der Optimalfall“, so Titz.

Dabei setzt der HSV-Trainer auf die Kreativität der eigenen Spieler. „Sie sollen ein 50:50-Verhältnis haben zwischen Vorgaben und freien Entscheidungen, die der Spieler situativ auf dem Platz fällt. Und je sicherer sie in dem sind, was unsere Grundidee betrifft, desto mehr können sie ihren Freigeist einbringen. Ich finde das Spiel, wenn wir den Gegner tief bespielen, dann brauchst du diese Ideen, diesen Freigeist. Dann müssen die Jungs auch mal Eins-gegen-eins gehen, mutig sein und überraschen. Wir wollen nicht wie eine Schablone auszurechnen sein. Auch wenn es nicht leicht wird, wenn die Räume sehr eng gemacht werden.“

Der HSV, der heute nach dem Warmmachen insgesamt fast zwei Stunden auf dem Platz taktische Übungen vor allem mit Ball absolvierte, wird immer technischer. Auf dem Platz werden inzwischen Videoanalysen in Unterbrechungen vorgeführt. Zudem gibt es inzwischen, wie beim American Football üblich, ein so genanntes Playbook für jeden Spieler. Darin enthalten sind alle taktischen Vorgaben. Eklärt in Bild und Wort. Titz: „Es gibt alles komplett zusammengefasst als Powerpoint-Präsentationen und als Videomaterial auf den iPads nachzulesen, die den Spielern zur Verfügung stehen.“

Und heute Abend wird es noch mal einen Crashtest geben, da morgen Abend der erste Härtetest im Trainingslager ansteht. Der russische Meister ZSKA Moskau ist um 17.45 Uhr in Draßburg der Gegner. „Wir wissen, dass es ein Gegner wird, der uns unter Druck setzen wird und uns in die Situation bringt, dass wir unsere Spielaufbauvarianten einspielen können unter Wettbewerbsbedingungen.“ Es ist nach Aarhus der zweite ernst zu nehmende Gegner in dieser Vorbereitung. Und Trainer Christian Titz macht mehr als deutlich, dass er diesen Test in doppelter Hinsicht sehr ernst nimmt.

Nachdem man gegen Aarhus übel mit 1:5 verloren hatte, hat die Mannschaft keinen Kredit mehr bei Titz, was das Ergebnis angeht. „Ich verliere grundsätzlich nicht gern. Schon gar nicht vermehrt“, so der HSV-Trainer, der aus wiederholten Niederlagen eine negative Gesamtwirkung befürchtet. Unabhängig davon, ob es Vorbereitungs- oder Pflichtspiele sind. „Wir wissen schon, dass wir morgen auf den russischen Meister treffen. Aber wir streben schon an, das Spiel erfolgreich zu gestalten und zu gewinnen.“ Klar ist auf jeden Fall, dass es Sätze wie: „Es ist noch früh in der Vorbereitung, da ist das Ergebnis zweitrangig“ unter Titz nicht mehr geben wird. Und das ist gut so.

Auch deshalb wird ab sofort nicht mehr mit zwei Mannschaften gespielt. Also keine Komplettwechsel mehr in den Halbzeiten. „Wir werden vielleicht fünf, sechs oder sieben Wechsel im Laufe des Spiels machen. Wir wollen, dass sich jetzt langsam gewisse Dinge herauskristallisieren.“ Soll heißen: Langsam beginnt der direkte Kampf um die Stammplätze. Startelf-Aufstellungen sollen langsam eine gewisse Aussagekraft bekommen. Zwar betont Titz, dass die vielen angeschlagenen Spieler sowie die noch fehlenden Akteure seine Arbeit nachhaltig beeinflussen könnten. Allerdings bleiben Zweifel, ob die Umstände das so schon zulassen. 

Gotoku Sakai wird im Gegensatz zu den restlichen nicht-anwesenden Spielern weiterhin fest eingeplant als Rechtsverteidiger und befindet sich beispielsweise noch im WM-Urlaub, während Douglas Santos, der auf der linken Abwehrseite gesetzt sein dürfte, angeschlagen auszufallen droht. „Douglas hat einen gereizten Hüftbeuger. Da müssen wir mal abwarten, was die Nacht ergibt. Das ist nichts Weltbewegendes“, so der HSV-Cheftrainer, der ausführt: „Bei Josha Vagnoman müsste es eigentlich auch gehen, da ist es eine leichte Bänderdehnung.“  Auch im Tor wird die voraussichtliche Stammkraft nicht dabei sein können. Titz: „Julian Pollersbeck hätte am Mittwoch eh nicht gespielt, da war die Tendenz Donnerstag. Aber auch das schieben wir und er wird am Freitag wieder einsteigen.“ Ebenso wie Bakery Jatta (Oberschenkelprobleme) morgen voraussichtlich fehlen wird.

Definitiv fehlen wird Aaron Hunt. Der Mittelfeldspieler, der bislang nur individuell trainieren konnte, wird sogar sowohl morgen als auch im Abschlussspiel am Sonnabend bei Rapid Wien fehlen. „Aaron hat in der Tiefenmuskulatur unterhalb der Adduktoren einen Muskel der stark reagiert. Da wollen wir aber kein Risiko eingehen. Da kann ich auch noch keine genaue Prognose abgeben. Der Plan war eigentlich, dass er Ende dieser Woche einsteigt. Aber es wird jetzt wohl erst nächste bei ihm werden.“, sagt Titz, der zusammen mit Sportvorstand Ralf Becker weiterhin am Kader bastelt. Tagtäglich.

 

Dabei werden sowohl zukünftig mögliche Konstellationen bedacht wie aktuelle Möglichkeiten ausgelotet. Es sollen am besten noch ein zentraler Mittelfeldmann kommen – und nach dem Abgang von Bobby Wood gen Hannover 96 ein Mittelstürmer. Zumal man beim HSV von einer zeitnahen Entscheidung in der Causa Fiete Arp ausgeht. Dem jungen Angreifer liegt ein Angebot aus München vor, auf das er sich mit den Bayern dem Vernehmen nach schon geeinigt haben soll. Angesichts des Gesamtvolumens von rund 30 Millionen Euro für vier Jahre – ich hatte Euch an dieser Stelle bereits darüber berichtet - auch kein Wunder. Aber bis dahin ist noch ein wenig Zeit und vor allem müsste der FC Bayern sein bislang kaum ernst zu nehmendes Ablöseangebot über 2,5 Millionen Euro deutlich anheben. Und im Trainingslager präsentiert sich Arp bislang sehr spielfreudig. Der Junge ist entweder ein überragender Schauspieler – oder einfach cool. Zumindest lässt er nicht erkennen, wie es in ihm aussehen mag, während der HSV alle Interviewanfragen für den jungen, umworbenen Angreifer ablehnt.

Apropos, mein heutiges Interview mit Tom Mickel ist bereits geführt. Und ich kann nur so viel sagen: Es wird recht lustig. Denn der Titel „Zwei Doofe, ein Gedanke“ hat hierbei eine Bedeutung, die sich Euch am Ende des Videos erklären wird. Viel Spaß mit dem dritten Tagebucheintrag von Tom Mickel (sobald ich den nach nunmehr zweieinhalb Stunden endlich hochgeladen bekomme...) und Euch allen einen schönen WM-Halbfinalabend!

 

Bis morgen!

Scholle

  

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